„You shouldn't think of her as being a woman. That would be a mistake.“
DIE WAFFEN DER FRAU. Die (Agenten-)Welt liegt im Argen, um nicht zu sagen:
It's all haywire – Es geht alles drunter und drüber im neuen Thriller des vielseitig begabten Regisseurs
Steven Soderbergh („
The Girlfriend Experience“ [2009]). Innerhalb nur weniger Minuten regiert hier bereits das totale Chaos. Ein undurchsichtiges Geflecht aus Lügen und offenen Fragen. Und mittendrin eine einzelne Frau, die mal ordentlich aufräumt.
Kurz zuvor: Mallory Kane (Gina Carano) ist im Auftrag der Regierung als Geheimagentin auf der ganzen Welt unterwegs und erledigt Jobs, von denen andere lieber die Finger lassen sollten. Einer, der die Befreiung einer chinesischen Geisel zum Ziel hat, läuft jedoch gehörig aus dem Ruder. Verraten aus den eigenen Reihen, findet sich die kampferprobte Amazone plötzlich als Gejagte wieder, der Profikiller und die Behörden das Leben unnötig schwer machen. Wer hat sie hintergangen? Aus welchem Grund? Wer ist Freund, wer Feind? Mallory ermittelt kurzerhand auf eigene Faust und lässt dabei selbige mit Nachdruck sprechen. Kalt, hart und absolut erbarmungslos.
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Mit dieser Frau sollte man(n) sich besser nicht anlegen. Die von Steven Soderbergh für die Hauptrolle gecastete
Gina Carano mag schauspielerisch bisher zwar wenig in Erscheinung getreten sein, dafür ist ihre eindrucksvolle Physis umso bekannter. Die ehemalige Mixed-Martial-Arts-Kämpferin, die siebenmal als Siegerin aus dem Ring trat, weiß genau, was sie tut, wenn sie hier vor der Kamera zuschlägt, quetscht und bricht. Unerbittlich hält die Kamera auf die unzähligen Auseinandersetzungen, die trotz (oder gerade wegen?) der zurückhaltend-kühlen Inszenierung, die zu keinem Zeitpunkt hektische Schnitte bemüht, enorm kraftvoll daherkommen. Der Zuschauer behält stets den Überblick, was durchaus als Vorteil zu werten ist, jedoch aufgrund der wenig variierten Kampfmuster auch die leichte Gefahr der allzu schnellen Abnutzung birgt. Hinzu kommt, dass Soderbergh seine Kampfamazone jederzeit derart in den Mittelpunkt rückt, dass schlichtweg (fast) kein Platz für ebenbürtige Gegner bleibt. Wer sollte es mit ihr rein chancentechnisch auch aufnehmen können? Ein Los, das
„HAYWIRE“ mit etlichen anderen Filmen teilt, in denen Ein-Mann- respektive Eine-Frau-Armeen einen Pfad der Verwüstung hinterlassen. Und in der Tat: Caranos brachialer, aber schick gefilmter Durchmarsch zu den ominösen Hintermännern des obligatorischen Komplotts, mit dem sich scheinbar jeder Geheimagent zwischen
Bond und
Bourne einmal herumschlagen muss, fügt dem altbekannten Rachefeldzug-Schema wenig Neues zu. Dies kann auch Soderberghs kühle Regie nicht kaschieren, die teils im hippen Experimentell-Modus gehalten ist, denn Knochenbrüche bleiben eben immer doch nur Knochenbrüche.
Es sind immerhin prominente Knochenbrüche, die der unter seiner Oberfläche arg konventionelle Agentenfilm aufbietet, aber leider auch nicht mehr. Große Namen wie
Ewan McGregor („
Trainspotting“ [1996]),
Michael Douglas („
Wall Street“ [1987]) und
Michael Fassbender („
Shame“ [2011]) dienen hier lediglich dazu, entweder als solide agierendes Kanonenfutter oder als Lückenfüller für das eine überraschend simple Geschichte unnötig verkomplizierende Script abgefertigt werden. Wer mehr erwartet, sitzt definitiv im falschen Film, denn
„HAYWIRE“ ist ein typischer Blender. Er hat zweifellos seine Momente, kann aber weder als Fisch noch als Fleisch bezeichnet werden. Als Actionfilm erscheint er trotz offensiver Herangehensweise schlichtweg zu bieder, und als waschechter Agententhriller funktioniert er aufgrund seines Drehbuchs, welches nur das enge Korsett für die zahllosen Kampfsequenzen bereithält, allenfalls nur bedingt. Bricht dies dem Film das Genick? Nein, das nicht. Macht es ihn zu etwas Besonderem? Auch das ist nicht der Fall.
„HAYWIRE“ spielt nicht einmal offen mit den Erwartungen des Zuschauers, sondern zieht seinen wüsten Mix eisern durch, ohne sich üblichen Sehgewohnheiten unterwerfen zu wollen. Das ist nicht neu, nicht einmal originell, das ist mutig. Und im Falle des Regie-Einzelkämpfers Soderbergh irgendwie konsequent, wenn auch nicht besonders überraschend. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Kampf, dessen Ausgang ein kalkuliertes Risiko darstellt, nach außen vor die Leinwand verlagert. Da kann die weibliche Schützenhilfe auf Zelluloid noch so kraftvoll sein: Am Ende bleibt doch nur der Versuch, sich abzuheben. Und das ist dann zuweilen nicht nur mutig, sondern leider auch eines: bemüht.
Fazit: Steven Soderberghs
„HAYWIRE“ ist perfekt in Szene gesetztes, aber unter seiner extravaganten Fassade auch reichlich konventionelles Genre-Kino, das kühl mit den Versatzstücken des klassischen Agentenfilms jongliert, nur um am Ende eine ganz eigene, eigenwillige Note zu setzen. Nicht perfekt, aber auch beileibe kein heilloses Durcheinander.
Bilder: © 2012 Concorde Filmverleih GmbH