von Asokan Nirmalarajah
Es bedarf lediglich einer kursorischen Bestandsaufnahme der Darstellung männlicher Singles in der heutigen Popkultur, um ernüchtert festzustellen, was Tobi Baumanns gleichnamige Spielfilmadaption des Bestsellerromans „Vollidiot“ von Tommy Jaud mit uneingeschränkter Überzeugung propagiert: im gegenwärtigen menschlichen Miteinander gibt es scheinbar keine armseligere, bedauernswertere Gestalt als die des männlichen Junggesellen. Seine Geschichte, oder besser die chaotische Aneinanderreihung von unsinnigen persönlichen Lebensweisheiten, Popkultur-Zitaten, Selbstzerstörungs- und Selbstfindungsanekdoten folgt dabei stets demselben Schema: jüngst verlassen von seiner langjährigen, verehrten Freundin, irrt der frustrierte und sich selbst bemitleidende Single-Mann durch Job und Freizeit auf der Suche nach einer neuen Freundin, die ihn wieder komplettieren soll. Viele Werke in Literatur und Film widmen sich dieser sehr unsympathischen, da selbstgerechten und wütenden Figur, die in all ihren limitierten Facetten wieder und wieder erforscht wird, um letztlich doch zu den gleichen Weisheiten zu gelangen. Ob nun dieser ewig selbe Held durch die Welten der Autoren Nick Hornby („High Fidelity“), Benjamin von Stuckrad-Barre („Soloalbum“) und auch Tommy Jaud irrt, oder als Protagonist von Filmen wie
Clerks. (1994) und
Swingers (1996) auftritt, stets sucht der in seiner Adoleszenz verhaftete, selbstsüchtige Spätzwanziger (oder im Fall der bedächtiger geratenen Tragikomödie
Broken Flowers, 2005, ein Spätfünziger) die Lösung für die scheinbar existentiellen, letztlich nichtigen Beziehungsprobleme bei vielen Frauen, findet sie aber dann doch letzlich bei sich selbst und reift gar zu einem recht stabilen Individuum.
Vollidiot, der sich selbst als genregetreue Verfilmung eines Pop-Romans versteht und somit bewusst auf jeglichen höheren Anspruch verzichtet, erzählt somit nichts Neues, möchte aber eine weitere Version dieses Charakters in dem speziellen Kulturraum Kölns lokalisieren. Und wenn dieser gefälligen, biederen Produktion auch sonst nur wenig mehr gelingen mag, so können sich zumindest die Kölner freuen, dass ihre im Kino selten genug gesehene Stadt den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt, negativ wie positiv: gräulich und beklemmend, und doch voller Leben und Kolorit, ist es der ideale Schauplatz für die Lebens- und Sinnkrise von Simon (Oliver Pocher), der zu Beginn seiner Ich-Erzählung kurz vor dem Sprung steht und über das absurde Jahr reflektiert, das ihn bis hierhin brachte…
Wie jeder verlassene Kinoheld – von Alvy Singer (
Annie Hall, 1977) bis Rob Gordon (
High Fidelity, 2000) – spricht auch der vergleichsweise weit weniger wortgewandte Simon direkt in die Kamera und kommentiert seinen unerträglichen Single-Alltag. Ein großer Teil des hier angesprochenen Publikums wird sich aber in so vielen Punkten in dem Guinness-Trinker Simon wieder finden, dass die Singularität seiner Geschichte nicht gegeben ist, und damit die Notwendigkeit einer Erzählung schuldig bleibt. Denn „Vollidioten“ wie Simon gibt es zuhauf, auch wenn sie vielleicht nicht wie dieser in einem namenlosen Telefonladen arbeiten. Zusammen mit seinem besten Kumpel Flik (Oliver Fleischer) beleidigt er dort die Kunden, was seine nervöse Chefin (Anke Engelke) mit Bedenken registriert. Auch privat scheitert Simon regelmäßig, wenn er in Discos trotz der wissen Ratschläge seiner Freunde Steve (Tomas Sinclair Spencer) und Paula (Tanja Wenzel) nur Abfuhren kassiert. Zudem wird er in schöner Regelmäßigkeit von einem penetranten Vollzugsbeamten (Herbert Feuerstein) gejagt, der längst fällige Schulden eintreiben will. Und zu allem Überfluss verguckt sich Simon auch noch Hals über Kopf in Marcia (Ellenie Salvo González), die bildhübsche Verkäuferin der von ihm so verhassten „all american coffee company“-Filiale…
Dass hier auf die virusartige Ausbreitung von globalen Konzernen wie „Starbucks“ innerhalb deutscher Städte angespielt wird, ist offensichtlich. Der mit der Globalisierung einhergehende Verlust der örtlichen Identität und die kühle Angebot-Nachfrage-Mentalität im menschlichen Miteinander werden hier also kritisiert, sind aber letztlich zwangsläufige Randerscheinungen der zeitgemäßen Verortung einer sehr abgegriffenen Geschichte von dem Versager, der seinen Egoismus bezwingen muss, um sein Seelenheil zu finden. Idealerweise soll der Zuschauer erst über ihn lachen, dann sich in ihm wieder finden und sich letztlich seine Läuterung wünschen. Nur ist Oliver Pocher in seiner ersten Hauptrolle nicht souverän genug, um auch Sympathien beim Publikum für seine Figur zu wecken. Da Simon über weite Strecken der schon aus dem TV bekannten Persönlichkeit Pochers gleicht (arrogant, frech, kindisch), ist der TV-Komiker zwar die ideale Besetzung für die Rolle, aber nicht wirklich überzeugend genug, um die etwas bedächtigeren Momente der Figur zu vermitteln. Glücklicherweise (für ihn) aber ist das Drehbuch von Christian Zübert und Romanautor Tommy Jaud, der für die Sat.1-Shows „Ladykracher“ und „Wochenshow“ einst Sketche schrieb, die meiste Zeit so flach und grobhumorig wie man es erwartet hat.
Neben unzähligen Rohrkrepierern gibt es im
Vollidioten, der nach dem
Wixxer (2004) einen weiteren Teil der albernen Schimpfwort-Filmreihe des TV-Sketch-Regisseurs Tobi Neumann darstellt, aber doch eine gesunde Anzahl von Gags, die funktionieren und die mit 102 Minuten zu lang und tempoarm geratene Komödie moderat unterhaltsam machen. Die Besetzung hinterlässt trotz manch illustrer Besetzung aus deutschen Comedy-Gefilden keinen bleiben Eindruck, während die Inszenierung beständig versucht, die TV-Herkunft der Macher zu kaschieren, aber mit Weichzeichner und rapiden Kameraschwenks nur wenig weit kommt. Wie die literarische Vorlage ist auch der
Vollidiot ein mittelprächtiges Pop-Produkt ohne Substanz (gelesen/gesehen und vergessen), hat aber genug Nonsens und Klamauk, um das Zielpublikum zu unterhalten. Nur nicht das Guinness vergessen.