Wie spannend kann eigentlich ein Thriller sein, der sich um das Treiben eines skrupellosen Chemie-Großkonzerns dreht?
Nun, das vorliegende Regiedebüt des Drehbuchautoren Tony Gilroy („Im Auftrag des Teufels“, „Bourne“-Trilogie) beweist, dass man mit solch einem - auf den ersten Blick – wenig attraktiven Themen-Stoff einen der spannendsten Filme des Jahres abliefern kann – und das (fast) gänzlich ohne Leichen oder große Action. In dieser Tradition steht er dann auch neben einem anderen Meisterwerk der jüngeren Kinogeschichte: 1999 hat Michael Mann in seinem auf Tatsachen beruhenden Film „Insider“ bereits Russell Crowe in den Kampf gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, einen weltbekannten Tabakkonzern, geschickt. Auch bei diesem Film resultierte die Spannung nicht aus spektakulären Mordszenen, sondern dem direkten Bezug zur Realität.
„Mr. Cool“ George Clooney („
From Dusk Till Dawn“, „
Good Night, and Good Luck“) spielt in „Michael Clayton“ die Titelfigur, welche ihre Tätigkeit im Arbeitsleben gerne als „Müllmann“ bezeichnet. Dieser Ausdruck ist dabei allerdings nicht im wörtlichen Sinn zu verstehen, sondern meint vielmehr dass er für die Anwaltskanzlei „Kenner, Bach & Lede
en’s“ die Drecksarbeit erledigen muss, wenn mal wieder einer ihrer vielen Klienten in der Patsche steckt.
Der Film zeigt Clayton erstmals, wie dieser während eines Poker-Glücksspiels von der Kanzlei angerufen wird: Er soll sich um einen Klienten kümmern, welcher auf der Strasse einen Mann überfahren und danach Fahrerflucht begangen hat. Dort angekommen regelt er emotionslos die Situation und steigt daraufhin in sein Auto und fährt wieder davon. Allerdings hält er plötzlich an einer einsamen Strasse, und steigt einen Hügel hinauf, auf welchem er drei Wildpferde entdeckt hat. Daraufhin geschieht in der Idylle etwas Erschreckendes und der Zuschauer wird vier Tage in der Geschichte zurückversetzt…
Michael Clayton soll im Auftrag seines Bosses Marty Bach (Regisseur und Schauspieler Sydney Pollack, „Die Firma“) seinen scheinbar paranoiden und manisch-depressiven Kollegen Arthur Edens (Tom Wilkinson, „
In The Bedroom“, „
Batman Begins“) betreuen, der zuvor für den Chemikalienkonzern „U-North“ zuständig gewesen ist, und nach einem Nervenzusammenbruch, bei welchem er sich öffentlich nackt ausgezogen hat, fest entschlossen ist, etwas gegen die in seinen Augen unmoralischen Vorgänge in der Firma zu unternehmen. Topmann Clayton, der privat zusätzlich die Mafia am Hals hat, da er einen grösseren Schuldenberg nicht decken kann, soll nun die missliche Lage wieder in Ordnung und den tobenden Arthur zur Ruhe bringen. Allerdings gelingt ihm dieses Unterfangen nicht sonderlich gut, so dass sich sein befreundeter Kollege plötzlich aus dem Staub macht. Inzwischen denkt auch Clayton selbst darüber nach, ob vielleicht an der Sache mehr dran ist, als die vermeintliche geistige Verwirrung Arthurs. Nun schaltet sich allerdings die „U-North“-Geschäftsführerin Karen Crowder (Tilda Swinton, „
The Beach“, „
Adaption“) selbst in den brenzligen Fall ein – und diese kennt kein Erbarmen…
Nach unzähligen reißerischen Thrillern tut es wirklich auch mal gut, mit „Michael Clayton“ eine eher klassische und realistischere Geschichte vorgesetzt zu bekommen. Der Autor Gilroy hat zwar bereits bei seinen „Bourne“-Drehbüchern authentischere Szenarien beschrieben als bei so manch anderem Spannungsfilm, doch ist es ihm in diesem Fall erstmals vollständig geglückt.
Das Werk ist bei der Oscar-Verleihung 2008 mit 7 Nominierungen ins Rennen gegangen, wobei es leider nur eine Trophäe für Tilda Swinton als „Beste Nebendarstellerin“ abstauben konnte. Dabei muss man aber auch bedenken, dass die Konkurrenz bei der jährlichen Zeremonie schon lange nicht mehr so stark gewesen ist, und die großen Favoriten „
There Will Be Blood“ und „
No Country For Old Men“ (beide sind achtmal nominiert gewesen) schon einen kleinen qualitativen Vorsprung besitzen. Das soll aber keinesfalls gegen den superben „Michael Clayton“ sprechen, sondern zeigt nur, wie viele großartige Filme in letzter Zeit im Kino liefen, momentan laufen oder bald anlaufen werden. Im Prinzip wäre jeder Oscar berechtigt gewesen, denn so gut ist George Clooney schon lange nicht mehr gewesen (wenn er überhaupt schonmal besser war als in dieser Rolle als äußerlich kühler aber dennoch zweifelnder Problembeseitiger...) und Tom Wilkinson spielt den paranoiden und innerlich vor Wut kochenden Arthur als wäre er von der Tarantel gestochen worden – so fantastisch das Werk auch ist: Wilkinsons Performance und vor allem seine langen Monologe sind schlicht
atemberaubend!
Zusätzlich verfügt der Film über eine Vielzahl kleiner Details, wie z.B. das zunächst leicht distanzierte Verhältnis Claytons zu seinem kleinen Sohn, die die Geschichte zusätzlich mit Leben füllen und den Zuschauer direkt hinein katapultieren. Obwohl hier, wie bereits erwähnt, nicht das große Blutbad vorzufinden ist, sei trotzdem vorweggenommen, dass das Werk über eine schon sehr schockierende Mordszene verfügt, die zwar gänzlich unblutig daherkommt, aber aufgrund ihrer Kaltblütigkeit dem Zuschauer einiges an Nerven abverlangt.
Bleibt am Ende festzuhalten, dass Tony Gilroys erster Versuch auf dem Regiestuhl ein voller Erfolg gewesen ist, und er von nun an seine Drehbücher nicht mehr in fremde Hände geben muss. Und auch die tolle Kameraarbeit von Robert Elswit sowie der zurückhaltende und dennoch extrem atmospärische Score von James Newton Howard („The Sixth Sense“) seien zum Abschluss noch einmal explizit erwähnt.
Ein ganz fabelhafter Film!