In einem Interview, das Regisseur Terry Gilliam zusammen mit seinem ehemaligen Monty-Python-Kollegen Terry Jones vor einigen Jahren gab (und welches freundlicherweise auf der DVD zu dem Film zu finden ist, um den es hier gehen soll), erklärte Gilliam zwischen viel Blödelei und obsessivem Abfilmen seiner Füße, daß die meisten Filme uns versichern, daß alles in Ordnung sei, und die Welt Sinn mache. Nicht so seine Filme. Und wahrscheinlich liegt in genau jener Erkenntnis, die im Interview eher nebenbei geäußert wurde, der Schlüssel zu Gilliams verrückter Welt: Bei ihm herrschen Chaos und Anarchie; der Wahnsinn brodelt nicht nur unter der Oberfläche aller Dinge, sondern nimmt das Narrative in seine Fänge und macht damit, was er will.
Nach Jahren als einziger Amerikaner in der englischen Komikertruppe Monty Python stellte sich Gilliam nach und nach auf eigene Füße - nicht als Darsteller, sondern als Regisseur. Schon die Arbeitsaufteilung beim Python-Film DIE RITTER DER KOKOSNUSS (1974) - Terry Jones leitete die Schauspieler, Gilliam kümmerte sich um das Visuelle - zeigte, daß Gilliam zunächst primär an den Bildern und Stimmungen interessiert war, weniger an den Figuren und der Geschichte. Nach seinem erster Einzelgang als Regisseur, dem schwarzhumorigen Fantasyfilm JABBERWOCKY (1977), versuchte Gilliam zunächst erfolglos, sein Science-Fiction-Proje
kt BRAZIL zu starten. Bevor dies aber Realität werden sollte, schrieb er mit Co-Python Michael Palin das manische Spektakel TIME BANDITS, das 1981 von George Harrisons neuer Produktionsfirma Handmade Films finanziert wurde.
TIME BANDITS ist laut, hektisch, chaotisch, albern, völlig ruhelos und unendlich einfallsreich. Die Geschichte ist beinahe völlige Nebensache: Eine Gruppe von sechs Zwergen, die im Auftrag Gottes "Löcher" in der Schöpfung reparieren sollen, nutzen ebendiese lieber dazu aus, quer durch Zeit und Raum auf Beutezug zu gehen. Erzählt wird die Story durch die Augen von Kevin, einem etwa 11jährigen Jungen, der sich der plötzlich in sein Schlafzimmer einfallenden Banditengang anschließt. Während die Truppe völlig ziellos durch die Weltgeschichte reist, sind Gott und das Böse hinter der Karte her, auf der besagte Löcher verzeichnet sind.
Das Skript zu TIME BANDITS zeichnet sich durch eine makabre Lust am Irrsinn und einen anarchischen Sinn für das Absurde aus: Ob nun Napoleon (Ian Holm) lange Reden über kleinere Menschen hält, die die Welt verändert haben, und diebische Freude an einem albernen Puppentheater hat, während um ihn herum der Krieg wütet, ob Robin Hood (John Cleese!) wie eine ahnungslose Karikatur eine Bande von gewaltlüsternen Schurken anführt, oder ob König Agamemnon (Sean Connery!!) sich als charismatische Vaterfigur entpuppt, die dem flugs adoptierten Kevin einfache Zaubertricks beibringt: Gilliam und Palin haben offensichtliches Vergnügen daran, bekannte Bilder ironisch zu unterwandern. Das Böse (David Warner) ist besessen von den Möglichkeiten moderner Technologie, während Gott (Sir Ralph Richardson) wie ein Schuldirektor im grauen Anzug auftritt.
Mitunter spektakulär sind dabei Gilliams visuelle Ideen: Die Festung des Bösen, die aus gigantischen Legosteinen besteht. Eine unsichtbare Glasbarriere in der Wüste, hinter der sich die schwarze Festung der Finsternis versteckt. Ein Riese, der ein ganzes Schiff wie einen Hut auf dem Kopf trägt. Die Handlanger des Bösen, die alle in Plastik eingepackt sind - ebenso wie der Großteil von Kevins Wohnung. Gilliams Phantasie ist völlig entfesselt, und sein grenzenloser Einfallsreichtum sorgt dafür, daß der Film selbst nach 25 Jahren immer noch faszinierende Bilder bieten kann.
Das Problem liegt in der Geschichte selbst. Völlig atemlos schiebt Gilliam die Banditengang durcheinanderschnatternd durch Zeit und Raum, jedes Bild ist vollgepropft mit Bewegung und Chaos, der Energielevel bleibt immer beim totalen Anschlag und ermüdet somit den Zuseher schon bald. Weil es eigentlich um nichts Spezielles geht, verbringen wir die Zeit eher damit, die Ideen zu bewundern, als gefesselt dem Abenteuer zu folgen. Gilliam selbst sagt (in einem weiteren Interview, ebenfalls auf der DVD zu finden), er wollte einen Film machen, der "aufregend genug für Erwachsene, intelligent genug für Kinder" sei, und wahrscheinlich ist das kunterbunte Durcheinander des Films für Kinder viel reizvoller als für Erwachsene, die neben dem Spektakel auch gerne einer Geschichte folgen wollen. Enttäuschend bleibt auch das Ende des Films, das wie eine Nadel in einen Ballon sticht - aber genaugenommen ist es genau das, was Gilliam den ganzen Film über tut.
Es ändert nichts daran, daß TIME BANDITS mit seinen aberwitzigen Ideen zum Staunen einlädt - eine Reaktion, die im Kino selten geworden ist. Es ist nicht Gilliams ganz großer Wurf - der kam später entweder mit KÖNIG DER FISCHER oder mit 12 MONKEYS, wo er das Zeichnen der Figuren ebenso beherrscht wie das visuelle Spektakel. Aber es ist ein, bei all seinen Problemen, bemerkenswerter Film. Wenn die Schöpfung schon Löcher hat, warum sollte dann der Film keine haben?