„Careful, old man, only my voice is gentle.”
Drachen kommen in den besten Familien vor. Die wenigsten davon spucken jedoch Feuer, sondern sorgen mit ganz anderen Mitteln dafür, dass einem heiß wird. Vielleicht sind es immergleiche Belehrungen, dass man zum Beispiel keine im Wald gefundenen Eier mit nach Hause nehmen soll, weil man ja nie wissen könne, was letztlich ausgebrütet wird. Zu oft gehört, setzt sich bei solchen Äußerungen ein Automatismus in Gang, der darin resultiert, dass kurzerhand auf Durchzug geschaltet wird und man sich erst recht nicht daran hält.
Der 17jährige Eragon (Newcomer Ed(ward) Speleers) findet eines Tages in einer Bergkette einen seltsamen Stein und nimmt ihn – natürlich! – mit nach Hause in sein Dorf. Große Überraschung: der Stein legt im übertragenen Sinne drei Buchstaben ab und entpuppt sich als Ei, aus dem schon bald ein süßes Drachenbaby namens Saphira schlüpft. Noch größere Überraschung: die Drachendame offeriert dem Jungen, dass er ab jetzt ein Drachenreiter sei und deshalb seines Lebens nicht mehr sicher sein könne. Der böse König Galbatorix (John Malkovich, „
Being John Malkovich“ [1999]) hat es sich zur Aufgabe gemacht, alle Drachenreiter aufzuspüren und sie vor die Wahl zu stellen, sich entweder seiner Herrschaft zu beugen oder eines qualvollen Todes zu sterben. Brom (Jeremy Irons, „
Stirb langsam - Jetzt erst recht" [1995]), der Geschichtenerzähler von Carvahall, bestätigt zum Entsetzen Eragons diese Schauermär, die spätestens dann grausame Realität wird, als die Ra’zac – Schergen von Galbatronix, der inzwischen erfahren hat, dass sich dort ein Drachenreiter befindet – in das Dorf eindringen und Eragons Onkel umbringen. Von Wut und Hass getrieben machen sich Eragon, Saphira und Brom auf zu den Varden, einer Rebellengruppe, die sich dem Widerstand von Galbatronix’ Schreckensherrschaft verschrieben hat. Kein leichtes Unterfangen, denn der Weg ist voll von Gefahren, da ihnen unter anderem die Urgal, Verbündete des bösen Königs, auflauern. Hier entdeckt Eragon auch endlich, dass seit jeher tief in ihm magische Fähigkeiten nur darauf warteten, entfesselt zu werden. Währenddessen versucht ein Scherge Galbatronix’, der Schatten Durza (Robert Carlyle, „
Trainspotting“ [1996]), Eragon mittels einer Finte zu sich zu locken.
Regisseur
Stefen Fangmeier dürfte Filmfans als Visual Effects Supervisor bei George Lucas’ Digitalschmiede
Industrial Light and Magic (ILM) ein Begriff sein. Er betreute unter anderem die Effekte des Meilensteins „
Terminator 2“ [1991], der mit imposanten Digital-Bildern aufwarten konnte. Vielleicht wählte man gerade deshalb Fangmeier als Regiedebütanten für die Verfilmung von
„Eragon“ – dem Debütroman des damals erst 16jährigen
Christopher Paolini – aus, da insgeheim gehofft wurde, die Adaption könne von der Erfahrung des Effektezauberers nur profitieren. Sicherlich sind die Visual Effects im Endeffekt allesamt sehr nett anzusehen, und vor allem das Realisieren des digitalen Drachen Saphira kann in so mancher Szene begeistern. Doch was nützt die schönste Verpackung, wenn der Inhalt nicht überzeugen kann? Es wurde dem Film zum Teil vorgeworfen, er sei nur ein billiger Abklatsch von Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Trilogie, da einige Szenen 1:1 aus dem epochalen Meisterwerk kopiert worden zu sein scheinen. Vor allem die Reitszenen, die von der Kamera
Hugh Johnsons in weitausschweifenden Bildern eingefangen wurden, lassen einzig und allein die markante Musik von Howard Shore vermissen. Hierin aber einen
billigen Abklatsch zu sehen, ist etwas verfehlt, zumal das Drachen-Abenteuer mit 100 Mio. Dollar fast 6 Mio. Dollar teurer als beispielsweise „
Der Herr der Ringe: Die Gefährten“ [2001] war. Aber wir wollen ja nicht kleinlich werden.
Es ist weniger Fangmeier als vielmehr Christopher Paolini selbst „anzulasten“, dass die Verfilmung seines Romans wie eine Light-Version von Tolkiens Epos wirkt. Der junge Autor gibt ganz offen zu, dass die Einflüsse von der fantastischen Welt Mittelerdes in seinem Roman nicht von der Hand zu weisen sind. So erschuf Paolini unter anderem wie Tolkien einst eine eigene (Roman-)Sprache, die zwar aufgrund des jungen Alters des Autors nicht sonderlich ausgereift erscheint, nichtsdestotrotz aber ihren Zweck erfüllt. Es ist einfach die Faszination eines Jugendlichen für den Stoff, aus dem fantastische Epen gesponnen werden, die aus den geschriebenen Zeilen des Romans spricht, weshalb schon fraglich ist, ob man vorliegend überhaupt von „anlasten“ sprechen kann. Ohne Zweifel ist der Roman, auf dem der Film basiert, kein Meisterwerk, erhebt aber hierauf auch gar keinen Anspruch. Es ist ein Buch, das von einem Jugendlichen für hauptsächlich Jugendliche geschrieben wurde, die vielleicht noch nicht reif genug für
anspruchsvollere Fantasy sind. Ein jeder Autor darf sich anderweitig inspirieren lassen, solange aber auch eigene Ideen in die Geschichte mit einfließen. Und solche lassen sich durchaus in den 600 Seiten des Romans entdecken. Somit ist es auch weniger der (halbwegs) buchgetreuen Adaption anzukreiden, dass
„ERAGON – DAS VERMÄCHTNIS DER DRACHENREITER“ lediglich zu einem mittelprächtigen Film herangereift ist. Es sind vielmehr kleinere Faktoren, die zusammen addiert den bitteren Beigeschmack im Mund des Zuschauers herbeiführen.
Denn ein Film, der für sich in Anspruch nimmt und mit großen Lettern wirbt, der Beginn einer
epochalen Trilogie zu sein, muss sich zwangsläufig hieran messen lassen. 600 Seiten Buch sind hierfür sicherlich eine gute Basis. Allerdings muss die auf das Buch gestützte Filmversion auch auf dieser Basis aufbauen! Wer nun die nicht einmal 100 Minuten Spielzeit (einschließlich Abspann) mit den 600 Seiten der Romanvorlage in Relation setzt, kommt nicht umhin, seine Definition von „Epos“ zu überdenken. Aufgrund der geringen Laufzeit springt die Story nämlich hektisch von einer Szene zur nächsten, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an tiefergehende Charakterzeichnung und -entwicklung zu verschwenden. Die Rollen von sowohl
John Malkovich als auch
Jeremy Irons bleiben dementsprechend blass, wenngleich die Filmgrößen ihr Mögliches tun, das Beste aus dem schlecht geschriebenen Drehbuch rauszuholen. Dass hierbei zwangsläufig auch die Spannung des Films Schaden nimmt, liegt auf der Hand; denn wenn der besagte Endkampf zwischen Eragon und Durza mit gerade einmal nur knapp 5 Minuten zu Buche schlägt, kommt man sich als Zuschauer schon leicht veräppelt vor, effektvolle Inszenierung und der Charme von
Ed Speleers hin oder her. Auch die Wahl der Synchronstimme Saphiras erweist sich – zumindest in der deutschen Fassung – als nicht geglückt.
Nena ist sicher eine tolle Künstlerin, aber bei ihrer „Interpretation“ der Gestalt des weiblichen Drachen erwartet man – ohne dass man es will –, dass sie jeden Moment anfängt, von neunundneunzig Drachenreitern und ihrem Weg zum Horizont zu singen. Gut, dafür kann
Rachel Weisz, die im Original stimmlich die Saphira mimt, nicht singen.
„ERAGON – DAS VERMÄCHTNIS DER DRACHENREITER“ ist am Ende des Tages schlicht zu kurz, um zu begeistern. Die jüngeren Zuschauer, vornehmlich die Mädchen, bekommen nichtsdestotrotz mit Ed Speleers einen neuen Star serviert, den sie anhimmeln können. Die Älteren hingegen ärgern sich, dass Stars wie beispielsweise John Malkovich gewissermaßen verheizt werden und ihr Können in diesem Film nie zur Gänze unter Beweis stellen können. Schuster, wärst Du lieber bei deinem Leisten geblieben. Aber mit Belehrungen ist es nun einmal so eine Sache. Regiedebütant Stefen Fangmeier ist zweifellos ein Mann der großen Bilder, der großen Effekte. Er ist aber definitiv kein Mann für große Geschichten. Der Funke der Begeisterung will bei dieser effektreichen Fantasy-Mär einfach nicht überspringen. Da kann schlussendlich auch ein Drache nichts ausrichten.