Mike und seine Freundin Sheryl wollen einen romantischen Wanderurlaub in den Wäldern Virginias verbringen. Ausgerüstet mit Campingzubehör und Schmetterlingen im Bauch, machen sie sich auf entscheiden sich für den Pfad namens "Timber Falls", obwohl der örtliche Ranger gesagt hat, dass eigentlich nur die zwei Hauptpfade regelmässig kontrolliert werden. Doch auch auf diesem Nebenpfad stoßen die beiden auf einige Einheimische, die jedoch nicht unbedingt freundlich gesinnt sind. Nach einer romantischen Nacht verschwindet jedoch Sheryl, und auch Mike sieht sich bald als gejagtes Opfer, der sich jedoch zur Wehr setzt...
Schon an der Inhaltsangabe kann man sicherlich erkennen, in welchem geliebten Subgenre wir uns mal wieder befinden: "Backwoods" hat uns wieder. Ich habe ja in der Kritik zum gleichnamigen Film aus dem Hause e-m-s schon etwas zu diesem Subgenre geschrieben, und auch der vorliegende Timber Falls passt sich hier wunderbar in die vorgegebenen Genreregeln ein. Es gibt also das Pärchen, es gibt die unsympathischen Einheimischen, die für so manch fiese Szene sorgen, es gibt Terror- und Foltereinlagen, kranke Einfälle und überhaupt degenerierte Familienstrukturen. Beeindruckend an dem Film ist dann doch die erste Viertelstunde. Natürlich schiebt Regisseur Giglio den obligatorischen Prolog vor, in dem zwei junge Menschen nach Folter gleichmal ihr Leben lassen dürfen, und führt dann ohne große Umschweife auch unsere beiden Hauptpersonen ein: Mike
und Sheryl. Das wunderbare daran ist, dass Giglio hier ohne große Umschweife oder unnötig elegante Inszenierungsmätzchen die Regeln des folgenden Geschehens ganz klar absteckt, wie man es in dieser Kaltschnäuzigkeit selten gesehen hat - "Punkt abgehakt, auf zum nächsten." Mike hat eine Waffe dabei, ist also auch ein zupackender Typ, Sheryl ist von Beruf Krankenschwester (die könnte mich auch mal pflegen ;)), Handyempfang ist nicht, und die Einheimischen sind laut Ranger nicht unbedingt freundlich und man soll ihren Besitz respektieren.
Diese eigentlich recht witzig inszenierte erste Viertelstunde weicht dann leider den üblichen Genrekonventionen. Sicherlich, die Regeln werden etabliert, aber sie werden eben auch wie aus dem Lehrbuch befolgt, so dass wenig echte Inspiration durchschimmern kann. Timber Falls ist über weite Strecken einfach sehr bieder, solide umgesetzt, aber wenig wirklich aufregend und fesselnd. Man sollte das nicht falsch verstehen, Timber Falls wird eigentlich nie langweilig, aber es gibt eben keine wirklichen Überraschungen (bis auf eine, dazu später mehr), keine echte Innovation und wenig Neues. Der Film ist eigentlich komplett vorhersehbar, die meisten Charaktere haben "Bösewicht", "good guy" etc eigentlich auf die Stirn tätowiert und bleiben an sich ziemlich beliebige Genre-Abziehbilder. Dafür, und das muss man dann doch lobend erwähnen, sind die beiden Hauptdarsteller Josh Randall und Brianna Brown, sowie die von ihnen verkörperten Personen, angenehm sympathisch und man wünscht ihnen eigentlich nie den Tod aufgrund selten dämlicher Aktionen. Auch das Einschlagen der alternativen Route wird passend begründet. Ankreiden muss man Regisseur Giglio und Autor Daniel Kay jedoch das Ende: selten war ein Ende schlechter als bei diesem Film, den Epilog hätte man sich eigentlich unbedingt sparen müssen. Das macht wirklich viel kaputt.
Punkten kann der Film aber bei einer wichtigen Essenz des "Backwoods"-Subgenre: Folter und Gewalt. Ja, das mag jetzt wieder gewaltverherrlichend klingen, aber diese Szenen sind wirklich gut gemacht. Giglio macht hier nicht den Fehler und lässt das Blut übermässig suppen, sondern inszeniert bis zum Finale - das naturgemäß in die spektakulärere Richtung geht, wenn mit den Übeltätern abgerechnet wird - kurze aber effektive Gewaltszenen. Er achtet darauf, die meisten Gewalteinwirkungen auf den menschlichen Körper nachvollziehbar zu lassen, so bohren sich meistens spitzere Gegenstände in den Körper (und wieder hinaus), und auch Alkohol muss so manches Mal zum desinfizieren benutzt werden. Das tut dann schon beim Hinschauen weh und sorgt für Zusammenzucken und so manches schmerzverzerrtes Gesicht beim Zuschauer. Die Freigabe für Erwachsene geht somit in Ordnung, die Sprüche auf dem Cover sind wieder angemessen reisserisch, aber auch übertrieben. Neben den effektiven Bluteinlagen gibt es noch so manch recht sicken Einfall, und die erste Liebesszene im Wald wird sehr effektiv und spannend aufgelöst in meinen Augen. Die Szenen im Wald sind sowieso recht schön fotografiert, gedreht wurden die übrigens in Rumänien. Leider ist die restliche Kameraarbeit, wie der ganze Film, über weite Strecken eher zweckmäßig.
Kommen wir nun zu dem Aspekt, der dem Film die Wertung von vier Sternen sichert, da es ansonsten wohl eher drei geworden wären. Das Motiv der sogenannten Hinterwäldler ist mal eine nette Abwechslung, führt zu einer psychologischen Komponente bei der späteren Auseinandersetzung und hat allein durch seine Natur fast schon subversive Untertöne, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um eine amerikanische Produktion neueren Datums handelt.
Nun liebe Leser könnten leichte Spoiler über das Motiv folgen. Das wird aber auf dem Cover sowieso bereits verraten, also darfst Du auch gerne einfach weiterlesen.
Die Familie sind nämlich nicht die üblichen mutierten Monster, sondern eine fanatisch-religiöse Sippe. Wer da jetzt mit wem wie verwandt ist, hab ich beim ersten Schauen nicht ganz geblickt, aber das tut auch nicht viel zur Sache. Viel interessanter ist doch, dass in einem Amerika, in dem die streng-religiöse Rechte einen sehr großen Einfluss genießt, und ernsthaft darüber diskutiert wird, ob die Evolutionstheorie in den Schulen weiterhin unterrichtet werden soll, ein Film entsteht, in dem eben jene religiösen Fanatiker kranke Gewalttäter sind, die sich überhaupt nicht für Nächstenliebe interessieren, sondern die Bibel so auslegen, wie es praktisch erscheint.
Und gerade das Streitthema der Evolutionstheorie wird explizit angesprochen, was zu einem fast schon tiefgründigen Subtext des Filmes führt. Es stellt sich also hier das erzkonservative, fundamentalistisch-religiöse Amerika gegen das junge Glück mit vorehelichem Sex und wenig religiösem Interesse. Dieser neue Hintergrund rettet dann dem Film auch die vier Sterne, obwohl er sonst recht genreüblich abläuft. Aber wenigstens ist das eine nette und intelligente Abwechslung vom üblichen Motiv Städter vs. Landbevölkerung, konservative Familienstrukturen vs. Hippies oder Modeltypen vs. äusserlich und innerlich degenerierte Mutanten. Diese Innovation hätte man halt nur in einen überdurchschnittlichen Film verpacken müssen, dann hätte uns ein echtes Highlight ins Haus gestanden. Aber wie gesagt, richtig schlecht ist Timber Falls nicht, und langweilig wird er auch nie.
Die Schauspieler sind größtenteils unbekannt. Brianna Brown ist sehr hübsch und zeigt auch viel Haut (evtl. wurde sie in Nacktszenen gedoubelt, da bin ich mir nicht ganz sicher. Die Schnittfolgen waren hier etwas fragwürdig), aber kommt sehr sympathisch rüber und ist nicht nur die kreischende Nervensäge. Sie spielte unter anderem in "Beim ersten Mal" oder "Jungfrau 40 männlich sucht..." mit. Ihr Partner wird von Josh Randall gespielt, der in vielen TV-Serien dabei war und äusserlich angenehm kernig anzusehen ist. Der entstellte Sohn der Familie wird immerhin von Sascha Rosemann gespielt, der aus Deutschland kommt und auch meistens fürs deutsche TV arbeitet. Regisseur Tony Giglio führte unter anderem bei Chaos und U-Boat Regie.
Nachdem der Film beim diesjährigen FFF lief, gibt es ihn nun als DVD aus dem Hause Ascot. Vielen Dank an Ascot und voll:kontakt für das Rezensionsexemplar! Der Ton liegt auf deutsch sogar als dts vor, dazu noch als DD 5.1 und auf englisch. Extras gibt es leider keine bis auf ein paar filmfremde Trailer sowohl vor dem eigentlichen Film als auch als Trailershow im Menü. Das Bild ist soweit auch gut, nur leider ist die Optik des Films eben eher TV-mäßig, aber die DVD ist insgesamt schon empfehlenswert.
Famous last words: Mit etwas mehr Inspiration und Überraschung wäre Timber Falls ein echtes Highlight geworden. Die Motivation der Übeltäter ist mal was neues und auch kontroverses, leider verläuft der Rest in den üblichen Genrebahnen und kann auch nicht durch fantasievolle Ideen Punkte sammeln. Das Ende ist dafür richtig scheisse und kostet den Film nochmal einiges, so dass es letztendlich nur zu knappen 4 Sternen reicht, und das auch nur wegen dem oben erwähnten Motiv. Wer es spannender und härter will, sollte zu Ajas Hills have Eyes greifen, wer es intelligenter und ruhiger möchte, bitte zu Backwoods. Aber Timber Falls kann man sich schon mal anschauen.