Bob Harris (Bill Murray) hat seine besten Tage als Schauspieler schon hinter sich, als er sich nach Tokio aufmacht, um einen Werbespot für Whiskey zu drehen. Schon früh stößt der Amerikaner auf erste (Sprach-) Barrieren in der fremden Metropole, in die er sich nicht so recht einfügen kann und auch mag. Die Duschen sind viel zu niedrig – hier wird wieder ein Klischee bedient – und das Zimmer in seinem Hotel nicht gerade sehr schlaffördernd, so dass Bob wachen Auges und hörenden Ohres mehr als einmal das Fax-Gerät in der Ecke wahrnimmt, über das ihm seine Frau von zu Hause Muster zur Renovierung des Hauses – sie könne sich nicht entscheiden, welche Farbe besser passe – zuschickt. Reizend.
Um den Schlaf gebracht, findet sich Bob so in der Bar des Luxushotels wieder und macht – natürlich einen Whiskey bestellend – Bekanntschaft mit der hübschen jungen Charlotte (Scarlett Johansson), die – frisch verheiratet – mit ihrem Ehemann (Giovanni Ribisi) angereist ist und wie Bob auch keinen Schlaf finden kann. Aus der zufälligen Begegnung wird bald mehr, als sich die beiden entschließen, gemeinsam die fremde Metropole am anderen Ende der Welt zu erkunden. Der Beginn einer Reise in eine Welt, die die beiden so noch nicht kannten.
Obgleich alle Elemente eines Liebesfilms vorhanden sind, ist
„LOST IN TRANSLATION“ von
Sofia Coppola („The Virgin Suicides“ [1999]) mehr als alles andere ein modernes Märchen über
zwei Menschen, die auszogen, um das Leben zu erfahren. Bob (alternd, in keiner glücklichen Beziehung) und Charlotte (jung, frisch verheiratet) könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch schon während ihres ersten Streifzugs durch Tokio und dem anschließenden gemütlichen Beisammensein in Bobs Hotelzimmer merken die beiden Amerikaner zwischen den gesprochenen Zeilen, dass sie eines eint: die Unzufriedenheit über ihr derzeitiges Sein. Erst die Gespräche fördern diese Tatsache, die keiner von beiden bewusst aussprechen wollte, ans Tageslicht, und Bob und Charlotte erkennen, dass sie diesen neuen Blick auf ihr Leben so lange gemeinsam auskosten sollten, wie ihnen noch Zeit bleibt.
Es ist somit nicht die Liebe, die die beiden Protagonisten in diesem Film leitet. Es ist der Wunsch, das Leben zu genießen, es gemeinsam mit jemandem, dem man vertraut – und sei es „nur“ ein guter Freund oder Seelenverwandter – zu erfahren, das Leben zu
leben. Bob und Charlotte vergessen für die kurze Zeit, die sie miteinander verbringen, ihr bisheriges Leben und geben sich einfach dem Neuen, dem Unbekannten in der fremden Metropole hin, ohne an das Morgen zu denken. Wenngleich beiden bewusst ist, dass ihre gemeinsame Zeit wohl am Tag der Abreise ein jähes Ende finden wird.
Der leise Film fängt die intensive Freundschaft zweier Gleichgesinnter in ruhigen, angenehmen Bildern ein und nimmt sich viel Zeit dafür, die Protagonisten auf ihrer Reise durch Tokio zu beobachten. Es wird nicht viel gesprochen, vielmehr ist zwischen den Zeilen zu lesen, denn was Sofia Coppola auf der für den Zuschauer nicht sichtbaren Ebene transportiert, ist bemerkenswert. Trotz seiner Ruhe schafft es der Film nämlich, einem die Charaktere in plastischerer Form nahe zu bringen, als es ein Dialogstück jemals schaffen könnte. Dies ist zu einem großen Teil einem überragenden
Bill Murray („Der kleine Horrorladen“ [1986]) und einer hervorragenden
Scarlett Johansson („
Scoop - Der Knüller“ [2006]) zu verdanken, obwohl der größte Teil wohl auf das – trotz seiner zunächst öde erscheinenden Fassade – durchdachte Drehbuch entfällt.
Weder ausschließlich Liebesfilm noch eine durch und durch lustige Komödie, ist
„LOST IN TRANSLATION“ von allem etwas. Dem Zuschauer wird eine fremde Metropole in wunderbaren Bildern nähergebracht, man schmunzelt über die amüsanten Situationen, die sich während der nächtlichen Streifzüge ergeben, und verdrückt eine Träne -
SPOILER -, wenn sich Bob und Charlotte am Ende ein letztes Mal umarmen, bevor jeder von ihnen seinen Weg geht. Auch wenn man – wohl absichtlich und gewollt – nicht versteht, was Bob ihr am Ende ins Ohr flüstert, so kann der Zuschauer doch für sich eine Antwort finden. 90 Minuten hat man daran teilgenommen, wie zwei Menschen ein überraschender Blick auf ein neues Leben eröffnet wird; man hat erkannt, dass sich im Leben aus einer Zufallsbegegnung eine wunderbare Freundschaft entwickeln kann; und man weiß, dass Trennungen im Leben schmerzlich sein können. So haben sich schon längst die passenden Worte in unserem Kopf gebildet, die dem ganzen Film ein trauriges, wenngleich realistisches Ende geben und
„LOST IN TRANSLATION“ zu einem unglaublich schönen Filmerlebnis werden lassen.
„Uns trennt das Leben.“