Es gibt Filme, die begeistern beim ersten Sehen, unterhalten vielleicht auch noch beim zweiten Mal, hinterlassen aber dennoch keinen bleibenden Eindruck. An diese Werke hat man schon nach kurzer Zeit nur noch schwammige Erinnerungen, egal wie spannend oder lustig sie zunächst erschienen. Und dann gibt es Filme, die unterhalten bereits beim ersten Ansehen, beim zweiten Mal sogar noch ein wenig mehr, und je mehr Zeit man hat, sich über sie Gedanken zu machen, desto besser werden sie. Im Dezember 2011 schlich sich mit
"THE HELP" ein ebensolcher Film zunächst fast unbemerkt in die Kinos, um mit der Zeit auch sowohl die Herzen der Kritiker als auch der Zuschauer zu erobern. Nicht zuletzt dank des Preisregens, der sich in den Folgewochen vor allem über das Ensemble ergoss, ist
Tate Taylors Romanverfilmung nun in vieler Munde, und aus einem cineastischen Sandkorn wurde eine kleine Kinoperle, die so schnell ganz sicher nicht an Glanz verlieren wird.
„You is kind. You is smart. You is important!”
In den frühen 1960er Jahren herrscht in den U.S.-amerikanischen Südstaaten noch immer die faktische Rassentrennung. Besonders in Kleinstädten und Vororten sind afro-amerikanische Haus- und Kindermädchen für weiße Mittelstandsfamilien geradezu ein Muss, wobei es nicht selten vorkommt, dass diese Ersatzmütter eine weitaus engere Bindung zu ihren Schützlingen aufbauen als die leiblichen Eltern. Nichtsdestotrotz bleiben sie im All
tag so etwas wie Menschen zweiter Klasse.
Als die junge Eugenia, genannt Skeeter (Emma Stone), nach ihrem Journalismusstudium erfüllt von Karriere-Ambitionen in ihre konservative Heimatstadt zurückkehrt, ist sie zunächst belustigt, dann beunruhigt und schließlich entsetzt darüber, wie sehr sich andere Frauen ihrer Generation noch immer in das Rollenklischee der perfekten Ehefrau zwängen und gleichzeitig die unrühmliche Tradition der Rassentrennung fortbestehen lassen. Als ihre Freundin Hilly (Bryce Dallas Howard) eine Gesetzesinitiative anregt und die Einrichtung separater Toilettenräume für afro-amerikanische Bedienstete in jedem „weißen“ Haushalt durchsetzen will, ist für Skeeter der Moment gekommen, sich gegen solche und andere Formen der Diskriminierung zu engagieren.
Sie beschließt, ein Buch zu schreiben, das den Alltag im Süden der USA aus der Sicht der unterdrückten Haus- und Kindermädchen präsentiert. Doch in einer Gesellschaft, in der die Bürgerrechtsbewegung noch in den Kinderschuhen steckt, ist es äußerst gewagt, sich gegen bestehende Konventionen zu stellen. So gelingt es ihr nur mit viel Mühe, Aibileen (Viola Davis) und Minny (Octavia Spencer) zu überreden, ihre erschütternden Erfahrungen mit ihr zu teilen. Doch ihr Treiben bleibt nicht lange unbemerkt, und so gerät schließlich nicht nur das Buchprojekt in Gefahr.
„If you can love your enemy, you already have victory.“
Diese Erzählung eines mutigen Kampfes für den unbedingten Glauben an sich selbst spiegelt in ihren Grundmotiven ein wenig die Entstehungsgeschichte von
Kathryn Stocketts Roman wider, auf dem der Film basiert. Die Autorin machte selbst so etwas wie eine klitzekleine Aschenputtel-Metamorphose durch, musste sich nach fünfjähriger Arbeit an ihrem Erstlingswerk durch unzählige Ablehnungen kämpfen, bis sie endlich einen Agenten und einen Verleger fand. Doch dann zeigte sich das wahre Potenzial ihres Romans "The Help" ("Gute Geister"), der 2009 erstmals erschien und sich prompt wochenlang in der Bestseller-Liste der New York Times festbiss. Noch im selben Jahr klopften die ersten Filmproduzenten an Stocketts Tür, und der Rest ist ein kleines, aber beeindruckendes Stückchen Filmhistorie.
"THE HELP" hatte mit seiner aufrüttelnden Geschichte, die trotz ihres nicht leicht zu verdauenden Themas mit wortwörtlich gespielter Leichtigkeit daherkommt, schon sehr gute Voraussetzungen; doch der eigentliche Clou des Films liegt nicht in seiner Story, die zwar das Herz des ganzen Projekts bildet, aber nichts wäre ohne Jene, die den Figuren Leben einhauchen und damit die Seele des Films bilden. Denn
"THE HELP" lebt vor allem von seinem nicht zu Unrecht mehrfach ausgezeichneten Ensemble, das gekonnt die Brücke schlägt zu der abstrakten Vorstellung einer Welt, die für die heutige Generation schon fast unvorstellbar weit zurückliegt. Hier wird eben keine singuläre Episode in der Geschichte präsentiert, die uns heute nicht mehr betrifft; vielmehr geht es um persönliche Schicksale in einer erbitterter Schlacht um das schlichte Recht auf ein menschenwürdiges Leben, die bis heute nachhallt, sogar noch immer stetig weitergeführt werden muss. Und dies wird allein durch die enorme Präsenz, das Einfühlungsvermögen und die Glaubwürdigkeit der Darsteller klar – Der weiblichen, wohlgemerkt, denn angesichts so vieler starker Frauenfiguren und der überzeugenden Verkörperung ebendieser verblassen die männlichen Ensemble-Mitglieder leider mehr als nur ein wenig.
Am ehesten bleibt da noch
Chris Lowell ("Private Practice") in Erinnerung, doch das ist weniger seinem stattlichen Auftreten als vielmehr der kaum bis gar nicht nachvollziehbaren Wende in seiner Figurenentwicklung zu verdanken, die das einzige Manko in der sonst überzeugenden Charakterriege darstellt. Sehr viel glaubwürdiger und vor allem spannender sind dagegen
Emma Stone ("
Zombieland") als Skeeter, die uns eine ambitionierte, engagierte und selbstbewusste, aber dennoch auch mal an sich zweifelnde junge Frau näher bringt, sowie
Bryce Dallas Howard ("
The Village") als Hilly, die das Klischee einer Vorzeige-Ehefrau gekonnt auf die Spitze treibt und sich in der Rolle dieser so sehr um Etikette und die Aufrechterhaltung einer langsam aber sicher bröckelnden Fassade bemühten Frau ohne zu zögern opfert und ihre Figur der Lächerlichkeit preisgibt. Für gewollte Lacher sorgen unterdessen
Octavia Spencer ("
Halloween II"), deren Figur mitunter zwar etwas klischeehaft, deswegen aber nicht weniger real wirkt und die mit ihrer ungestellten Offenheit ohne Mühe die Sympathien der Zuschauer gewinnt, sowie nicht zuletzt
Sissy Spacek ("Carrie"), die einen erfrischenden Gegensatz zur steifen Vorstadt-Idylle bildet und mal herrlich sarkastisch, mal liebenswert verwirrt daherkommt.
Das beste Beispiel für die spielerisch erreichte Authentizität des Films aber sind zwei Frauen, welche die Geschichte und den Film über weite Strecken dominieren: Zum einen wäre da
Jessica Chastain ("The Tree of Life") in einer Rolle, deren überschäumender Enthusiasmus in Sekundenschnelle ansteckt und inmitten der erstickenden Atmosphäre von Vorurteilen und Rassismus eine erleichternde Heiterkeit mitbringt. Ihre Figur der Celia Foote, einer in vielerlei Hinsicht naiven Frau, mag auf den ersten Blick eindimensional und vorhersehbar erscheinen, versteckt jedoch hinter der Fassade eines unbedarften Modepüppchens eine in ihrem Leben verlorene Seele, deren Warmherzigkeit nichtsdestotrotz mühelos alle Schranken gesellschaftlicher Konventionen einreißt. Jessica Chastain verkörpert diese Rolle so allumfassend, dass man sie von ihrem ersten Auftreten an einfach lieben muss. Und zum anderen bleibt noch das zweifelsohne wichtigste Puzzleteil in diesem insgesamt großartigen Ensemble:
Viola Davis ("
Disturbia"), die ohne sichtbare Anstrengung für einige der emotionalsten Momente sorgt. In ihrer Rolle als Aibileen Clark porträtiert sie offenbar mühelos eine vom Leben gezeichnete Frau, die trotz schwerster Schicksalsschläge ihre Güte, Fürsorge und innere Kraft nicht verloren hat, auch wenn sie zeitweise unter tiefer Trauer begraben scheinen. So schafft sie es, uns ein trauriges Schicksal näher zu bringen, welches stellvertretend für jene unzähliger Frauen in derselben Situation steht und gerade deswegen so nahe geht.
Natürlich sind auch bei
"THE HELP" kritische Stimmen laut geworden, die der Buchvorlage und damit auch der Kinoversion Ungenauigkeit vorwerfen. So sei der als eine Geschichte über den Kampf um Gleichberechtigung und schrittweise Triumphe in ebendiesem gefeierte Film unter anderem eine stereotype Darstellung des afro-amerikanischen Mannes als unzuverlässiger und/oder gewalttätiger Ehemann – Allerdings muss man daraufhin festhalten, dass die Herren der feinen Gesellschaft auch nicht gerade als Musterehemänner präsentiert werden. Außerdem seien die hier gezeigten rassistischen Übergriffe nur die Spitze des Eisbergs und die wirklichen Probleme dieser und vergangener Zeiten seien – ob für eine bessere Vermarktung des Films oder aus mangelndem Mut – verschwiegen worden. So zeigt dieses Beispiel einmal mehr, dass jedes noch so bejubelte Werk immer auch Kritiker auf den Plan ruft, und daran ist absolut nichts auszusetzen. Man mag tatsächlich mangelnde Konsequenz in
"THE HELP" finden, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass der Film eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und Feindschaft, Loyalität und Verrat, Intrigen und unangenehme Wahrheiten erzählt – Und vor allem darüber, wie wichtig es ist, aufzustehen und sich nicht nur für sich selbst, sondern vor allem für Andere einzusetzen.
Das mag dem Einen oder Anderen übermäßig pathetisch erscheinen, doch im Endeffekt ist
"THE HELP" vor allem eines: Eine mitreißende Frauengeschichte ohne all jene negativen Stereotypen, die gewöhnlich mit diesem Begriff verbunden sind, und eine hinreißende Erzählung, die noch zu einem Zeitpunkt nachwirkt, an welchem andere längst in Vergessenheit geraten sind.