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In deiner Haut

In deiner Haut

Ein Film von Vincent Perez


Was bleibt neben der Erinnerung zurück, wenn ein Mensch stirbt? Zu gerne möchte unsereins an ein Leben danach glauben – eine fürwahr deutlich angenehmere Vorstellung als das beispielsweise immerwährende Dunkel im alles verschluckenden Nichts. Aus und vorbei. So ist es durchaus wenig verwunderlich, dass die Ausgestaltung dieser Hoffnung nach wie vor Einzug in die unterschiedlichsten Weltreligionen hält. Doch sowohl damals wie auch heute formiert sich vereinzelt Widerstand gegen die Überzeugung von einem Leben nach dem Tod. Vor allem Theologen sind sich angesichts der beinah lückenlos dokumentierten Entstehungsgeschichte der Bibel größtenteils einig in dem Punkt, dass (bisher) kein einziger Fall von Seelenwanderung zutage getreten ist.


Zugegeben ist dies eine Glaubensfrage, wie sie im Buche steht, und es soll erst gar nicht der Versuch unternommen werden, die einzelnen Fragmente der verschiedenen Ansichten zu diesem höchst interessanten wie auch höchst sensiblen Thema auseinanderzupflücken. Denn Glauben ist nun einmal nichts Universelles, da jeder Mensch anders zu ihm steht. Genauso verhält es sich mit dem Gedanken von Reinkarnation und Seelenwanderung: ob es sie tatsächlich gibt, versucht etwa die empirische Reinkarnationsforschung, eine Parawissenschaft, herauszufinden. Dass es sie gibt, meinen zumindest ihre Probanden, die sich an ein früheres Leben zu erinnern glauben. Was unsereins nun daraus macht, ist eine
andere und darüber hinaus schwerlich zu beantwortende Frage, die sich munter einreiht in den immer größer werdenden Kanon aus Vermutungen und lebenslangen Hoffnungen.


Es sind Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft, die für Familienvater Ben Marris (David Duchovny) durch einen herben Schicksalsschlag zerbrechen wie eine filigrane Glasskulptur. Ein schwerer Autounfall führt dazu, dass die zwei ihm liebsten Menschen auf dieser Welt ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Kurz zuvor noch bei bester Gesundheit, kämpfen seine über alles geliebte Frau Hannah (Lili Taylor) und die gemeinsame Tochter Sam (Olivia Thirlby) plötzlich um ihr Leben. Die Ärzte tun ihr wirklich Möglichstes, können jedoch letztlich nicht verhindern, dass sowohl Hannah als auch Sam für tot erklärt werden. Für Ben bricht eine Welt zusammen. Doch plötzlich regt sich der vormals leblose Körper seiner Tochter wieder und ist ein schwacher, regelmäßiger Puls spürbar – ein kleines Wunder, das den gleichzeitigen Verlust der geliebten Ehefrau zumindest einen kurzen Moment vergessen lässt. Aber einfacher wird die Sachlage dadurch nicht. Als Sam nämlich das erste Mal nach der Nahtod-Erfahrung die Augen öffnet und von ihrem Vater die traurige Nachricht vom Tod ihrer Mutter erfährt, ist sie der festen Überzeugung, Bens Ehefrau zu sein. Zunächst glaubt dieser an ein nur vorübergehendes Trauma, doch nach und nach mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Seele von Hannah wirklich immer noch auf Erden weilt – in Sams pubertierendem Körper!


Das Thema „Körpertausch“ ist in Film und Fernsehen schon mehrfach behandelt worden. 1976 etwa fand sich Jodie Foster im originalen „Freaky Friday“ plötzlich im Körper ihrer Film-Mutter Barbara Harris wieder, Lindsay Lohan und Jamie Lee Curtis sollten eine ähnliche Erfahrung im Jahre 2003 machen, als sie die gemeinsame Seelenwanderung antraten. „IN DEINER HAUT“ wandelt auf den ersten Blick auf denselben Pfaden, denn neuerfunden hat der Schweizer Regisseur Vincent Perez („Engel weinen nicht“ [2002]) die Ausgangslage nicht. Auch sein Werk ist „nur“ das Remake eines japanischen Films („Himitsu“ [1999], R: Yôjirô Takita), dem wiederum der gleichnamige Roman von Keigo Higashino die Grundidee lieferte. Doch der Schluss auf lediglich Altbekanntes im typisch-vorhersehbaren Remake-Korsett sollte in diesem Fall nicht vorschnell getroffen werden.


Anders nämlich als am „voll verrückten Freitag“ verortet sich Perez` Mysteryfilm nicht im übertriebenen Slapstick-Genre, sondern räumt der der Geschichte innewohnenden dramatischen Komponente deutlich mehr Raum ein. Angefangen beim Tod eines Familienmitglieds, den daraus resultierenden Momenten voller Trauer, hin zu der niemals sonderlich glücklichen Beziehung zwischen Tochter und Mutter, lässt sich so ziemlich alles in die Waagschale werfen. Gefahr, sich zu stark zu einer Seite zu neigen, läuft der Film dabei zu keinem Zeitpunkt. Geschuldet ist dies zum einen der feinfühligen Inszenierung Perez`, der den Mittelweg zwischen Drama und einer gesunden Portion Tragikomik stets mit festen Schritten beschreitet, so dass die Balance fortwährend gewahrt bleibt. Zum anderen haben sich mit David Duchovny („The TV Set“ [2006]), Lili Taylor („Das Geisterschloss“ [1999]) und der wunderbaren Olivia Thirlby („Juno“ [2007]) Schauspieler zusammengefunden, die ihre Figuren bravourös mit Leben füllen. Dass Duchovny nicht nur einen FBI-Agenten überzeugend mimen kann, sondern auch als Charakterdarsteller in anspruchsvolleren Rollen zu Hause ist, haben „Voll frontal“ [2002] oder auch sein Langfilm-Regiedebüt „House of D“ [2004] unlängst bewiesen. Doch als wirkliches Glanzlicht erweist sich eben Olivia Thirlby, die alle anderen mit ihrer eindrucksvollen Doppelperformance gehörig an die Wand spielt.


Zunächst eine rebellische Jugendliche, wandelt sich der Charakter der Sam von einem Tag auf den nächsten zur Erwachsenen, die im Körper einer 20 Jahre Jüngeren gefangen ist. Es wäre zugegeben einfach, hieraus ein hohes Maß humoristischen Potenzials zu schlagen. Doch schon alleine der Umstand, dass nicht etwa auch Sams Mutter ihrerseits die Seele der Tochter beherbergt, verhindert diese viel zu oft gesehene Möglichkeit bereits im Vorfeld. Die Seelenwanderung lässt hier die Tochter nämlich gewissermaßen zu einer gespaltenen Persönlichkeit werden, wohnen nun doch zwei Seelen in ihrer Brust: die der verstorbenen Mutter und ihre eigene. Es steht zu befürchten, dass die eine Seele die andere vollständig verdrängen wird. Welche letztlich obsiegt, weiß keiner. Und so offenbart sich für Mutter Hannah die wohl allerletzte Chance, ihre Tochter als die Person, die sie war, kennenzulernen. „Ich sehe jeden Tag 15 Paar Augen“, sagt Augenarzt Ben am Anfang der Geschichte zu seiner Frau, „doch mein Tag beginnt erst dann, wenn ich in deine sehe.“ Ein Motiv, das sich in abgewandelter Form durch den kompletten Film zieht. Denn Hannahs Beziehung zu ihrer Tochter nimmt bezeichnenderweise erst dann richtige Züge an, als sie die Welt durch Sams Augen sieht.


Auch die Vater-Tochter-Beziehung erfährt ganz neue Dimensionen, ist Ben doch hin- und hergerissen zwischen den Gefühlen für seine Frau und der väterlichen Liebe zu seiner Tochter. Doch wer nun Schlimmes befürchtet, sei beruhigt: „IN DEINER HAUT“ ist sensibel genug, keinen Gedanken an Inzest oder die Verführung Minderjähriger zu verschwenden. Denn im Vordergrund steht ganz klar der Generationenkonflikt und die späte Chance, diesen zu begreifen. Fühlen Kinder wirklich anders als Erwachsene? Eine definitive Antwort hierauf gibt es nicht, und auch Perez` gelungener filmischer Beitrag schickt sich nicht an, eine zu geben. Er hilft jedoch, dass unsereins zumindest akzeptiert, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die auch wissenschaftliche Forschungen oder Theorien nicht begreifbar machen können. Was bleibt, sind altbekannte Vermutungen, Hoffnungen und das, was wir daraus machen.



Eine Rezension von Stefan Rackow
(04. August 2010)
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Daten zum Film
In deiner Haut Frankreich 2007
(Si j'étais toi / The Secret)
Regie Vincent Perez Drehbuch Ann Cherkis
Produktion Europa Corp. Kamera Paul Sarossy
Darsteller David Duchovny, Lili Taylor, Olivia Thirlby, Brendan Sexton III
Länge 88 Minuten FSK ab 12 Jahren
Filmmusik Nathaniel Méchaly
Infos zur DVD-Auswertung Neben dem Hauptfilm (Deutsch DD 5.1 / Englisch DD 5.1), der mit scharfem Bild und klarem Ton überzeugt, finden sich noch ein kurzes Making-Of (englische Sprache mit dt. Untertiteln) sowie einige Kinotrailer auf der DVD.
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