MARS ATTACKS! - EIN WINK NACH OBEN
„You wanna conquer the world, you are going to need lawyers, right?“
Wir müssen jetzt mal mit einem sich hartnäckig haltenden Vorurteil aufräumen:
Edward D. Wood Jr. ist
nicht der schlechteste Regisseur aller Zeiten. Und sein berühmt-berüchtigter „
Plan 9 from Outer Space“ [1959] beileibe nicht der Bodensatz filmischen Abschaums, wie allenthalben zu lesen ist. Sicher lässt sich nicht darüber streiten, dass „Plan 9“ wenige Qualitäten aufweist, mit denen die Sehgewohnheiten der damaligen Zuschauerschaft befriedigt werden konnten. Doch wie immer ist ein Blick hinter die Fassade weitaus erkenntnisbringender als ein Verweilen im allzu Offensichtlichen. Ed Wood war es zeit seines Lebens leider nicht vergönnt, aus dem Schatten seines ihm vorauseilenden Rufs zu treten. Dabei lässt sich aus seiner Bildsprache so viel mehr herauslesen als nur eine dilettantische Herangehensweise an das Medium Film, in dem
geborgte Gummikraken erschrecken und Chiropraktiker den kürzlich verstorbenen Hauptdarsteller doubeln sollen. Ja, es muss Liebe sein, wenn ein Mensch derart aufopferungsvoll an sein Werk glaubt, dass alle Kritik für die Zeit des Drehs verstummt im Angesicht sich drehender Gullideckel un
d wackelnder Pappbauten. Eine naive, unschuldige Liebe, die auf Zelluloid gebannt und leider nur von wenigen erkannt wurde.
Sei es drum: Kinofantast
Tim Burton verstand sie zu würdigen. Mehrfach. So widmete er dem ewig Missverstandenen sogar ein
meisterhaftes Bio-Pic, in dem Johnny Depp in der Hauptrolle neben einem grandios aufspielenden Martin Landau zu brillieren wusste. Burton, der kauzig-verschrobene Regisseur, wird auch heute noch nicht müde, sich als Fan des mindestens ebenso kauzig-verschrobenen Wood zu outen. Und so, wir schreiben mittlerweile das Jahr 1996, gelangte mit
„MARS ATTACKS!“ schließlich eine klassisch-moderne Hommage an Woods filmisches Treiben in die Kinos, bei der die Meinungen bis heute weit auseinandergehen. Aber ist es ein Wunder, dass dies wohl der auf ewig missverstandenste Film in der Filmographie Burtons sein dürfte? Denn
„MARS ATTACKS!“ ist ein Ed-Wood-Film in Reinkultur: überdreht, naiv, storytechnisch völlig Banane – und trotzdem Kino mit Herzblut. In diesem Fall war ein Scheitern also die einzig mögliche, weil konsequenteste Folge. Ehrlicher als hier kann eine Hommage kaum sein.
Zunächst ist es falsch, den Film einzig auf sein ungeniert-freches, zum Teil auch unverfroren albernes Gag-Feuerwerk zu reduzieren. Wenn Burton hier in den Gaga-Modus schaltet, dann nur, um die Hau-drauf-Komik als Katalysator für eine Sci-Fi-Parodie zu nutzen, wie sie deftiger nicht sein könnte. In bester
Monty Python-Manier wird das alltägliche Sein plötzlich Schauplatz eines hemmungslos überbordenden Ereignisses, in dem auch vor der ein oder anderen Gewaltspitze nicht zurückgeschreckt wird. Natürlich alles im Namen des Humors, der einen mitunter auch mal kurz schlucken lässt. Die Ankunft der Marsianer auf der Erde gerät demgemäß trotz guter Vorzeichen innerhalb kürzester Zeit zu einem waschechten, extraterrestrischen Mass-
ack-er, in dem die anfängliche Starriege sehr schnell so manch bekannten Namen einbüßt (und die Friedenstaube mal eben kurzerhand flambiert wird). Derartige Frechheiten jenseits des guten Geschmacks in einem vermeintlichen Hollywood-Blockbuster zu kredenzen, ist sicherlich eine gewagte Nummer. Doch sie ist wirkungsvoll, bleibt sie doch weitaus länger im Gedächtnis als
die x-te 08/15-Alien-Landung der jüngsten Kinogeschichte. Tim Burton gelingt dabei zweierlei: Eine Verbeugung vor den zahllosen trashigen Sci-Fi-Klassikern der
50er- und 60er-Jahre einerseits und deren gleichzeitige Verballhornung mit den Mitteln des Kinos der späten 90er andererseits.
Es ist freilich eine Verballhornung mit Stil, die hier zelebriert wird. Denn in der Gesamtschau macht Burton im Grunde genauso viele Fehler wie sein Idol Ed Wood, mit dem Unterschied, dass Wood aufgrund seiner naiv verklärten Sichtweise immer daran glaubte, doch noch irgendwann
den Über-Film zu drehen. Burton hingegen ist sich des Unfugs, den er abliefert, jederzeit gewahr und treibt ihn eben drum genüsslich auf die Spitze (und manchmal auch darüber hinaus). Das muss und soll niemand uneingeschränkt gutheißen. Wahrscheinlich ging es Burton auch gar nicht darum, einen massentauglichen Film zu produzieren. Dazu pflügt der Regisseur diesmal schlicht zu weit abseits des Mainstreams.
„MARS ATTACKS!“ ist
sein Baby, als wolle er nur Ed Wood beweisen, dass dieser in seinem Bestreben, eigenwillige Filmkunst abzuliefern, nicht alleine war und ist.
Sieh her, ich kann es auch. Der Applaus wenigstens eines Mannes dürfte ihm gewiss sein. Auch wenn er von hoch oben kommt.
Wann hat man das letzte Mal
Jack Nicholson in einer derart lustigen Doppelrolle gesehen, wann wurden moderne CGI-Effekte zuletzt so auf 1950 getrimmt, dass selbst die Ufos an zweckentfremdete Gullideckel gemahnen? Noch nie? Und wann war die Geheimwaffe im Kampf gegen die Aliens nicht etwa ein Bakterium, sondern weitaus irdischer? Na? Wer hierauf keine Antwort weiß, ist bestens aufgehoben im illustren Sci-Fi-Reigen des Tim Burton, der Antworten auf Fragen präsentiert, die unsereins nie gestellt hat, und obendrein beste Trash-Unterhaltung unter dem Deckmantel einer liebevoll detaillierten Ed-Wood-Hommage liefert. Darauf hat seinerzeit vielleicht niemand gewartet – so weiß zumindest das magere Einspiel zu berichten – , doch das tun die meisten Stadtbusse ja irgendwie auch nie. Genutzt werden sie trotzdem, wenn man sie denn erwischt. Was das Phänomen des nach wie vor erfolgreichen Trash-Kinos, das ja angeblich niemand wirklich guckt, recht gut auf den Punkt bringt. Genauso handhabt es der frech-spritzige, parodistisch-kauzige und immens unterhaltsame
„MARS ATTACKS!“. In dem Sinne:
Ack, ack! Und Punkt.
Cover: © Warner Bros Film GmbH