…und Georgie sah, wie das Gesicht des Clowns sich veränderte. Was er sah, war so fürchterlich, dass seine schlimmsten Fantasievorstellungen von dem Wesen im Keller dagegen nur süße Träume waren. Was er sah, brachte ihn schlagartig um den Verstand… (1)
Der 1947 in Portland/Maine geborene Stephen King ist nicht nur der meistgelesene, sondern nach Ansicht vieler Bücherwürmer aus aller Welt auch der brillanteste Autor moderner Gruselliteratur. Allenfalls die einflussreiche Horror-Prosa eines H.P. Lovecraft oder Edgar Allan Poe vermag sich mit Kings formidablen Qualitäten als “Handwerker des Schreckens”, wie man ihn einmal genannt hat, zu messen. Unter den zahlreichen Verfilmungen, die sich zu einem nicht kleinen Teil aus von durchschnittlichen Regisseuren produzierten US-Fernsehadaptionen zusammensetzen, tummelt sich hingegen vieles an Fallobst. Richtig herausragende King-Adaptionen sind rar gesät und beschränken sich - mit einigen Ausnahmen wie Kubrick`s
Shining oder De Palmas “Carrie” - kurioserweise auf jene Werke des Schriftstellers, die rein gar nichts mit Horror am Hut haben (
Die Verurteilten,
Stand by me - Das Geheimnis eines Sommers, “The Green Mile”). Einen der erfolgreichsten Bestseller Kings nahm sich vor rund zwanzig Jahr
en Tommy Lee Wallace vor. In dessen Händen wurde aus dem 1200-Seiten-Wälzer “Es” ein ambitionierter Dreistünder, der letztlich zu brav blieb, um der umfangreichen Vorlage gerecht zu werden. Für eine TV-Produktion schlägt sich der Film aber dennoch recht wacker.
In der beschaulichen amerikanischen Kleinstadt Derry ist ein kleines Mädchen ermordet worden. Etwas abseits des Tatorts steht ein Mann, der sehr genau weiß, wer bzw.
was hinter dem grauenvollen Verbrechen steckt. Dieser Mann ist Mike Hanlon (Tim Reid), der Leiter der städtischen Bibliothek, in dem der Todesfall böse Erinnerungen an seine eigene Kindheit heraufbeschwört. Damals begegnete er
Es, einer überirdischen Kreatur, die sich zumeist in Gestalt des diabolisch grinsenden Clowns Pennywise (im Buch auch Bob Gray genannt) offenbarte, der die Kinder mit bunten Luftballons anlockte, um sie anschließend zu töten. Nur mittels eines Pakts, den er mit sechs Freunden - Bill, Ben, Eddie, Beverly, Richie und Stan - zur Bekämpfung jenes Wesens schloss, konnte Mike
ihm vor dreißig Jahren entkommen. Nun aber ist
Es zurückgekehrt - da ist sich Mike sicher. Schnurstracks begibt er sich ans Telefon, um seine Freunde von einst, die inzwischen über die gesamten Staaten verteilt ihren beruflichen Karrieren nachgehen, wieder zusammenzutrommeln. Mit ihrer Hilfe soll
Es endgültig vertrieben werden…
Mit einer Eröffnungsszene, die exakt so im Buch gar nicht vorkommt, als Aufhänger für das nun folgende Szenario, findet Regisseur Tommy Lee Wallace einen geschickten Einstieg, um der umfassenden Romanvorlage überhaupt Rechnung tragen zu können. Nacheinander lernen wir nun die Hauptfiguren kennen, erst als Erwachsene, später - in ausführlichen Rückblenden - auch als Kinder. Sie sind Außenseiter mit seelischen, körperlichen oder sozialen “Defiziten“, die ihnen als prägende Eigenschaften anhaften und sie zu einem unzertrennlichen Bund zusammenschweißen: Mike z. B. wird wegen seiner schwarzen Hautfarbe, Ben wegen seines Übergewichts gehänselt. Bill dagegen stottert, seit sein kleiner Bruder Georgie beim Spielen mit seinem Papierboot in der Kanalisation von
Es getötet wurde. Die Mitglieder dieses “Klubs der Verlierer”, wie sich die Freunde selbst nennen, bilden eine Einheit, nicht nur bei der Verteidigung gegen die jugendliche Bande des üblen Schlägertypen Henry, der die um einiges jüngeren Kinder sogar mit Stichwaffen attackiert, sondern vor allem gegen das impersonifizierte Böse selbst. Ihre Chance im Kampf gegen Es entsteht dabei aus ihrer innigen Freundschaft und Zuneigung zueinander. Für das Vorhaben, in der Gegenwart das zu Ende zu bringen, was sie damals nur vorübergehend schafften, schließen sie sich nochmals zusammen - lediglich Stanley kann ihnen nicht mehr zur Seite stehen, da er sich in der Badewanne die Pulsadern aufgeschnitten hat, als Mike ihm per Telefon die Nachricht von der Rückkehr von
Es übermittelte.
…sie schweben! Wir alle schweben hier unten… (Pennywise, der Clown)
Es ist, wie es der Name schon vorwegnimmt, ein nicht näher beschriebenes Etwas, das irgendwo in den tiefen Abwasserschächten von Derry haust, ein tödliches Hirngespinst, das das pure Böse verkörpert und sich den Urängsten seiner Opfer anpasst.
Es zeigt sich den Kindern als das, wovor sie sich am meisten fürchten - bei Beverly ist das ihr brutaler Vater, der sie unablässig verprügelt und demütigt, bei Richie das haarige Ungetüm aus einem Horrorfilm usw. Durch die Überwindung jener Ängste kann das Böse demaskiert werden. Meistens zeigt sich
Es jedoch als Pennywise, der Clown. Dessen grellrote Mähne und das einige Nummern zu große, knallbunte und mit Pompons bestickte Kostüm bilden eine Erscheinung, die unter normalen Umständen einladend auf Kinder wirken dürfte. Doch eben nur bis zu dem Zeitpunkt, bis sich das weiß bemalte Gesicht zu einer dämonischen Fratze verzieht, unter der sich rasierklingenartige Reißzähne hervortun. Der ideal besetzte und für solch bizarre Rollen prädestinierte Tim Curry (der Star aus der “Rocky Horror Picture Show”) verleiht Pennywise eine groteske Theatralik, an der man sich nicht satt sehen kann. Sein Auftritt bedeutet fast schon die halbe Miete und thront sogar deutlich über den weitestgehend tadellosen Leistungen der übrigen (jüngeren wie älteren) Darsteller.
Dass die im Roman haargenau beschriebenen und mit zahllosen auf`s Detail konzentrierten Subplots ausgeschmückten Profile und Beziehungen der Figuren selbst in einem drei Stunden dauernden Film nicht adäquat transportiert werden können, ohne dass einiges an Opfern gebracht werden muss, ist natürlich ärgerlich, andererseits bei einer derart gehaltvollen Buchvorlage kaum zu verhindern. Zumindest lässt sich behaupten, dass die Drehbuchbeteiligung des Autors King persönlich ein positives Aushängeschild für den Film ist, auch wenn das Endergebnis durch das hastige Zusammenfügen der wichtigsten Stationen des Romans hier und da einen allzu transparenten Eindruck macht. Nicht selten hat man auch das Gefühl, dass genau da eine Zäsur gemacht wurde, wo es eben nicht sein sollte. Tommy Lee Wallace, der einige Jahre zuvor mit dem dritten “Halloween”-Teil noch gnadenlos baden ging, und sein Team machen aber das Beste daraus und überspielen inhaltliche Mängel mit tollen Produktionswerten. Einzig die Effekte wirken an entscheidenden Stellen etwas angestaubt. Klar, es handelt sich bei “Es” um eine TV-Produktion, dennoch fällt es schwer, sich nicht über die haarsträubend billig aussehende Riesenspinne im Schluss-Climax zu mokieren, vor der man aber auch wirklich gar keine Angst haben möchte.
Hoch anrechnen muss man dem Film, dass er nicht allzu verschwenderisch mit Kunstblut umgeht und einem subtileren Horror mehr Raum gewährt. Das glucksende Kichern des Clowns, das aus Beverly`s Waschbecken dringt wie aus einem Höllenschlund, ist eine jener Szenen, in denen man den Geist des Romans mehr als latent zu spüren glaubt. Somit erreicht der streckenweise recht glatte TV-Zweiteiler längst nicht die bedrohliche Sogwirkung von Kings Vorlage, die einen in pausenloses Schaudern versetzte, sorgt aber dennoch dafür, dass der eine oder andere den Zirkusbesuch in Zukunft mit anderen Augen sehen wird…
(1) Auszug aus Stephen King`s “ES”, deutschsprachige Ausgabe, erschienen beim Wilhelm Heyne Verlag. Aus dem Amerikanischen von Alexandra von Reinhardt, bearbeitet und teilweise neu übersetzt von Joachim Körber
Chill-Skills:
Spaßfaktor: 4 (Seien wir ehrlich: Pennywise bemüht sich in seiner bunten Kluft zwar redlich, seinem Job als Spaßvogel nachzukommen, doch die Kollegen vom Circus Krone sind dann doch um einiges lustiger ;-) )
Bösewicht-Bonus: 8 (Jede Mutter, die diesem durchtriebenen Rotschopf ihren 8-jährigen Sohn zur Beaufsichtigung anvertraut, ist selber schuld...)
Festlichkeits-Check: 5 (Hat jetzt zwar inhaltlich nicht allzu viel mit dem Karneval der Hexen und Kürbisse zu tun, doch mit Pennywise` Clownskostüm dürftet ihr trotzdem DER Blickfang auf jeder Halloweenparty sein!)