„Why is it when we meet we always play this elaborate game?“
New York, 1905. Die hübsche Lily Bart („
Akte X“-Star Gillian Anderson) ist nicht vermögend, was als Kind ihrer Zeit eine logische Konsequenz nach sich zieht: sie braucht einen reichen Mann, um diesen gesellschaftlichen Makel zu beseitigen. Anwalt Lawrence Selden (Eric Stoltz, „
Anaconda“ [1997]), an den Lily bereits ihr Herz verschenkt hat, würde nur zu gerne die Rolle dieses Mannes einnehmen. Doch da Selden nicht vermögend ist, ist es den beiden leider Gottes nicht vergönnt, ehrlich zu ihren Gefühlen zu stehen.
Mit ironischen Schlagabtauschen kaschiert ist die verborgene Leidenschaft der Verliebten dazu verdammt, auf Sparflamme zu köcheln. So muss Lawrence aus dem Hintergrund mitansehen, wie die von ihm begehrte Lily mit anderen Männern anbandelt. Nicht aus Liebe, sondern des Aufstiegs in der Gesellschaft wegen. Lange Zeit läuft auch alles gut, doch das erstrebte Ansehen in der New Yorker Gesellschaft fordert einen hohen Preis. Die allabendlichen Runden am Spieltisch bringen Lily unweigerlich an den Rand des Bankrotts, wäre da nicht Gus Trenor (Dan Aykroyd, „
Evolution" [2001]), der Mann ihrer besten Freundin, w
elcher ihr – scheinbar aus reiner Gefälligkeit – anbietet, ihr Kapital zu betreuen. Doch nur wenig später muss die Arme feststellen, dass das Geld, das Gus ihr gibt, nicht etwa ihre Zinsen sind, sondern vielmehr er ihr in Erwartung erotischer Zuwendungen
eigenes Kapital vorschießt. Lily – obwohl finanziell bankrott – wendet sich daraufhin entgeistert von Trenor ab und wird allmählich zum Spielball gesellschaftlicher Intrigen und falscher Freunde.
Terence Davies zeichnet – basierend auf dem Buch
The House of Mirth von
Edith Wharton – ein durch und durch dunkles Bild einer Gesellschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts. Wharton, selber Kind dieser Zeit, in der perfektes Benehmen und die Repräsentation in der Öffentlichkeit ihre Kindheit bestimmten, zog in ihren Büchern bis zu ihrem Tod 1937 über die sogenannte „obere Gesellschaft“ her. Ihre schriftstellerischen Ambitionen traten schon recht früh ans Tageslicht, wurden jedoch zunächst nur wenig gefördert, da es sich für eine Tochter aus „ihren Kreisen“ nicht ziemte, derartigen Beschäftigungen zu frönen. Doch Wharton (Jahrgang 1862) blieb standhaft und veröffentlichte während der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts etliche Erzählungen, welche allesamt im
Scribner’s Magazine erschienen. Wirklichen Ruhm als Schriftstellerin erntete sie jedoch erst im Jahre 1905 mit ihrem großen Romanwerk
The House of Mirth, das durchaus als ihre Referenz im überspitzten Darstellen von – ihrer Meinung nach – veralteten Gesellschaftsformen und des damit einhergehenden Mangels an echten Gefühlen angesehen werden kann.
So ist es wenig verwunderlich, dass auch in der gleichnamigen Verfilmung die Hauptfiguren, allen voran Lily Bart, in ihrer Lebensweise eklatante Züge jener kritisierten Lebenswelt erkennen lassen, welche Edith Wharton über viele Jahre hinweg begleitete. Lily Bart wird gar als Persönlichkeit dargestellt, die nur geboren wurde, um des gesellschaftlichen Ansehens wegen zu heiraten. Die Liebe – im Buch wie im Film – ist hier nur ein aus fünf nichtssagenden Buchstaben bestehendes Wort, ein Gespenst, das einem unsichtbaren Schleier gleich über dem Geschehen liegt, es aber aufgrund seiner Substanzlosigkeit niemals beeinflussen kann. Wer ein Jemand sein möchte, hat sich bestimmten Konventionen zu unterwerfen, andernfalls versinkt man in unbemerkter Bedeutungslosigkeit. Doch Lily möchte angesehen, verstanden, eine Frau von Welt sein. Leider gibt sich ihr erst zu spät die wirkliche Gestalt desjenigen Lebens zu erkennen, für das sie sich entgegen ihrer wahren und verleugneten Gefühle entschieden hat.
Gillian Anderson verkörpert dabei diese Frau, die an widerstreitenden Wertvorstellungen und unterdrückten Emotionen regelrecht zugrunde geht, mit beeindruckender Intensität, die auch nach Verklingen des Abspannes noch nachhallt. Die anfangs humorvoll erscheinenden Sticheleien mit einem solide agierenden
Eric Stoltz, der den Anwalt Selden spielt, entwickeln sich durch sie bei nachträglicher Betrachtung zu einer bitteren und zutiefst traurigen Erkenntnis: nur verleugnete Gefühle zählen etwas in einer Welt, in der man entweder ein Jemand oder ein Niemand ist. Vor diese Wahl gestellt, ist man fast geneigt, Lilys Verhalten zu verstehen, da das Auflehnen gegen diese alten Konventionen schlicht gleichbedeutend mit dem gesellschaftlichen Abstieg ist, wie sich später noch zeigen soll.
Diesen Abstieg beschreibt die Verfilmung
„HAUS BELLOMONT – THE HOUSE OF MIRTH“ in opulent ausgestatteten Bildern und einer ruhigen, einfühlsamen Inszenierung, die angesichts der fast nicht vorhandenen Musikuntermalung eher an eine Theaterinszenierung denn einen Film erinnert. Damit einher geht leider auch die ein oder andere Länge im Erzählfluss des mit 135 Minuten sowieso schon recht großzügig bemessenen Werkes, die jedoch durch tolle Schauspielleistungen in Haupt- und Nebenrollen (
Laura Linney, „
Tatsächlich ... Liebe“ [2003],
Dan Aykroyd) schnell wieder wettgemacht werden. Überhaupt ist
Terence Davies’ fast werkgetreue Adaption aus dem Jahre 2000 eine solche, die der Bezeichnung
Ensemble-Film noch mehr als nur gerecht wird. So reift die mit subtilen satirischen Anleihen versehene Verfilmung letztendlich zu einem kleinen, feinen, aber auch nachdenklich stimmenden Meisterwerk, das zweifelsohne keine leichte Kost ist. Aber: auch, wenn Lilys bereits eingangs getätigte Aussage, dass sie schon viel zu lang auf dieser Welt sei, im späteren Verlauf der Geschichte ihren unausweichlichen Tribut fordert, ist es im Grunde doch „nur“ das Berichten über zutiefst menschliche Gefühle und Wertvorstellungen, auf dem das Hauptaugenmerk der bei dieser Kenntnis nun leichter zu verdauenden Geschichte liegt.
Solch ein zutiefst menschliches Gefühl obsiegt schließlich auch bei uns, die wir dem Geschehen beiwohnten und offenbart, dass manche Dinge schlicht und ergreifend zeitlos sind.