Eine Allegorie bezeichnet im Allgemeinen eine Form indirekter Aussage, bei der eine Sache als Zeichen für eine andere Sache eingesetzt wird. Bei der einen Sache kann es sich natürlich auch um Personen handeln, was im Falle von Wirkolas
Dead Snow allerdings nicht trennscharf zu bestimmen ist und zu einer Debatte über den juristischen Status des gemeinen Zombies ausarten würde. Belassen wir es deshalb dabei, festzuhalten, dass der allegorische Gehalt des klassischen Zombiearchetypen eine beachtliche Nähe zum Klischee-Nazi offenbart: Willenlos, gleichgeschaltet, brutal und unermüdlich sind die Attribute, die man beiden Spießgesellen wohl intuitiv zuschreiben würde. In Dead Snow gehen die beiden Ikonografien nun ein blutiges Bündnis ein, das sich ganz ungeniert an die Naziploitationfilme der 70er Jahre (SS Experiment Love Camp; Night of the SS Zombies) anlehnt. Dass Wirkolas frostige Nazizombies ihre subversive Wirkung darüber hinaus nicht ganz verfehlen, bestätigt der offene Unmut über den Film in gewissen politischen Lagern. Dabei fährt Dead Snow sicherlich keinen Kuschelkurs der Subtilität, sondern offenbart sich als schonungsloser Zombie-Splatter mit zwei zwinkernden Augen, für den gefühlte zwei Tanklaster Kunstblut in die norwegischen Berge gekarrt wurden. Gerade die zweite Hälfte des Films ist dann auch eine reichlich gedeckte Schlachtplatte für Genre-Fans, während sich Wirkola in der ersten Hälfte im Aufbau des Szenarios in Teenie-Horror-Konvent
ionen vollkommen verzettelt.
Die Handlung ist genretypisch schnell erzählt. Eine Gruppe norwegischer Medizinstudenten macht sich in ihrem Osterurlaub in die verschneiten Berge auf, um dort überdurchschnittlich viel Spaß mit Alkohol und Mädchen zu haben. Neben dem langhaarigen Beau Vegard (Lasse Valdal), dessen Freundin Sara (Ane Dahl Torp) ihnen die heimelige Berghütte zur Verfügung gestellt hat und die der aufmerksame Zuschauer bereits aus dem Vorspann kennt, finden wir das prototypische Opferkabinett wieder: Den pummeligen Filmgeek (Jeppe Laursen), der natürlich pointiert mit Braindead-Shirts auftritt. Den etwas spießigen und mit der starken Frau der Mannschaft liierten Durchschnittsstreber, der kein Blut sehen kann, sowie das naive Blondchen – alle sind sie versammelt, um die Warnungen eines mysteriösen Besuchers auszuschlagen, der sie am ersten Abend in der verschneiten Hütte aufsucht. Die Legende: Das abgrundtief Böse treibt sich in den Bergen herum, seit eine Gruppe mutiger Dorfbewohner sich mit Heugabeln und anderem Provisorium gegen die sadistische Wehrmachtsbesetzung auflehnte und die gesamte Mannschaft an Nazischergen in die Berge vertrieb. Doch mehr als Gelächter von den vernunfterprobten Medizinstudenten erntet der alte Kauz nicht, so dass er sich grummelnd wieder in die Wälder zurückzieht und die ignoranten Twens ihrem Schicksal überlässt…
Bis zu diesem Zeitpunkt hat Dead Snow bereits einiges an Spielzeit hinter sich: Wir schauen den partyfreudigen Studenten dabei zu, wie sie ein Bier nach dem anderen kippen, Sex auf dem Plumpsklo haben und sich hin und wieder auch mal gegenseitig necken. Wir beobachten den introvertierten Vegard, wie er nach einem orakelhaften Traum aufbricht, um seine verschollene Freundin Sara zu suchen. Und wir langweilen uns, weil wir das alles bereits irgendwo gesehen haben: Tatsächlich leistet sich Wirkola in der ersten Hälfte des Films alle Zeit der Welt, um seine Zombiemär über einen klassischen Teenie-Horror-Plot aufzubauen. Dabei wirft man dann auch gerne einmal jegliche Plausibilität über Bord: Der mysteriöse Besucher entpuppt sich bald als einsamer Camper, der sein Zelt wie auf der Präsentiertafel in einem übersichtlichen Tal platziert hat und sich somit nicht zu wundern braucht, dass er bald das erste Opfer von Oberst Herzog und seinen Pappkameraden sein wird. Die hübsche Chris (Jenny Skavlan) gibt sich ganz nebenbei als Filmkennerin zu erkennen und vernascht – wohl von der entdeckten Seelenverwandtschaft übermäßig erotisiert oder einfach nur damit der heranwachsende Zuschauer etwas zu sehen hat: Man weiß es nicht – den unattraktiven Geek. Das etablierte Pärchen streitet sich natürlich ohne ersichtlichen Grund. Warum das so ist, erfahren wir erst am Ende des Films: Es hat dann nämlich in erster Linie formell-tragische Gründe, die nicht auf plausible Motive zurückführbar sind. Kurz: Was wir in den ersten fünfundvierzig Minuten erleben dürfen, spottet jeglicher Beschreibung und ist bei aller Zitationswut Wirkolas zu keiner Sekunde ironisch gebrochen, so dass man sich inständig in die surreal-gruselige Waldhütte aus Raimis
Tanz der Teufel hinweg wünscht. Erst mit dem Auftreten der eigentlichen Stars entwickelt sich
Dead Snow dann doch noch zu einem Freudenfest für Splatterfans.
Was dann auch ein erstes anerkennendes Kopfnicken produziert ist die Wahl des Settings: Sobald der erste Kanister Filmblut seinen Einsatz findet, dankt man Wirkola dafür, sein Schlachtfest in einem Meter Neuschnee stattfinden zu lassen. Dann darf gemetzelt, gehäckselt und zerhackt werden, was bei Zuschauern mit schwachem Magen nicht nur einmal einen unkontrollierten Würgereiz auslösen dürfte. Ganz im Sinne von Urvätern wie
Tanz der Teufel, Braindead oder Geisterstadt der Zombies wird dabei jeglichen Gesetzen menschlicher Anatomie getrotzt, so dass der skeptische Zuschauer das wilde Treiben schon sehr bald als augenzwinkernd überzeichnet entlarven und dann an den skurril-makaberen Einfällen durchaus Gefallen finden darf. Es entbehrt dann nicht einer gewissen Splatterkomik, wenn sich einer unserer Gejagten nach einem Zombiebiss den Arm stilgerecht mit einer Kettensäge amputiert - schließlich weiß er aus Filmen, dass mit einer solchen Bisswunde nicht zu spaßen ist und die Zeit drängt -, nach getaner Arbeit aber umgehend von einem aus dem Tiefschnee auftauchenden Zombiesoldaten in die Weichteile gebissen wird. Zwischendurch dürfen wir dann auch noch einer Neuinterpretation der Rasenmäherszene aus Jacksons Braindead beiwohnen, für die man mangels Rasen und Rasenmäher kurzerhand das Schneemobil umfunktioniert.
Alles in allem funktioniert
Dead Snow spätestens nachdem der untote Nazi-Bataillon das erste Mal zur Studentenjagd bläst. Wirkola kennt dann auch seine Vorbilder, was dem geneigten Genre-Fan Aha-Effekte am laufenden Band bescheren dürfte. Neben all den Ausflügen in dreißig Jahre Horrorgeschichte wünscht man sich dann aber doch die eine oder andere originelle Idee, die man auch am Ende nicht bekommt: Dann schließt sich nämlich unter anderem der Kreis rund um einen verfluchten Nazischatz im Nähkästchen, dem man seine Herkunft aus
Fluch der Karibik zu jeder Sekunde anmerkt, für den aber Kapitän Barbossa freilich keinen seiner untoten Finger gerührt hätte. Dennoch: Das Treiben im toten Schnee ist über weite Strecken so kurzweilig und temporeich geraten, dass man gerne bis zum Ende dranbleibt und über den mangelnden Einfallsreichtum hinwegsieht. Optisch - vom Zombiedesign bis zum Bergpanorama - ist
Dead Snow darüber hinaus durchaus ansehnlich und wenn da nicht häufiger Innereien das Bild für sich beanspruchen würden, könnte man sich in der romantischen Winterlandschaft durchaus visuell wohlfühlen. Wäre da also nicht der irreführende Fehlstart mit Kopfschüttelfaktor, hätte
Dead Snow ein durch und durch stimmiges Bild abgegeben. Gar nicht erst zuschalten sollten jedoch diejenigen, für es ein stehendes Credo ist, dass sich Zombies gefälligst mit der Geschwindigkeit eines Trunkenen fortzubewegen hätten und für die bereits Boyles
28 Days Later ein unverzeihliches Sakrileg war: Wirkolas Nazizombies sind nämlich streckenweise ganz schön auf Trab.