Ein Schmetterling schwingt unbeschwert dahin vor dem Hintergrund einer idyllischen Naturwelt. Schwerelos folgt die Kamera dem Insekt, welches, begleitet von einer elegischen, synthetisierten Musik, sich in einem einladenden Park auf einer Pflanze niederlassen möchte. Das Tier macht in seiner Unbeschwertheit einen Zwischenstopp auf der Hand eines von zwei sich (dauerhaft) ausruhenden Parkgärtner. Die Musik wechselt bereits in Technoklänge über. Die traumhafte, sommerliche Atmosphäre wird aber von dem Gärtner zerstört, als er dem Schmetterling den Garaus macht, woraufhin sein Kollege einen Schluck aus seiner Bierdose macht und den Vorfall mit „Kack-Schmetterling“ kommentiert.
Vollendet ist eine zynische Persiflage auf das berühmte Forrest Gump Intro, das zugleich auch eine Vorwegnahme ist für den rüppigen Prolo-Humor des Films
"New Kids Turbo".
Innerhalb weniger Szenen stoßen zu den hedonistischen Gärtnern
Richard (Huub Smit) und
Robbie (Steffen Haars) auch die anderen Kumpel hinzu. Der trottelige
Gerri (Steffen Haars), der gerade einer alten Dame das Fahrrad gestohlen hat (weil sie seine Warnung, „seine Straße nicht zu benutzen“, nicht befolgt hat), macht mit seinem neuen Fahrrad einen halsbrecherischen Stillstand.
Barrie (Flip van der Kuil) und
Rikkert (Wesley van Gaalen) gelangen zur Szene mit ihrem getunten Manta, aus dem adrenalinstrotzende Technomusik dröhnt – und fahren unabsichtlich
den sich über sein Zweirad freuenden Gerri an. Die New Kids sind komplett.
Im weiteren Verlauf folgt der Film dem tragischen Schicksal dieser Underdogs, die das verschlafene, holländische Dorf
Maaskantje ihr Zuhause nennen.
Ihre Hobbies sind Bier trinken, rumhängen, sich um jegliche Art von Arbeit drücken und flotte Sprüche klopfen (markant ist das Kommentieren von allem und gleichzeitig Ansprechphrase für jederman mit "
Junge"). Dieses asoziale Verhalten bleibt nicht lange folgenlos. Allesamt werden sie in kurzer Zeit gefeuert, was sie nicht sonderlich erschreckt, da sie nun vom Arbeitslosengeld leben können. Doch als aufgrund einer zweiten Wirtschaftskrise – über das Fernsehen nur als das "Schwarze Loch" angekündigt – ihnen auch die Sozialabgaben gestrichen werden, kommen sie zu einem folgeschweren Entschluss: sie zahlen einfach für nichts mehr.
Ein Fernsehreporter wittert in diesem Nonplusultra des parasitären Egoismus ein markantes Gesellschaftsbild und Riesenstory und beschließt eine Reality-Serie über die New Kids zu drehen. Als nun aber auch die örtliche Polizei gegen die arroganten, aggressiven Proleten nichts ausrichten kann und nun alle Bewohner von Maaskantje ankündigen für nichts mehr zu bezahlen, beschließt die holländische Regierung, ganz Maaskantje mit einer Bombe auszulöschen.
Die New Kids können das nicht zulassen, schließlich kennen sie nichts anderes als ihre Heimatstadt. Sie besorgen sich bei einem Ex-Nazi-Offizier schwere Artellerie und ziehen gegen die staatliche Armee in den Krieg.
Bei "
New Kids Turbo" handelt es sich um ein Spin-Off der in Holland und Deutschland extrem erfolgreichen gleichnamigen Serie. Während die Serie nur anekdotenhaft Vorfälle und Konflikte der Proleten mit der holländischen, sich der friedlichen Ordnung verschriebenen Spießergesellschaft erzählt, mit immer gleichem Resümee, in welchem die New Kids mit ihrem asozialen Verhalten sich durchsetzen können und in dem pauschalen Outro zu Technomusik tanzen und einem vorbei fahrenden Traktor Tribut zollen, fährt der Film mit einem durchtriebenen Plot und noch verschärfterer Folge an Konflikten auf.
In der nur 84 minutigen, kurzweiligen Spielfilmdauer bleibt keine Zeit zum Durchatmen. Die Gags folgen im Minutentakt und die Lage spitzt sich schnell drastisch zu.
Der Humor erinnert sehr stark an Dick Maas‘ "
Flodder – eine Familie zum Knutschen" aus dem Jahre 1986. Das Konzept von dem Aufprall anarchistischer, respektloser Proleten mit der scheinheiligen Spießergesellschaft Hollands haben die "New Kids“ mit den "Flodders" gemeinsam. Die Proleten sind in beiden Fällen zwar degeneriert und asozial, sind aber im Gegensatz zu den Spießern sich selbst treu und auf ihre Art ehrlich und dürfen deshalb als moralische Helden hervorgehen. Beide Werke basieren auch auf einem tatsächlich vorherrschenden Gesellschaftsbild in Holland, die New Kids sind eben zeitgenössischer.
Neben dem Sarkasmus und der Respektlosigkeit schaffen die Drehbuchautoren, Schöpfer, Regisseure und New Kids Darsteller Steffen Haars und Flip Van der Kuil ihren Charakteren Seele zu geben und sie über die gängigen Klischees sogar zu erheben.
Der Trottel Gerri kompensiert mit seinen sich an Dummheit konsequent übersteigenden Aktionen und Sinnlosigkeit die fehlende Aufmerksamkeit und Liebe seines vom Heim ausgerissenen Vaters. Die Führerpersönlichkeit im Bunde mit der blonden 80er-Jahre Mähne, Richard, entzieht offensichtlich in Selbstschutz jedem außer seinem geliebten Hund Liebe und Respekt und kämpft sich mit Härte durchs Leben. Sein immer an der Seite präsenter Sidekick Robbie tritt aufgrund seiner Schüchternheit in den Schatten von Richard – sein Beitrag ist die physische Präsens und Mitschwimmen mit der Menge. Barrie redet ebenfalls fast kein Wort, da die Lakonik cooler wirkt und in der Clique sowieso zu viel gesprochen wird. Selbst als seine heimische Haschischplantage in Rauch aufgeht, bleibt er cool und mischt wieder vollzeitig bei der Gang mit.
Rikkert hat es am schwersten. Er ist Jungfrau, seine von ihrem Exfreund geschwängerte Freundin und zweifache Mutter entsagt ihm den Sex und seine treuste Liebe (der grüne Manta wird von der Polizei konfisziert). Nach Verlust seines Jobs sieht seine Freundin in Rikkert nur noch einen Loser und besorgt sich schnell einen Ersatz mit größerem Machogehabe.
Alle der New Kids haben ernsthafte Probleme mit dem konservativen, schweinheiligen Establishment und rebellieren mit ihrer Asozialität und Unangepasstheit gegen das unterdrückende System. Ebenso wie in der Serie wird die stille Idylle als eine unterschwellige Bedrohung ihrer individuellen Existenz empfunden und von den Helden deshalb zerstört. Der Konsum von Bier, laute Technomusik und das hedonistische Nichtstun, um dem realen Horror zu entkommen, ergibt auch einen Sinn.
Man muss bei "New Kids Turbo" aber keinen tieferen Sinn sehen, man kann einfach an der durchdrehten Anreihung von Gags seinen Spaß haben und sich von den mehrfachen Plottwists überraschen lassen.
Wenn beispielsweise nach Zweidrittel des Films die Handlung plötzlich abbricht, gerade bevor es zur Kulmination kommt, und der Regisseur eine Ansprache an das Publikum hält mit der traurigen Botschaft, dass das Geld für die Inszenierung des Schlusses ausgegangen ist und nun die Darsteller das Ende selbst erzählen dürfen, beginnt auch der letzte Zweifler zumindest zu schmunzeln.
Das Showdown kommt dann aber doch. Dieses wurde sorgfältig, akribisch inszeniert und steckt voller Parodien auf den amerikanischen Actionfilm. Jede folgende Idee versucht die vorige an Originalität und Extremität zu übersteigern. Der Anarchiegrad erreicht tatsächlich den von den Zucker/Abrahams (wie in den gelungenen "Die Nackte Kanone“ Filmen).
Die New Kids Schöpfer Steffen Haars und Flip Van der Kuil haben mit dem Film tatsächlich alles an Potential, das die Serie hatte, ausgeschöpft, den Charakteren zudem Tiefe verliehen, eine unaufdringliche Dramaturgie geschaffen und sind dabei ihrem eigenen grotesken Humor treu geblieben.
"New Kids Turbo“ ist sicher nichts für Zuschauer, die was sie sehen ernst nehmen, aber definitiv für jederman und frau mit Wertschätzung von anarchistischen Komödien mit einer sozialkritischen Botschaft. Die New Kids sind bestimmt nicht die neuen "Marx Brothers“, errichten und verdienen aber ihren eigenen Stellenwert in der Geschichte der Filmkomödie.