So langsam aber sicher wird der Kleinganove Giulio Sacchi irre und größenwahnsinnig - eine gefährliche Kombination für sein Umfeld. Bei einem Banküberfall, bei dem er als Fahrer im Auto bleibt, erschießt er einen Verkehrspolizisten, und als er kurz danach von einem Wachmann beim Versuch einen Zigarettenautomaten zu knacken erwischt wird, sticht er in eiskalt nieder. Seine Freundin Iona weiß nicht wirklich viel von seinem Treiben, erzählt ihm aber von der jungen Tochter seines reichen Chefs. Für Giulio ist diese das perfekte Entführungsopfer um an viel Geld zu kommen, und dafür geht er über Leichen. Doch Inspektor Walter Grandi ist ihm auf den Fersen...
Mit "Der Berserker" liegt eine weitere Kooperation des großartigen Tomas Milian mit dem nicht ganz so großartigen Umberto Lenzi vor. Unterstützt dabei werden sie durchaus von einigen bekannten Namen wie Henry Silva, Anita Strindberg, Ray Lovelock, Luciano Catenacci sowie Ennio Morricone, der den Soundtrack zu dem Film schrieb. Das Ergebnis ist jedoch weniger ein klassischer Poliziesco mit reichlich Action, sondern eher eine konventionelle Entführungsgeschichte im Kriminalfilm, natürlich angereichert mit italienischem Wahnsinn und Lenzi-typischen Gewaltausbrüchen. Diese lassen den Film sehr brutal wirken, und unterstützen mit der ziemlich schmierigen deutschen Synchronisation die dreckige Atmosphäre hervorragend. Wer also ein Actionfeuerwerk erwartet, könnte enttäuscht werden, denn "Der Bers
erker" bietet recht wenig Actionsequenzen, dafür umso mehr Terrorszenen und toll gespielten Wahnsinn von Tomas Milian. Abgerundet und verfeinert mit einem ausgezeichneten Score von Ennio Morricone und exquisiten Exploitationszenen, nimmt uns Umberto Lenzi mit in die gefährliche Umgebung von Titelberserker Tomas Milian.
Wie bereits erwähnt ist der Film ziemlich derbe und legt eine absolute "Take-no-prisoners"-Mentalität an den Tag. Dies liegt zum einen an Regisseur Umberto Lenzis Faible für harte Gewaltszenen andererseits an Milians Rolle, da Sacchi eine sehr labile Persönlichkeit ist. Zu Beginn noch der kleine Ganove, der sogar schockiert wirkt, als er den Polizisten erschießt, wandelt er ich später zum titelgebenden Berserker und nicht nur seine Feinde, sondern auch seine Freunde und Komplizen befinden sich in höchster Lebensgefahr. Denn jeder der ihn verpfeifen könnte, sollte gleich einen Termin beim Bestatter ausmachen, mit Sacchi ist nicht zu spaßen. Unterstrichen wird dies durch das Schauspiel von Milian, das hier aber ein zweischneidiges Schwert ist. In den wirklichen Terrorszenen, in denen Milian mit ruhiger Stimme zu seinen Opfern spricht, kommt so richtig der Psychopath in ihm durch und er wirkt ziemlich furchteinflößend. Dazwischen übertreibt Milian jedoch manchmal mit seiner Darstellung, was aber um so besser den Kontrast zu den restlichen Szenen hervor hebt. Kann man mögen, muss man aber nicht. Erwähnenswert ist sicherlich die Abgeklärtheit der Figur Sacchi, er verhöhnt öffentlich tote Polizisten, und meldet persönliche seine Opfer auf dem Polizeirevier.
Sein Gegenpart wird gespielt von Henry Silva. Leider kommt Silva überhaupt nicht an Milian heran, was verschiedene Ursachen hat. Zum einen hat Silva deutlich weniger Screentime als Milian, doch auch in seinen eigenen Szenen kann er nicht wirklich überzeugen. Zum einen bleibt die Person Grandi selbst ziemlich blass, zum anderen schafft es Silva auch nicht, schauspielerisch zu überzeugen. Nicht dass er künstlich wirkt, aber er hat fast immer die selbe Mimik und durch sein kantiges und extrem charakteristisches Gesicht wirkt er einfach nicht wie einer der good guys. Erst in der letzten Szene des Films findet er in die Rolle und sorgt für ein eindrucksvolles, wenn auch ziemlich vorhersehbares, aber konsequentes Finale. Das Hauptaugenmerk fokussiert sich aber sicherlich auf Giulio Sacchi, so dass einige Nebenfiguren unverständlich bis nervig bleiben. Unklar ist beispielsweise, warum sich Iona, Sacchis Freundin, eigentlich nicht schon längst von ihm getrennt hat, und auch seine Komplizen wissen eigentlich um die Gefahr, die von ihm ausgeht. Nervig ist auch der ältere Herr, der die Waffen verkauft. Er redet ständig in Bibelsprache, was vielleicht lustig wirken soll, aber ziemlich schnell nervt.
Trotzdem muss man sagen, dass die Nebenrollen prominent besetzt sind. Unter anderem gibt es Ray Lovelock, Luciano Catenacci, Guiseppe Castellano, Guido Alberti, und Anita Strindberg zu sehen. Untermalt wird das Geschehen von Ennio Morricones Musik, der einen sehr düsteren Soundtrack abgeliefert hat und überhaupt nicht in die oft jazzige easy-listening-Musik dieser Filme abdriftet. Dadurch wird der Film angenehm passend begleitet. Überhaupt gibt es den Eindruck, dass hier schon etwas Budget vorhanden war, neben den prominenten Namen gibt es hier eine recht lange Verfolgungsjagd mit einigen Stunts, die unter anderem von Umberto Lenzi selbst dann in seinem eigenen Film "Die Viper" (ebenfalls hier besprochen) verwendet wurde. Neben eben jener Verfolgungsjagd gibt es verschiedene Locations, ein Auto wird im See versenkt und auch die ein oder andere Schießerei gibt es zu sehen, auch wenn hier nochmal betont wird, dass der Film bei weitem nicht so actionreich wie eben jener "Die Viper" ist.
Wie gesagt, es gibt hier reichlich bekannte Gesichter aus dem italienischen Genrefilm zu sehen. Hauptdarsteller Tomas Milian war natürlich unter anderem in "Die Viper", "Der Todesengel", "JFK", "Traffic" und "Tod einer Bestie" zu sehen. Weitere Filme aufzuzählen erscheint mühsam, da hier sicherlich noch einige weitere Werke meines Lieblingskubaners besprochen werden. Henry Silva, ein amerikanischer Schauspieler, spielte zuletzt in "Ocean's Eleven" und "Ghost Dog" mit, hatte seine Hochzeit aber in den 70ern und 80ern. Er spielte in insgesamt 135 Filmen mit, Italo-Fans sicherlich bekannt aus "Der Teufel führt Regie" oder auch aus "Der Mafia Boß: Sie töten wie Schakale", an der Seite von Mario Adorf. Die Schwedin Anita Strindberg kennt man aus vielen Gialli, darunter "Der Schwanz des Skorpions", "Your Vice is a locked Room and only I have the key" mit Edwige Fenech oder auch aus "Who saw her die?". Guido Alberti, ein weiterer Poliziesci-Veteran, arbeitete unter anderem mit Umberto Lenzi in "Der Vernichter", "Camorra - Ein Bulle räumt auf" oder "Spasmo". Er spielte auch in Pasolinis "Decameron" und sammelte Giallo-Erfahrung in "Ein schwarzer Tag für den Widder". Ray Lovelock und Tomas Milian kannten sich unter anderem aus "Django - Leck Staub von meinem Colt" und "Der Einzelkämpfer", während Luciano Catenacci auch in "Die Viper" von Lenzi mitspielte, und Rollen in "Der Clan der seine Feinde lebendig einmauert" und "Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?", beide mit Franco Nero, hatte. Giuseppe Castellano, der hier nur einen kurzen Gastauftritt hat, spielte auch in Dario Argentos "Bird with the crystal plumage", "Milano Kaliber 9", "Mafia Boß", "Killer sind unsere Gäste" und "Der Einzelkämpfer" mit Tomas Milian. Wie gesagt, man kennt und schätzt ja die immer gleichen Gesichter :)
Der Film liegt in seiner ungeschnittenen Fassung auf DVD aus dem Hause NEW vor. Bild und Ton sind wie immer gut, deutscher Ton in Mono, englisch und italienisch in Stereo. Es gibt wie immer einen kurzen Infotext und eine Trailershow, daneben noch einen PC-Teil, auch wieder mit ausdruckbaren Motiven. Eine schöne Veröffentlichung, natürlich in einer kleinen Box.
Fazit: "Der Berserker" ist weniger Poliziesco als Entführungskrimi. Der Film hat die Lenzi- und italotypische Härte, überzeugt jedoch mit prominenter Besetzung, einem tollen Score und wird auch niemals langweilig. Da es jedoch besseres auf dem Sektor gibt, und so Milians Gegenpart Silva nicht wirklich überzeugen kann, bleibt es bei guten vier Sternen.