In Rom geht die Angst um: schon zwei junge Frauen wurden brutal ermordet, der Killer hinterließ jedes Mal einen silbernen Halbmond. Auch die junge Giulia steht wohl auf der Liste des Killers, wird sie doch in einem Zug angegriffen, überlebt aber schwer verletzt. Die Polizei erklärt sie für tot, um sie so vor dem Zugriff des Mörders zu schützen, tappt jedoch weiterhin im Dunkeln. Ihr Ehemann, Mario, nimmt auf eigene Faust die Ermittlungen auf. Schon bald sterben weitere Frauen, und die Lösung des Rätsels um den silbernen Halbmond scheint in der Vergangenheit zu liegen. Scheinbar spielt ein Hotel, ein Amerikaner und ein Ereignis vor 2 Jahren eine wichtige Rolle...
Mit "Seven blood-stained Orchids" gibt es auf Mann beisst Film mal wieder ein Gialloreview jenseits des Großmeisters Dario Argento. Regie führte der allseits bekannte, geliebte und gefürchtete Umberto Lenzi, ein ganz spezieller Freund des Kollegen Christian Genzel. Für mich persönlich stellte der Film eine Premiere dar, ist er doch der erste Giallo des Herren Lenzi, der mir unter die Augen kam, da ich "Labyrinth des Schreckens" bislang erfolgreich vor mir herschieben konnte. "Seven blood-stained Orchids" selbst stellt einen besonderen Film dar, war er doch Teil der Edgar-Wallace-Reihe, die 1959 mit "Der Frosch mit der Maske" ihren Siegeszug anfing. Das besondere am vorliegenden Film ist nun, dass er tatsächlich der letzte Film der Reihe, die von Rialto Film produziert wurde, ist, nach der
Wikipedianummerierung also Nummer 38. Unter dem Titel "Das Rätsel des silbernen Halbmonds" war er also der Grabgesang der klassischen Reihe, die von CCC-Film produzierte Bryan-Edgar-Wallace-Reihe, die Filme von Dario Argento enthält, überlebte ein Jahr länger. Die Marschrichtung ist somit schonmal klar, "Seven blood-stained Orchids" ist also mehr klassischer Giallo, weniger Gruselkrimi wie die alten Streifen. Ebenfalls klassisch ist die Titelgebung, sowohl der deutsche Titel deutet auf einen Plotpoint hin, als auch der englische Titel (sowie der italienische) haben ihre Berechtigung, stecken sie doch das Programm ab. Nach diesem kurzen Vorwort, ab ins Gefecht mit meinem ersten Lenzi-Giallo!
Man kann von Umberto Lenzi ja halten was man möchte, aber zumindest seine Filme aus den 60ern und 70ern bürgen für eines: handwerklich ist der Film absolut sauber inszeniert, es gibt wenige Holprigkeiten in der Inszenierung, dem Zuschauer bleibt auf diesem Sektor wenig zu meckern. Lenzis Kriegsschmonzetten aus den 80ern, denen sich ja Christian G. mit "Vorliebe" annimmt, mögen technisch und erzählerisch Müll sein, aber zumindest bei "Seven blood-stained Orchids" ist eigentlich fast alles im grünen Bereich. Die Kameraführung fängt das Geschehen angemessen ein, die Geschichte wird ohne größeren Leerlauf erzählt, und wirklich Langeweile kommt auch nie auf. Aber, werter Leser, vielleicht merkst du es ja schon, der Film ist handwerklich halt "nur" solide. Es gibt auf dem Sektor vieles schlechteres, aber eben auch vieles besseres. Lenzi filmt das Geschehen größtenteils ohne wirkliche Inspiration ab, es fehlen nunmal einfach die kreativen Kniffe, die ja gerade eben die Filme Dario Argentos aus der Masse herausheben. Die Kameraführung ist bis auf wenige Ausnahmen sehr zweckmäßig, auch substantiell spannende Szenen gelingen Lenzi nur in Ausnahmefällen, an die knisternde Spannung des hier besprochenen "Der Bulle und das Schlitzohr" kommt Lenzi leider nie heran
Jedoch ist der Einstieg in den Film durchaus stark. Ein Autofahrer, von dem wir nur die schwarzen Handschuhe sehen (na, der ist bestimmt ein gefährlicher Zeitgenosse) holt sich eine Nutte ins Auto, um sie kurz danach zu ermorden. Wenn man erstmal den Schock der Einblendung verkraftet hat, dass das Drehbuch von Umberto Lenzi stammt (höhö), sowie über die Darstellernennung "Uschi Glass" (ja, wirklich mit zwei S!) gelacht hat, stellt sich doch gleich zu Beginn eine Spannung ein, und Lenzi setzt eine erste Gewaltspitze in einer Mordszene, die bis auf eine kurze Nahaufnahme des Mordinstrumentes aus einer langen Kamerafahrt besteht - und zwei nackte Brüste gibts auch gleich zu sehen. Diese Szene ist wirklich gut gelungen, sie setzt auch gleich mal einen brutalen Höhepunkt, die Prostituierte wird Lenzitypisch recht brutal niedergeknüppelt. Und schon kurz danach folgt das zweite Opfer, deren Tötung zwar schon schwächer inszeniert ist, dafür lässt ihr nackte Leiche unter tropfenden Farbeimern tatsächlich sowas wie kreative Fantasie anklingen. Leider verbraucht Lenzi hier schon viel des vorhandenen Pulvers, findet doch der dritte (in diesem Fall versuchte) Mord schon nach 15 Minuten statt - wo er doch im Titel den Film schon auf 7 Morde absteckt. Nach dem doch recht brutalen Mord zu Beginn nimmt sich der Film dann etwas zurück, bleibt eigentlich eher harmlos, Lenzi schafft es aber immer wieder, selbstzweckhaft nackte Haut seitens der Darstellerinnen einzubauen. Nach etwa zwei Dritteln fährt er aber nochmal zu Hochform auf und präsentiert uns eine Bohrmaschine als Mordmaschine, und setzt das für 1971 sogar recht derbe um!
Insgesamt bleibt aber sowohl die Morde, als auch das ganze Geschehen wie bereits erwähnt recht ideenlos. Nie schlecht, aber auch nie mit dem entsprechenden Wow-Effekt, der den Zuschauer an den Sitz fesselt und den Film im Gedächtnis lässt. Sicherlich, die Bohrerszene ist recht hart, aber ansonsten bleibt der Film eher durchschnittlich. Das Drehbuch stammt auch von Lenzi selbst, die Idee aber von Cornell Woolrich, der unter anderem Hitchcock zu "Rear Window" inspirierte. Auch das bei italienischen Filmen der 70er Jahre übliche "Wo ist die obligatorische Flasche J&B in Großaufnahme zu sehen?"-Spiel enttäuscht auf ganzer Linie, da zumindest ich keine einzige Flasche entdecken konnte. Trotzdem enthält der Film vielleicht die großartigste Aussage, die je ein Charakter in einem Lenzi-Film getätigt hat, vor allem wenn man bedenkt, dass das Drehbuch vom Meister himself stammt. Nach knapp 40 Minuten äußert Uschi Glas, in einem scheinbaren Anflug von Genialität, doch tatsächlich folgende Worte:
"Nothing makes any sense in this story. Three Women have been killed."
Großartig! Denn gerade im Drehbuch gibts so manche Dialoge und Storykonstruktionen, die dem Zuschauer doch einiges abverlangen. Trotzdem bleibt der Film insgesamt gut goutierbar. Letztlich ist die Auflösung dann mal wieder recht krude, das Finale aber leider eher unspektakulär
Zu Umberto Lenzi wurde ja an verschiedenen Stellen schon reichlich geschrieben. Er hat auch hier wieder alte Bekannte vor und hinter die Kamera gebracht, Nello Pazzafini, der hier eine kleine aber sinnbefreite Rolle hat, bringt es immerhin auf 184 Filme, etliche davon mit Umberto Lenzi. Antonio Sabato, der Hauptdarsteller, spielte in viele italienischen Filmen dieser Zeit mit, ist auch heute noch im Geschäft, und - oh Wunder - der Vater von Antonio Sabato Jr., ebenfalls Schauspieler. Zu Uschi Glas muss man glaub ich nichts schreiben, Pier Paolo Capponi spielt hier den leitenden Ermittler, eine Rolle die er auch schon in "The Cat o'nine Tails" von Dario Argento inne hatte. Den exzellenten Soundtrack zum Film schrieb Riz Ortolani, der unter anderem für "Mondo Cane" eine Oscarnominierung bekam und die geniale Musik zu "Cannibal Holocaust" von Lenzis Erzfeind Ruggero Deodato schrieb - mehr dazu demnächst in diesem Theater, wirklich. Die eher langweilige Kamera führte Angelo Lotti, was auch kein Wunder ist, fotografierte er auch zahlreiche Filme mit exquisiten Titeln wie "Engel sind nackt am schönsten", "Wer macht was mit wem, und warum nicht mit mir?" oder auch "Der Oberst mit dem Dachschaden schlägt wieder zu".
Auf DVD gibt es den Film sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Diese Rezension - und das ist jetzt fast schon wichtig - basiert auf der amerikanischen DVD aus dem Hause Media Blasters, die eben nicht die deutsche Edgar-Wallace-Schnittfassung enthält. Bei der DVD selbst ist das Bild wirklich hervorragend, es gibt ein paar Extras, darunter ein Interview mit Umberto Lenzi im fortgeschrittenen Alter (seine Brille dürfte etwas genauso alt sein ;)), leider ist der gesamte Ton des Films recht dumpf, was manchmal für Verständnisschwierigkeiten sorgt, vor allem auch mangels Untertiteln. Insgesamt aber eine empfehlenswerte Veröffentlichung, gerade das Bild kann begeistern. Zu den Unterschieden der Schnittfassungen kann ich aber nichts weiter sagen.
Fazit: "Seven blood-stained Orchids" ist ein netter Giallo, aber leider auch nicht mehr. Er ist nie wirklich kreativ, selten scheint Inspiration durch, aber er ist handwerklich nunmal solide umgesetzt. Vielleicht sind 4 Sterne ein Stern oder ein halber zuviel, aber langweilig wird der Film nie, und er hat eben meinen persönlichen Giallo Bonus. Für die nicht vorhandene J&B-Flasche könnte man was abziehen, aber die großartige Äußerung von Uschi Glas rettet das dann doch.