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12 Years a Slave

12 Years a Slave

Ein Film von Steve McQueen


„I don't want to survive. I want to live.“


Zwei Sätze, ein Mann, ein schier unbegreifliches Schicksal: Als Solomon Northup in dem dieser Kritik zugrundeliegenden Film obiges Zitat verlauten lässt, sind seine Worte trotz der widrigen Umstände, die sie gebaren, von Hoffnung durchzogen. Es ist eine Hoffnung darauf, dass unheilvoll Begonnenes auch ein gutes Ende nehmen kann, wenngleich die Umstände eher eine gänzlich andere Sprache zu sprechen pflegen. Hiervon berichtet mit enormer Bildkraft und der puren Wucht von Emotionen das biographisch angehauchte Drama „12 YEARS A SLAVE“, das in diesem Jahr mit dem Oscar für den Besten Film ausgezeichnet wurde. Und das ist seine unglaubliche, aber wahre Geschichte:


Saragota / New York, Mitte des 19. Jahrhunderts: Von einem Tag auf den anderen ändert sich das Leben des Afro-Amerikaners Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor) schlagartig. Unter dem Vorwand, dass sein virtuoses Geigenspiel für einen gewinnträchtigen Auftritt gebraucht würde, wird er von zwei Fremden zunächst für ebensolchen engagiert und im Anschluss noch auf einen Drink eingeladen. Am nächsten Morgen findet sich der einst freie Bürger Solomon plötzlich in Ketten gelegt auf einem Sklavenschiff Richtung Louisiana wieder, ohne Erinnerung an die Geschehnisse der letzten Stunden. Der Beginn einer jahrelangen Gefangenschaft unter menschenunwürdigsten Umständen...


> Eine gutgemeinte Warnung vorweg: „12 YEARS A SLAVE“ ist lediglich in optischer Hinsicht ein Genuss, alles Weitere in seiner nicht zu fassenden Abscheulichkeit teilweise derart unerträglich, dass der Zuschauer die Augen abwenden möchte. Denn Regisseur Steve McQueen („Shame“ [2011]) geht nicht etwa den Weg des geringsten Widerstandes, sondern mutet seinem Publikum im Gegenteil Einiges zu. Fast ist man geneigt, zu mutmaßen, dass sich die Grausamkeit, die Solomon während seiner Gefangenschaft widerfährt, scheinbar auch auf den Zuschauer übertragen soll, damit dieser Mitgefühl entwickelt für jene arme, geschundene Seele, die trotz alledem nicht aufgibt und immer wieder hofft, dass sich alles irgendwann noch zum Besseren entwickeln wird. Doch dies ist der falsche Ansatz. Sicherlich kommt der Film sehr grafisch in seiner physischen wie auch psychischen Gewaltdarstellung daher, lässt diese aber glücklicherweise niemals zum bloßen Selbstzweck verkommen, sondern ordnet sie vielmehr der tragischen Geschichte unter, die – davon abgesehen – erstaunlich ruhig erzählt wird. Sie alleine ist Motor genug, das Filmwerk zwei Stunden und auch noch weit darüber hinaus am Laufen zu halten. Denn da sie auf belegbaren Tatsachen basiert, wird sich wohl niemand davon freisprechen können, dass die angeschnittenen Themen gerade in der heutigen, von unterschiedlichsten Konflikten geprägten Zeit eine nicht zu leugnende Brisanz und Wichtigkeit beinhalten.

12 Years a Slave12 Years a Slave12 Years a Slave

Was tut ein eigentlich freier Mensch, wenn ihm diese Freiheit von einem auf den anderen Tag genommen wird? Was für unsereins nur schwer vorstellbar erscheint, bestimmt für Solomon Northup mit einem Mal mehrere harte Jahre lang dessen Lebensinhalt. Wobei es beinahe zynisch anmutet, in diesem Fall noch von einem Leben im herkömmlichen Sinne sprechen zu wollen. Übelst malträtiert von diversen Sklaventreibern, die sich jeweils nur durch noch mehr Grausamkeit als der vorherige voneinander unterscheiden, ist das einzige, was Solomon noch am Leben hält, der feste Wille, zu überleben. Überleben, um nicht zu sterben. Eine vermeintlich einfache Rechnung, die in ihrer Summe jedoch das Ertragen widrigster Umstände und ein Zusammenleben mit Gewalt, Tod und Hoffnungslosigkeit erfordert. Die Grausamkeit des Geschehens wird dabei von Steve McQueen und seinem Drehbuchautor John Ridley („Red Tails“ [2012]) in knappe, aber in ihrer Schärfe jederzeit ins Ziel treffende Dialoge verpackt, während McQueens Stammkameramann Sean Bobbitt („Hunger“ [2008]) mit seinen malerisch-schönen Südstaatenbildern das Seine dazu beiträgt, das Leid durch den bewusst gewählten Kontrast noch einmal besonders hervorzuheben. Und Komponist Hans Zimmer („Lone Ranger“ [2013]) übt sich in diesem an Bildern reichen Drama in ungewohnter Zurückhaltung, indem er nur in prägnanten Momenten teils leise, teils laute und einmal gänzlich unangenehme Töne anschlägt – es passt, auch wenn damit sicherlich einmal mehr kein Innovationspreis gewonnen wird, letztlich zur Grundstimmung dieses pessimistisch anmutenden, im Ganzen aber doch von einem Hoffnungsschimmer durchzogenen Meisterwerk der Neuzeit, in dem Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor („2012“ [2009]) die Vorstellung seines Lebens gibt.


Seine Augen spiegeln zu jeder Sekunde das Leid, die Trauer, die Anstrengung, aber auch einen kleinen Funken Hoffnung, der manch einem unter diesen Umständen schon lange abhanden gekommen ist. Wenn die oscarprämierte Lupita Nyong'o (demnächst in „Star Wars: Episode VII“ [2015] zu sehen) als Patsey ihren Leidensgenossen Solomon unter Tränen anfleht, ihrem noch jungen Leben ein Ende zu bereiten, da sie die Tortur nicht mehr aushält, dann wird das Ausmaß der Sklaverei auf nur schwer zu ertragene Weise fassbar. Und dass ein entfesselter Michael Fassbender („Prometheus - Dunkle Zeichen“ [2011]) als Sklaventreiber Edwin Epps eine durch und durch verachtenswerte Rolle verkörpert, welche zudem noch mit derartiger Präsenz aufwartet, dass man sie bereits in den ersten Minuten hasst, unterstreicht nur noch einmal umso eindringlicher die von McQueen mit diesem Film bezweckte Intention: Durch das Aufrütteln arbeitet er kontinuierlich und wenig zimperlich gegen das Vergessen an und schafft damit am Ende einen tieftraurigen wie auch äußerst dramatischen Film, der trotz all dem Gezeigten nach und nach zu einem der menschlichsten Kino-Beiträge der jüngsten Vergangenheit reift. Das macht ihn vielleicht nicht einzigartig, aber besonders genug, um sein wichtiges Ziel mit letzter Konsequenz verfolgen zu können. Denn ohne Ziel ist der Mensch nur eins: nichts.


Fazit: Ein filmisches Meisterwerk, das wehtut, aber auch gleichzeitig wachrüttelt.


Cover & Szenenbilder: © Tobis Film


Eine Rezension von Stefan Rackow
(22. August 2014)
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Daten zum Film
12 Years a Slave USA 2013
Regie Steve McQueen Drehbuch John Ridley
Produktion Regency Enterprises / River Road Entertainment / Plan B Entertainment / New Regency Pictures / Film4 Kamera Sean Bobbitt
Darsteller Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Lupita Nyong'o, Paul Dano, Garret Dillahunt, Benedict Cumberbatch, Paul Giamatti, Scoot McNairy, Adepero Oduye, Sarah Paulson, Michael K. Williams, Alfre Woodard, Chris Chalk, Taran Killam, Bill Camp, Quvenzhané Wallis, Brad Pitt
Länge 134 Minuten FSK ab 12 Jahren
http://www.foxsearchlight.com/12yearsaslave/
Filmmusik Hans Zimmer
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