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München

München

Ein Film von Steven Spielberg

5. September 1972: Palästinensische Terroristen schleichen sich in Münchens Olympiadorf und nehmen 11 israelische Olympioniken als Geiseln. Die Aktion endet in einem blutigen Massaker, doch die Täter kommen ungestraft davon. Der israelische Geheimdienst Mossad schwört Rache: ein Agententeam rund um den unerfahrenen Avner Kaufman erhält eine Liste mit 11 Namen von führenden Palästinensern, die liquidiert werden sollen. Schon bald bekommt Avner Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihrer Mission, und im undurchsichtigen Umfeld von Informanten, Geheimdiensten und Terroristen müssen schon bald viele weitere Menschen ihr Leben lassen...

Erneut widmet sich Steven Spielberg einem historischen Stoff an. Wo Der Soldat James Ryan ein fiktives Geschehen vor einem historischen Hintergrund präsentierte, benutzt Spielberg in München eine angeblich wahre, aber unbewiesene Geschichte (dazu gleich mehr). Historischer Fakt ist aber das Olympia-Attentat auf die Spiele in München 1972. Ein palästinensisches Kommando nahm 11 israelische Sportler als Geiseln, und erschoss noch im olympischen Dorf zwei von ihnen. Die Palästinenser forderten die Freilassung von mehreren hundert Gesinnungsgenossen, darunter auch Andreas Baader und Ulrike Meinhoff. Als die deutschen Verhandlungsführer mehrere Ultimaten verstreichen ließ, forderten die Geiselnehmer des „Schwarzen Septembers“ (so der Name der Terrororganisati
on) ein Flugzeug nach Kairo, was ihnen auch genehmigt wurde. Begleitet von Kamerateams fuhr ein Bus die Geiselnehmer mitsamt Geiseln zu zwei bereitstehenden Hubschraubern und von dort ging es nach Fürstenfeldbruck, wo das Flugzeug wartete. Dies entpuppte sich aber als Falle und die deutschen Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer, was in einem Massaker endete: 5 Geiselnehmer sterben, ein deutscher Polizist kommt durch einen Querschläger ums Leben. Alle verbliebenen 9 Geiseln werden von den Terroristen hingerichtet oder in die Luft gesprengt. Drei Geiselnehmer können festgenommen werden, aber können nach knapp 7 Wochen Gefängnis durch die Entführung einer Lufthansa-Maschine freigepresst werden. Sie reisten nach Lybien aus und wurden dort als Helden gefeiert.
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Soweit die historische Realität, welche von Steven Spielberg zum größten Teil auch in seinem Film korrekt wiedergegeben wird. Nach der Geiselnahme von München verübte der israelische Geheimdienst Mossad mehrere Anschläge auf führende Palästinenser, aber da das eine geheime Operation war, ist die Faktenlage hier sehr dunkel. Spielbergs Film basiert auf dem Buch „Vengeance. The True Story of an Israeli Counter-Terrorist Team“ (dt.: Die Rache ist unser) des kanadischen Journalisten George Jones, welches bereits 1986 verfilmt wurde. Die Glaubwürdigkeit des Buches ist jedoch mehr als fraglich, da unter anderem die Aussagen von Juwal Awiw als Grundlage genommen wurden, der sagte, er wäre ein Agent des Mossad. Dies konnte jedoch von Gerichten widerlegt werden, und auch der Mossad selbst stritt dies ab. Daher scheint es fragwürdig, die Geschehnisse des Films für bare Münze zu nehmen, andererseits haben auch mehrere Mossad-Mitarbeiter erklärt, dass Spielbergs Darstellung größtenteils korrekt ist. Ergo bleibt es schwierig bei dem Film zu unterscheiden, was Fiktion und Realität ist, ein Vorwurf, der Spielberg oft gemacht wurde. Er selbst beruft sich auf seine künstlerische und dramaturgische Freiheit, und dass er keine Dokumentation drehen wollte, sondern eben einen Spielfilm. Zusammenfassend gab es also die Geiselnahme, sowie die Vergeltungsaktion Israels, jedoch sind die genauen Umstände hier unklar. Doch Spielberg geht es in München auch nicht um einen historisch korrekten Agententhrilller in meinen Augen.

Denn wirklich nervenaufreibend spannend wird das Geschehen eigentlich nie. Der Film hat, wie man es vom Regisseur schon gewohnt ist, natürlich wieder Überlänge und bringt es immerhin auf stolze zweieinhalb Stunden Spielzeit. Beeindruckend hierbei ist aber, dass der Film dabei eigentlich nie langweilig wird, und das obwohl trotz der komplexen Geschichte und der langen Laufzeit das Geschehen eigentlich immer übersichtlich bleibt und sich nie in zu vielen parallelen Handlungssträngen verliert – Applaus für den Regisseur! Dieser benutzt auch einen weiteren Kunstgriff, der vor allem dramaturgisch Sinn macht, da er den potentiellen Klimax des Films, die Geiselnahme von München, nicht gleich am Anfang verballert, was natürlich chronologisch aber nicht dramaturgisch Sinn machen würde. Spielberg löst dieses Problem einigermaßen elegant, indem er die Geiselnahme in mehrere Sequenzen unterteilt und diese immer wieder in Alpträumen des Protagonisten Avner weiter erzählt. Das Massaker am Flughafen steht somit am Ende des Films, obwohl seit ihm eigentlich schon mehrere Monate vergangen sind. Trotzdem kann der Film dadurch seine Spannung halten, da der Klimax eben – wie es sich gehört – erst am Ende des Films zu finden ist.
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Aber trotz der guten Konstruktion des Spannungsbogens muss man dem Film aber auch ankreiden, dass er vor allem im Mittelteil leicht redundant wirkt. Wir bekommen immer wieder den gleichen Ablauf zu sehen: Avner und sein Team bekommen eine neue Zielperson, bereiten den Anschlag vor, und führen ihn dann auch aus. Ich persönlich habe damit kein Problem, da die Attentate sich selten wiederholen, abwechslungsreich und eigentlich immer anders sind, jedoch tritt die Handlung hier oft auf der Stelle, so dass sich so mancher Zuschauer doch die Frage stellen könnte, warum Spielberg hier nicht kürzt, oder aber den storytechnischen Leerlauf besser kaschiert. Doch auch wenn die Handlung durch diese Art der Inszenierung nur schleppend voran kommt, dient sie doch einem anderen Zweck: Spielberg zeigt hier, wie Avner immer weiter an seinen Taten zerbricht und abstumpft. Wo die beiden Agenten beim ersten Anschlag noch zögernd die Identität des Ziels überprüfen, und ihn schweißgebadet und zittern letztendlich hinrichten, werden die Abläufe mit der Zeit immer professioneller, kaltblütiger und blutiger, so dass auch manch Nebenperson im Kugelhagel ihr Leben lässt – wodurch Spielberg den Fehler die sogenannte Lillehammer-Affäre nicht anzusprechen wieder teilweise ausbügelt. Parallel zur Abstumpfung des Teams wird Avner immer mehr von Gewissensbissen geplagt, und nicht nur sein Leben und das seiner Familie, sondern auch das Leben seiner Kollegen ist schon bald in Gefahr. Auch hier übertreibt Spielberg es aber manchmal mit der Agentengeschichte, so dass manche Entwicklung und Verstrickung eventuell ein kleines Stück zu konstruiert wirkt.

Doch trotz diesen kleineren Mängeln muss man festhalten, dass Spielberg eine – in meinen Augen – schlichtweg großartige Studie von Gewalt und ihren Ursprüngen gelungen ist. Spielberg vertritt die These, dass Gewalt und Gegengewalt in einer immer stärkeren Spirale miteinander verzahnt sind, eine Ansicht, die man sicherlich eher schwer bestreiten kann. Damit vertritt er zwar keine wirklich neuen Positionen, aber dadurch, dass er die Taten der Israelis bei weitem nicht glorifiziert oder als gerecht darstellt, ist „München“ ein ungemein pazifistischer Film geworden, trotz der stellenweise sehr blutigen und gewalttätigen Szenen, die zwar nie die Exzesse eines James Ryan annehmen, aber trotzdem sehr hart, dreckig und direkt rüberkommen. Bemerkenswert ist auch, dass Spielberg den Palästinensern für ihre Motive Platz einräumt und eine moralische Bewertung aussen vorlässt – eine Tatsache, für die er viel Prügel einstecken musste. Verstärkt wird dies noch, dass die Palästinenser und die Israelis mit fast exakt den selben Worten ihre Ansprüche belegen. Spielberg bezieht hier keine Stellung, wofür er sich auch schlimme Vorwürfe anhören musste, doch meiner Meinung nach war dies genau der richtige Weg. „München“ ist weder ein historischer, noch ein besonders politischer Film, sondern viel mehr ein zutiefst menschlicher und pazifistisches Stück Zelluloid. Den Abschluss bildet dann eine sehr kontroverse, aber auch sehr gelungene Einstellung, die ich hier aber ungern vorwegnehmen möchte.
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Bei der Crew des Films gibt es natürlich relativ wenig Überraschungen. Spielberg hat wieder seine Stamm-Mitarbeiter um sich geschart, die den Film zu einem technischen Meisterwerk machen. Kameramann Janusz Kaminski fotografiert den Film hervorragend, ohne sich in vordergründigen Kameraspielereien zu verlieren, was auch überhaupt nicht zu der Stimmung des Films gepasst hat. Stammcutter Michael Kahn sorgt mit seinem scharfen Schnitt für Übersicht, und John Williams hat einen angenehm zurückhaltenden Score komponiert. Darüberhinaus funktioniert „München“ auch noch als absolutes Schauspielerkino. Spielberg hat ein fantastisches Ensemble auf die Beinde gestellt, mit Eric Bana (Hulk, Black Hawk Down), Daniel Craig (Casino Royale, Der Goldene Kompass), Hanns Zischler (Die fetten Jahre sind vorbei), Ciarán Hinds (There will be Blood, Das Phantom der Oper) und Mathieu Kassovitz (Die fabelhafte Welt der Amelie, Regie von Die purpurnen Flüsse). In weiteren Rollen spielen Geoffrey Rush, Michael Lonsdale, Moritz Bleibtreu, Meret Becker, Marie-Joseé Croze und Guri Weinberg, der seinen damals getöteten Vater Moshe spielt.

Die DVD ist dafür eine absolute Enttäuschung. Es gibt insgesamt ca. 17 Minuten an Extras, und das wars dann auch schon. Dass Spielberg keine Audiokommentare spricht ist bekannt aber schade. Aber bei einem Film mit einem historischen Thema kann es eigentlich kein großes Problem sein, Extras zu produzieren. Hier hätte man reichlich Material zum historischen Hintergrund einbinden können, doch diese Chance bleibt ungenutzt. Das Bild und der Ton können zwar überzeugen, vor allem bei Explosionen arbeitet der Subwoofer ganz schön. Somit bleibt eine technisch gute, aber ausstattungsmäßig absolut enttäuschende Veröffentlichung.

Fazit: Mit „München“ ist Steven Spielberg ein überraschend kontroverser aber auch wichtiger Film gelungen. Technisch ist das natürlich wieder hervorragend, „München“ ist großartiges Schauspielerkino und eine tiefe Meditation über Gewalt und Gegengewalt. Den Film kann man sicherlich für vieles kritisieren, aber wenn man ihn als fiktive Geschichte vor historischem Hintergrund sieht, dann ist der Film für großes Big-Budget-Kino überraschend offen, tiefgehend und nachdenklich.

Eine Rezension von David Kugler
(28. Mai 2008)
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Daten zum Film
München USA 2005
(Munich)
Regie Steven Spielberg Drehbuch Tony Kushner, Eric Roth, George Jonas
Produktion DreamWorks SKG, Amblin Entertainment Kamera Janusz Kaminski
Darsteller Eric Bana, Daniel Craig, Ciarán Hinds, Mathieu Kassovitz, Hanns Zischler, Geoffrey Rush, Moritz Bleibtreu, Michael Lonsdale
Länge ca. 150 min FSK 16
Filmmusik John Williams
Kommentare zu dieser Kritik
Bastian TEAM sagte am 28.05.2008 um 19:24 Uhr

...ich tendiere dazu zu sagen, dass das Spielbergs Bester ist! Spannend, genial gespielt und provozierend!
Damocles TEAM sagte am 16.07.2009 um 15:18 Uhr

MÜNCHEN läuft heute zur (wie immer im Ersten) besten Sendezeit unter der Woche um 23:30 in der ARD.

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