Vampire sind im Kino einfach nicht (un)tot zu kriegen. In gefühlten Hunderten von Filmen entstiegen die Kinder der Nacht ihrer Gruft und machten sich auf die Pirsch nach frischem Menschenblut. Besonders beliebt war und ist der Typus des gutbürgerlichen Gentleman, der in einem düsteren Schloss in den Karpaten haust und den Romanautor Bram Stoker nach dem Vorbild des rumänischen Fürsten Vlad III. Draculea schlicht (und einprägsam) „Dracula“ taufte. Der Legendenbildung, die vom millionenfach verkauften Buch ausging, folgten dann jede Menge mehr oder minder gelungene Verfilmungen, u.a. Tod Brownings wegbereitender Klassiker von 1931 und Murnaus Stummfilm-Meilenstein „Nosferatu“ (1922). In den späten Fünfzigern produzierten die britischen Hammer Studios mit einer leicht abgewandelten Version des Stoffs den ersten „Dracula“-Farbfilm. Bis dato rangiert Terence Fishers Langzahn-Schocker in der Liste der bekanntesten Adaptionen der Bestsellervorlage ganz weit oben. Zu verdanken ist dies vor allem der morbiden Gothic-Atmosphäre und den zwei markanten Hauptdarstellern (Christopher Lee als Dracula, Peter Cushing als Van Helsing), die in ihren jeweiligen Paraderollen sichtlich aufgingen.
Unter dem Deckmantel, er wolle dessen Bibliothek auf Vordermann bringen, reist der Engländer Jonathan Harker (John Van Eyssen) zum Schloss des zwielichtigen Grafen Dracula (Lee). In Wirklichkeit weiß Harker vom Vampirdasein des Adligen und will ihm den Garaus machen.
Als der davon Wind bekommt, vereitelt er jedoch die Pläne seines Gastes, indem er ihn mit einem Kehlenbiss zu seinesgleichen macht. Der Vampirjäger Prof. Dr. Abraham Van Helsing (Cushing) findet die blutleere Leiche seines Partners und informiert Harker`s Verlobte Lucy Holmwood (Carol Marsh) über den tragischen Tod ihres zukünftigen Mannes. Um Lucys Gesundheitszustand ist es indessen auch nicht gerade gut bestellt: Die junge Frau fühlt sich schlapp und wird von schmerzhaften Krämpfen geschüttelt. Ihr Bruder Arthur (Michael Gough) weiß sich keinen Rat. An Lucys allergischer Reaktion auf Kruzifixe, Knoblauch und Sonnenlicht merkt Van Helsing dann aber sehr schnell, wo der Hase im Pfeffer begraben ist: Die Kleine ist gebissen worden und der Doktor somit gezwungen, ihr einen Holzpflock durch das Herz zu treiben, um sie von ihren Qualen zu erlösen. Anschließend begibt sich Van Helsing gemeinsam mit einigen Verbündeten auf die Jagd nach dem gottlosen Fürst der Finsternis…
Die Geschichte gehört in ihrer Grundstruktur seit Stokers Roman zum kleinen Einmaleins des Horrorgenres. Terence Fisher`s Interpretation der Blutsaugerlektüre stützt sich ebenso explizit auf die Vorlage wie etliche „Dracula“-Filme zuvor und gilt im Kern als literarisch korrekt. Trotzdem wird die Ur-Dramaturgie hier an mehreren Stellen zugunsten von rasanter Vampir-Action aufgebrochen bzw. geglättet. So scheidet die Figur des Jonathan Harker doch verhältnismäßig früh aus dem Leben, was eine „Vereinfachung“ der Story mit sich zieht, da die Heirat Harkers mit seiner Verlobten und das gegensetige Buhlen mit dem Grafen um die Gunst Lucys (eine interessante Passage des Romans) dadurch wegfällt. Außerdem wird Harker im Buch als unwissender (in Bezug auf Draculas Existenz als Untoter) Rechtsanwalt eingeführt, der das Schloss in Transsylvanien deshalb aufsucht, weil er dem verkappten Monstrum eine Immobilie in London andrehen will, während Harker
hier nicht nur als vermeintlicher Bibliothekar, sondern gar als Vampirkiller und enger Freund Van Helsings vorgestellt wird, der seine Neugierde schließlich mit dem Leben bezahlen muss. Ergänzend bleibt anzumerken, dass die Charaktere der beiden Freundinnen Lucy und Mina im besprochenen Film mehr oder weniger zu ein und derselben Person verschmelzen.
Fishers Variation ist somit einerseits kühn und gewagt, andererseits aber auch erfrischend eigenständig. Die lebhafte Bildsprache, die liebevolle Ausstattung und eine Schippe subtil-verschlagener Humor im Umgang mit der Psychologisierung des Plots geben dieser „Dracula“-Verfilmung eine ganz spezielle Ästhetik und versetzen den Zuschauer nach wie vor in gediegene Grusellaune. Beachtlich fallen auch die Special Effects aus, gerade wenn man bedenkt, dass der Streifen mit 58er-Baujahr schon nicht mehr ganz so taufrisch ist. An diesem Punkt waren die englischen Hammer-Produktionen den überregionalen Filmen dieses Sujets aber schon immer um ein Minimum voraus. Zu guter Letzt die tollen Darsteller: Peter Cushing gab erstmalig den besonnenen Vampirkiller Dr. Van Helsing, der bei aller Irrationalität des Geschehens stets rational zu denken und argumentieren versucht. Und Christopher Lee, kreideweiß geschminkt und mit blutunterlaufenen Augen, trat als feudaler Graf Dracula, der sich auf eine gar nicht „feine englische Art“ an den Hälsen adretter Jungfrauen zu schaffen macht, in die großen Fußstapfen von Max Schreck („Nosferatu“) und Bela Lugosi. So schnell kam Lee danach nicht mehr von seiner Standardrolle los: Er unterschrieb für sechs weitere Fortsetzungen…