Gestatten? Sein Name ist Bond. James Bond. Heutzutage kennt fast jeder den charismatischen Doppelnull-Agenten, den Mann, der im Namen Ihrer Königin bis dato schon 22 Abenteuer (die TV-Version von „Casino Royale“ [1954] und die Parodie „Casino Royale“ [1966/67] nicht mitgezählt) mehr oder weniger heil überstanden hat. Aber jeder Kult muss auch einen Anfang haben. Dieser Zeitpunkt war der 20. Juni 1960, denn hier stimmte endlich die Produktionsfirma United Artists, nachdem Verhandlungen von Bond-Erfinder
Ian Fleming und Produzent
Harry Saltzman mit anderen Firmen im Sande verlaufen waren, einer Filmreihe von sechs Filmen zu. Der Grundbaustein war gelegt und Bond – so schien es – reif für die große Leinwand.
Dass Ian Flemings sechster Roman „Dr. No.” [1958] als Einstieg in die Filmreihe herhalten musste, war zum einen rechtlichen Gründen zuzuschreiben, zum anderen suchten die Produzenten händeringend nach einem Mittel, einen englischen Agenten im damals schwer zu begeisternden Amerika populär zu machen. Wie günstig, dass kein Film Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre mit solch exotischen Schauplätzen, wie sie „Dr. No.“ mit Jamaica zweifelsohne bot, aufwarten konnte. Doch sollten Schauplätze alleine wirklich ausreichen, einen Erfolg in Amerika herbeizuführen? Heute mag man verständlicherweise den Kopf schütteln, wenn man bedenkt, dass United Artists zu Anfang in keiner Weise erahnen konnte, was für ein heiße
s Eisen sie mit James Bond im Feuer hatten, das sich regelrecht zum Selbstläufer entwickeln sollte. Und so waren es letztlich auch weder kluge Kalkulation seitens der Verantwortlichen, die noch nicht so recht Vertrauen in den Agenten setzen wollten, noch besonders geheimnisumwitterte Umstände, welche schlussendlich den Weg Richtung Erfolg sowohl in Amerika als auch England und weltweit ebneten. Es war einfach der Mut, wider besseren Wissens auf das schnellste Pferd im Stall zu wetten, gepaart mit einem kleinen, aber feinen Quentchen Glück. Denn fast beiläufig wurde bekannt, dass der damalige US-Präsident John F. Kennedy Flemings Roman „Liebesgrüße aus Moskau“ zu seinen Lieblingsbüchern zählte. Bessere Werbung konnte der smarte Agent gar nicht haben.
Gewinnen konnten die Produzenten einen damals noch relativ unbekannten Schotten für die Titelrolle. Weltstar
Sean Connery, damals erst in wenigen Filmen in Erscheinung getreten, gab einst in einem Interview zu, dass er sich mit der Rolle des Agenten erst anfreunden musste, war sie doch gänzlich anders als alles, was er zuvor gespielt hatte. Geraten wurde ihm letztlich von Noel Coward, einem Freund und Nachbarn Flemings, einfach so auszuschauen, als wenn ihn nichts in der Welt interessiere, auch wenn gerade eine Kugel in seine Richtung unterwegs sei. Dass Bond davon auch reichlich in seinem ersten Kino-Abenteuer serviert bekommt, steht außer Frage.
Das Abenteuer beginnt mit der Ermordung von zwei Mitarbeitern des britischen Geheimdienstes Secret Service. „M“ (Bernard Lee), der Leiter der Spionageabteilung, schickt seinen besten Mann mit der Lizenz zum Töten, den Doppelnull-Agenten James Bond (Sean Connery), nach Jamaica, um die Ermittlungen aufzunehmen. Nach einigen vereitelten Attentaten schließt Bond Freundschaft mit dem Fischer Quarrel (John Kitzmiller), welcher ihm von der geheimnisumwobenen Insel Crab Key erzählt. Bond findet heraus, dass von der Insel, welche einem mysteriösen Mann namens Dr. No (Joseph Wiseman) gehört, radioaktive Strahlung ausgeht. Um weitere Nachforschungen anzustellen, begibt sich der Agent auf die vorgelagerte Insel und trifft dort auf die schöne Muschelsucherin Honey (legendär: Ursula Andress). Gemeinsam geraten beide in die Fänge von Dr. No, welcher im Stillen eine gewaltige Apparatur unter der Insel gebaut hat, um gar böse Pläne in die Tat umzusetzen. Bond muss alles daran setzen, sich, Honey und die Welt vor den Machenschaften des machtbesessenen Kriminellen zu retten.
So abgehoben sich die Geschichte auch anhören mag, so ist sie doch typisch Bond, weshalb
„JAMES BOND - 007 JAGT DR. NO“ neben einigen Ausnahmen auch schon all das auffährt, was man später mit James Bond in Beziehung setzen sollte: exotische Schauplätze, größenwahnsinnige Bösewichte, ein in jeder Situation kühl agierender Hauptdarsteller und schöne Frauen, namentlich die Bond-Girls. Das erste reguläre Filmabenteuer des bekanntesten Agenten der Welt geizt zweifelsohne nicht mit Schauwerten, auch wenn das Budget mit heutzutage geradezu mickrig anmutenden 900.000 bis 1.000.000 Dollar angegeben wird. Hier wurde definitiv klug kalkuliert und das Geld an genau den richtigen Stellen eingesetzt (so ging ein Großteil für die gelungenen Sets von
Ken Adam drauf). Spielereien, wie sie später zum guten Bond-Ton gehörten, gab es noch keine, weshalb der Film trotz seines abgehobenen Agenten-Szenarios realistischer und dadurch manchmal auch deutlich härter als seine unmittelbaren Nachfolger erscheint. Die Szene, in der Bond beispielsweise einem bereits verwundet am Boden liegenden Attentäter trotz nicht vorhandener Gegenwehr noch zweimal kaltblütig in den Rücken schießt, führte letztlich dazu, dass die Kritik überwiegend vernichtend und hart ausfiel. Bond sei sadistisch, hieß es hier, menschenverachtend andernorts. Überraschenderweise hatte nicht einmal Regisseur
Terence Young mit solch einem negativen Echo gerechnet und gab dies auch, auf den Vorwurf angesprochen, offen zu Protokoll. Ganz reinwaschen konnte Young sich trotz größter Bemühungen um Schadensbegrenzung nie so richtig, und der Vorwurf sollte auch in späteren Bond-Filmen noch fallen. Die Filmwelt ist nun mal ein durchaus hartes Pflaster, sowohl vor als auch hinter der Kamera.
Doch trotz aller negativer Presse wurde
„JAMES BOND - 007 JAGT DR. NO“ ein weltweiter Kassenschlager, der alle Erwartungen übertraf und Sean Connery über Nacht zum Star werden ließ. Dabei ist Bonds erster Kinoauftritt bei genauerer Betrachtung gar nicht mal sonderlich spektakulär oder maßlos spannend. Zuweilen fast schon dröge mutet die Inszenierung von Young an, der Bond von einer brenzligen Situation in die andere hetzt, ohne jemals wirklich Spannung zu erzeugen. Die fast gänzlich fehlende Musikuntermalung (die bekannte Titelmelodie ertönt nur ganz zu Anfang und einige Szenen später) sorgt zwar für besseres Verstehen des gesprochenen Wortes, aber da dieses aufgrund des einfach gestrickten Drehbuchs nicht gerade mit überraschenden Enthüllungen beladen ist, fragt man sich ernsthaft,
was genau da eigentlich verstanden werden soll. Auch der finale Showdown zwischen Bond und Dr. No ist traurigerweise kein überquellendes Feuerwerk action- und adrenalingeladener Agentenunterhaltung, sondern im Grunde so schnell (und unspektakulär) vorbei, wie er begonnen wurde. Hinsichtlich Qualität und Einfallsreichtum können einige der nachfolgenden Filme den Ur-Bond hier deutlich hinter sich lassen. Ein Weniger muss nicht zwangsläufig auch ein Mehr bedeuten, vor allem nicht in der Agentenwelt.
Und doch hat er was, dieser Ur-Bond. Neben dem ersten Bond-Girl der Filmgeschichte, ausnahmslos gut agierenden Schauspielern, einem blutjungen Sean Connery und einer gesunden Portion Exotik festigte dieser Film nämlich eine Überzeugung, die auch heute noch von vielen Bond-Fans gehalten wird: für viele war, ist und bleibt Sean Connery James Bond, egal, wer auch immer nach ihm die Rolle verkörperte.
James Bond will return in
„James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau“ [1963]