Nach unzähligen unnötigen Fortsetzungen, die John Carpenter`s Horrorklassiker
Halloween - Die Nacht des Grauens (1978) erlebt, man muss fast schon sagen- “erlitten”- hat, war Steve Miner`s “H20” von 1998 der erste Film der langlebigen Schlitzer- Reihe, der es zumindest im Ansatz mit dem fantastischen Original aufnehmen konnte. Wurde in den Teilen vier, fünf und sechs nur mehr oder weniger eine Geschichte auf recht ermüdende Art und Weise variiert und bekam man im dritten Teil, dem totalen Rohrkrepierer der Serie, Kultfigur Michael Myers noch nicht einmal zu Gesicht, tat der nunmehr siebte “Halloween”- Film das einzig Richtige, indem er den Reset- Knopf drückte und alles, was nach “Halloween II” (1980) passierte, konsequent missachtete. Miner`s Neuanfang- zeitlich 20 Jahre nach den Ereignissen aus Carpenter`s Original angesiedelt- erreicht dabei selbstredend nicht die bedrückende Atmosphäre und subtile Spannung des großen Vorbilds, dennoch ist aus “Halloween: H20” ein fetziger, rasanter Teenie- Slasher für eine neue Kino- Generation geworden, der mit seiner knackigen Laufzeit von knapp anderthalb Stunden keine Sekunde langweilt und schlicht und einfach alles mitbringt, was der Horrorfreund sich wünscht.
Laurie Strode (Jamie Lee Curtis, “True Lies“, “Ein Fisch namens Wanda“) hat mit den damaligen Vorkommnissen in Haddonfield, als ihr Bruder, der Se
rienkiller Michael Myers, aus der Psychiatrie ausbrach und Jagd auf sie und ihre Freundinnen machte, nur scheinbar abgeschlossen. Sie hat ihren Namen in Keri Tate geändert, lebt mit ihrem Kollegen Will Brennan (Adam Arkin) zusammen und arbeitet an einer Elite- Highschool, welche auch ihr Sohn John (Josh Hartnett, “The Virgin Suicides“, “Pearl Harbor“) und dessen Freundin Molly Cartwright (Michelle Williams,
Brokeback Mountain, “I`m Not there“) besucht. Dabei ahnt die traumatisierte Internatsleiterin jedoch nicht, dass Michael schon auf dem Weg zu ihr ist, um das zu Ende zu bringen, was er damals versäumt hat. Bald schon stapeln sich die ersten Leichen…
Nach den äußerst verunglückten Prequels, welche den Kult- Schlitzer Michael Myers zu reinen Kommerzzwecken fast schon zur Witzfigur degradierten und über die an dieser Stelle kein überflüssiges Wort mehr verloren werden sollte, kehrte Steve Miner, der mit dem zweiten und dritten Teil von Freitag, der 13 als Regisseur schon Erfahrung in diesem Bereich gesammelt hatte, zu den Wurzeln zurück und präsentierte mit “Halloween: H20” einen zwar konventionellen, aber keineswegs dümmlichen Vertreter der Reihe. In seiner Variation des Stoffes erhält Myers zum ersten Mal so etwas wie Kontur, obwohl sich sein Gesicht durchgehend hinter der Maske verbirgt. Das liegt sicherlich daran, dass Miner hier versucht hat, die vage Identität des Killers ein wenig nahe zu bringen. Zwar erscheint Michael weiterhin als das wie eine Maschine mordende, seelenlose Phantom, doch ist dem unbarmherzigen Schlitzer hier deutlich mehr beizukommen als noch in den Sequels. Exemplarisch dafür ist eine Szene, in der zwei Polizisten das Arbeitszimmer von Myers` behandelndem Arzt Dr. Loomis durchstreifen, in welchem sich eine ganze Collage von Bildern, Zeichnungen und Zeitungsartikeln über den irren Serientäter befindet. Der Regisseur lässt sich viel Zeit für eine stilvolle Einführung mitsamt atmosphärischem Vorspann, um dann langsam aber sicher auf den Höhepunkt und somit das Aufeinandertreffen von Michael und seiner Schwester Laurie zuzusteuern.
Stilistisch unterscheidet sich “Halloween: H20” deutlich vom Original. Die Kamera fährt hektisch und ruhelos durch die Fluchtwege der Opfer, die Erzählweise ist insgesamt rasanter und straffer angezogen und keineswegs mehr so ruhig und ausgeglichen wie seinerzeit bei Carpenter. Miner dreht richtig auf und bringt nach einer packenden, psychologisch interessanten ersten Stunde den blutigen Showdown mit beachtlichem Bodycount in rund zwanzig Minuten actiongeladen auf den Punkt. Gestorben wird schnell, kompromisslos, aber mit einem leichten Augenzwinkern. Bisweilen scheint “Halloween: H20” fast schon genüsslich mit den gängigen Textbausteinen des Genres zu jonglieren, wenn Myers beispielsweise den armen Teenager filetiert durch den Aufzug jagt und die Freundin in ungeduldiger Erwartung in den Raum stellt: “Kein Sex vor dem Abendessen!”, bevor sie den entstellten Leichnam ihres Lovers entdeckt. Unkeusches Verhalten bedeutet in Horrorfilmen eben immer noch den Tod. In diesem Zusammenhang zitiert Miner sogar ganz offenherzig den artverwandten Slasher
Scream 2, bevor er den wütenden Killer einen Protagonisten nach dem anderen ins Jenseits befördern lässt. Dieser zielstrebige Rhythmus, den der Film bis zum Ende beibehält, wird begleitet von gekonnten Suspense- Elementen, die Miner mit dem treibenden “Halloween“- Score unterlegt, welcher auch zwanzig Jahre nach seinem ersten Ertönen auf der Kinoleinwand für gesträubte Nackenhaare sorgt.
Schauspielerisch läuft das Ganze auf akzeptablem Niveau ab. Der Star des Films ist natürlich Jamie Lee Curtis, die hier ihren ersten “Halloween”- Auftritt seit 18 Jahren absolviert und den ganzen Film mit ihrer toughen, zwischen Verzweiflung und Entschlossenheit pendelnden Darbietung auf ihren Schultern trägt. Fans wird es ohnehin gefreut haben, “Scream- Queen” Curtis wieder schreien zu hören, Neueinsteiger bekommen dargelegt, was die Tochter von Tony Curtis und Janet Leigh ihrerzeit zur Legende machte. Dass der Film aus dem ausgelutschten “Halloween“- Thema noch eine solche Tiefe herausholt, ist jedenfalls vor allem ihr Verdienst. Die frischen Jungstars wie Josh Hartnett und Michelle Williams machen ihre Sache auch gut, doch “H20” lebt eindeutig von Jamie Lee Curtis und deren Duell mit Michael Myers, das sich zum Schluss immer mehr zuspitzt. Hervorhebenswert ist allerhöchstens noch die Leistung von Adam Arkin als Keri Tates/ Laurie Strodes Liebhaber, während Rapper LL Cool J in seiner Nebenrolle ein paar amüsante Textzeilen zugeteilt bekommt.
Mit seinem Jubiläumsschocker “Halloween: H20” lieferte Steve Miner einen coolen, düsteren, spannenden und- für Genre- Verhältnisse- sogar recht tiefgründigen Horrorfilm ab, der sich stilistisch auf der Höhe der Zeit befindet und als gelungenstes Sequel der “Halloween”- Reihe bezeichnet werden darf, wenn man von Rob Zombies Remake aus dem Jahr 2007 einmal absieht. Nüchtern betrachtet spielt Miner die Klischee- Klaviatur zwar rauf und runter, doch wie er dies tut, ist sehr sympathisch und unterhaltsam. Dass John Carpenter`s kultiger Erstling von `78 nicht getoppt werden kann, war sowieso von vornherein klar, dennoch ist “H20” jedem Fan des Franchises wie des Horrorgenres überhaupt uneingeschränkt zu empfehlen…