AUF BLITZ FOLGT DONNER
„What are you, the god of hammers?“
Man stelle sich einmal vor, es wäre „
Civil War“, und keiner geht hin. Zwar konnte sich
Marvels erfolgreicher Schlagabtausch 2016 am Ende nicht gerade über mangelnden Zuspruch beklagen, doch dass mit Donnergott Thor und dem grünen Wüterich Hulk die zwei größten Haudraufs der schlagfertigen Seitenwahl fernblieben, schmerzte dann doch irgendwie (auch wenn sie aus der letztlich 140 Minuten dauernden Klopperei wohl schnell einen Kurzfilm gemacht hätten). Warum die zwei nicht auftauchten, klärt nun
Taika Waititis überraschend andersartiger
„THOR: TAG DER ENTSCHEIDUNG“, in dem Thor, Wüterich Hulk und etliche weitere illustre Gestalten voller Spielfreude über 130 Minuten ihr komödiantisches Talent unter Beweis stellen, ohne ihre jeweiligen Charaktere der Lächerlichkeit preiszugeben.
„So much has happened since I last saw you!“, erklärt Gott Thor (Chris Hemsworth) seinem sichtlich angefressenen
Avengers-Partner Hulk (Mark Ruffalo), als er diesem zum Gladiatorenkampf auf einem fremden Planeten gegenübersteht, und führt weiter aus: „I lost my hammer, like yesterday, so that is still pretty fresh. Then I went on a journey of self-discovery. Then I met you.“ Dieser von Todesgöttin Hela (Cate Blanc
hett) herbeigeführte und unfreiwillige Zwischenstopp Thors hat also doch noch was Gutes: Im Team mit dem Hulk stehen die Chancen deutlich besser, die drohende Götterdämmerung abzuwenden und des Donnergottes Heimat Asgard zu retten. Doch wie überzeugt man bloß den Wissenschaftler Bruce Banner, der sich schon seit Monaten im Hulk-Modus befindet (und es so zu einer echten Gladiatoren-Berühmtheit gebracht hat), davon, hier mitzumischen?
Da steht er nun, der arme Thor, mit ohne Hammer arm wie nie zuvor. Was für eine prekäre Ausgangslage, die uns
„THOR: TAG DER ENTSCHEIDUNG“ hier als hoch budgetierte Götterspeise kredenzt. Aber irgendwann musste es ja schließlich so kommen. Denn wo ein Blitz zuckt, ist meist auch der nachhallende Donner nicht weit. So war es nach dem blitzgescheit als trashige Shakespeare-Variante konzipierten Einstieg in „
Thor“ [2011] und der blitzschnell bestätigten Fortsetzung „
Thor – The Dark Kingdom“ [2013] nur eine Frage der Zeit, bis das Crescendo folgen würde. Dieses hört im Original passenderweise auf den Namen
Ragnarök, der mal eben das große Götter-Sterben verheißt. Zu allem Überfluss kündigte auch schon der Trailer
„Asgard is dead“ an, und wir wissen ja alle, dass Trailer nicht lügen. Niemals. Von daher war es nur konsequent, dass „5 Zimmer Küche Sarg“-Regisseur Taika Waititi seinen Einstieg ins
Marvel-Universum als locker-leichte Komödie inszeniert, in der ein Lacher auf den nächsten folgt. Denn Namen existieren zwar, können aber immer noch Schall und Rauch sein, mit denen sich Donner ja auch recht gut versteht. Konsequenter kann man ein Thema also nicht verfehlen. Alles richtig gemacht!
Diese Ambivalenz zwischen Erwartetem und den letztlich gelieferten Inhalten ist Dreh- und Angelpunkt von
„THOR: TAG DER ENTSCHEIDUNG“, der sich mehr noch als seine direkten Vorgänger auf den der Mythologie innewohnenden Trash-Charme bezieht und diesen bis zur Grenze ausreizt. So gerät selbst die nahende Götterdämmerung zum ironisch gebrochenen Stelldichein der gelungenen Zitate, das immer wieder mit wirklich lustigen Slapstick-Momenten und herrlich an der Grenze zur Selbstkarikatur wandelnden Protagonisten um den ersten Platz im Spaß-Olymp kämpft. Hierbei ist es wichtig, bewusst von „an der Grenze“ zu sprechen, da es ein Leichtes ist, zu viel zu wollen, eine Kunst aber, das Maß der Vernunft einzuhalten, und sei es auch nur um Haaresbreite. So erleben wir einen regelrecht entfesselten
Chris Hemsworth als Donnergott mit modischer Kurzhaar-Frisur (Keine Mähne macht auch einen Thor), der so ausgelassen wie noch nie zuvor die komischen Seiten (s)eines Asen auslotet. Dass er dabei nur zu Anfang seinen mächtigen Hammer Mjölnir schwingen darf, auf den er sich zuvor immer verlassen konnte – geschenkt. Denn manchmal muss erst das lieb gewonnene Spielzeug weggenommen werden, damit endlich eingesehen wird, dass das Dasein auch ohne es lebenswert und zu bestreiten ist.
Ja, abgesehen vom Gag-Feuerwerk, das sich gerade in den Momenten mit
Mark Ruffalo in ungeahnte Komödien-Sphären aufschwingt, weiß der trashige 90er Jahre-Sci-Fi-Charme des Films, den Komponist
Mark Mothersbaugh mit einem minimalistischen Synthie-Score kongenial zur Geltung bringt, auch mit etwas ernsteren Momenten aufzuwarten, die das heitere Geschehen immer dann unterbrechen, wenn es droht, vollends dem Humor anheim zu fallen. Lachen ist ja schön und gut, aber die Charakterzeichnung sollte darunter nicht leiden.
„THOR: TAG DER ENTSCHEIDUNG“ geht hier zwar auch nur den Weg des geringsten Widerstandes, lässt seine Helden aber immerhin insofern reifen, als dass am Ende ein Jeder zu sich selbst und die
Thor-Reihe im Ganzen zu einem würdigen Abschluss findet. Alles andere, vor allem eine deutlich ernsthaftere Auseinandersetzung mit dem Thema, wäre bloße Makulatur, die unserem beliebten Donnergott einfach nicht gut zu Gesicht gestanden hätte. Das hatte bei „
Thor“ ja auch schon Kenneth Branagh verstanden.
So darf die wunderbare
Cate Blanchett in der Rolle der Hela als erste
Marvel-Bösewichtin ordentlich die Krallen ausfahren,
Tom Hiddleston als Loki herrlich undurchschaubar wie immer sein charmantes Grinsen präsentieren, und selbst Neuzugang
Tessa Thompson als Valkyrie kann mit ihrer Performance (und der wohl besoffensten Einführung eines
Marvel-Charakters aller Zeiten) eine starke Duftmarke setzen. Den Vogel ab schießen aber zwei Stars aus der zweiten Reihe: Da wäre zum einen
Jeff Goldblum, der einen herrlich überzogenen Initiator der Gladiatorenkämpfe gibt, den man so auch in einem Asterix-Comic vorfinden könnte und der eigentlich nur noch mit Weintrauben gefüttert werden müsste, um die Illusion des Alten Roms wiederaufleben zu lassen. Großartig. Zum anderen gebührt diese Ehre dem steinigen Außerirdischen Korg, der sich wie Thor in Gladiatorenkämpfen beweisen muss (und den Comic-Fans unter uns bereits aus dem Mehrteiler „Planet Hulk“ kennen). Seine naive Art, gepaart mit seinem massiven Äußeren und der lustigen Fistelstimme, evoziert immer wieder Lacher, die zuweilen die Tränen in die Augen treiben. Regisseur Taika Waititi spricht diesen Charakter übrigens im Original selbst.
Was bleibt also vor der Götterdämmerung noch festzuhalten? Dass
„THOR: TAG DER ENTSCHEIDUNG“ abseits des etwas altbackenen, deutschen Titels eine komödiantische Frische an den Tag legt, die vielleicht eingangs irritieren mag, ab der dritten Lachsalve dann aber vollends überzeugt. Hierfür tragen selbstironisch agierende Darsteller, zahlreiche gelungene Cameos, gelungene Effekte und eine Inszenierung Sorge, die die Comicvorlage nicht verleugnet, sie aber auch nicht über alle Maßen huldigt. Vielmehr entlockt sie dem Götter-Treiben nunmehr das, was ihm schon seit jeher innewohnte: unbändiger Spaß im trashig-skurrilen Action-Korsett, der seine Charaktere nichtsdestotrotz ernst nimmt und die Figurenzeichnung mit teils brachialer Konsequenz vorantreibt. Denn dieses Ende haben auch wir so beim allerbesten Willen nicht kommen sehen.
Potzdonner!
Fazit: Oh ja! „THOR: TAG DER ENTSCHEIDUNG“ ist mit Leichtigkeit der beste Thor-Film der Trilogie – erfrischend wie die „Guardians of the Galaxy“, übermütig wie „Ant-Man“, zuweilen skurril wie „Doctor Strange“ und ob der kurzweiligen Rasanz der Geschehnisse der erste 90-Minuten-Film (gefühlt), der 130 Minuten dauert. Das hat echt Spaß gemacht!
Das bisherige MCU, bei uns ausführlich rezensiert:
„Iron Man“ [2008], „Der unglaubliche Hulk“ [2008], „Iron Man 2“ [2010], „Thor“ [2011], „Captain America: The First Avenger“ [2011], „The Avengers“ [2012], „Iron Man 3“ [2013], „Thor – The Dark Kingdom“ [2013], „Captain America 2: The Return of the First Avenger“ [2014], „Guardians of the Galaxy“ [2014], „Avengers: Age of Ultron“ [2015], „Ant-Man“ [2015], „The First Avenger: Civil War“ [2016], „Doctor Strange“ [2016], „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ [2017], „Spider-Man: Homecoming“ [2017]
Cover: © Marvel Studios 2017