Die Filmwelt ist bekanntermaßen ein hart umkämpftes Pflaster. Kein Wunder also, dass sich dies auch zwangsläufig in diversen Produktionen niederschlagen musste. So durfte sich nicht nur Sylvester Stallone bereits mehrfach durch diverse Jahrzehnte boxen; auch sein gestandener Schauspiel-Kollege
Robert De Niro ist schon aus purer Überzeugung wortwörtlich in den Ring gestiegen. Doch der klassische Boxerfilm, wie er einst von „Rocky“ [1976] salonfähig gemacht worden war, schaffte trotz der Erfolge in der Vergangenheit keine zweite Kinorunde, so dass er still und leise den Rückzug antrat, ohne überhaupt jemals richtig in den Seilen gehangen zu haben. Warum, weiß keiner so genau. Eine Form der Übersättigung seitens der filmliebenden Bevölkerung? Dann hätten die Boxkämpfe im Fernsehen nicht eine derart hohe Einschaltquote. Fehlender Reiz? Zumindest nicht auf dem kleinen Bildschirm. Warum nur hat Boxen also auf den großen Leinwänden dieser Welt momentan einen vergleichsweise schweren Stand? Und was bedeutet dies für die Zukunft?
Eine zumindest fiktive Antwort hierauf gibt
Shawn Levy („
Nachts im Museum“ [2006]) mit seinem actionreichen Roboter-Vehikel
„REAL STEEL“, in dem der klassische Zweikampf zwischen menschlichen Gegnern mittlerweile dem
Roboter-Boxen gewichen ist. Charlie Kent
on (Hugh Jackman), ein vormals erfolgreicher Profi-Boxer, muss sich in dieser nahen Zukunft nun als kleiner Promoter für Roboter-Untergrundkämpfe über Wasser halten, unterstützt von der attraktiven Tochter (Evangeline Lilly) seines ehemaligen Trainers. Dies gelingt mehr schlecht als recht, weshalb sich Charlie bald ganz unten wiederfindet. Dass plötzlich sein elfjähriger Sohn Max (Dakota Goyo) unerwartet auftaucht, für den er sich zeit seines Lebens nie interessiert hat, macht die Lage nicht unbedingt besser. Als Charlie dann auch noch erfährt, dass Max' Mutter kürzlich verstorben ist und der Kleine die Zeit bis zur Ausübung des alleinigen Sorgerechts durch Max' Tante und Onkel (immerhin ein Sommer) bei seinem Vater verbringen soll, ist er nicht gerade sonderlich begeistert. Doch das Schicksal spendiert dem so ungleichen Vater-Sohn-Gespann eine Chance auf einen kompletten Neuanfang. Denn mit dem Fund des Roboters „Atom“, der über erstaunliche Fähigkeiten verfügt, liefert es den beiden quasi aus heiterem Himmel den perfekten Kämpfer für den neuen Hightech-Sport. Und das Training des Kolosses lässt das Team der Generationen spürbar zusammenrücken. Die nächste Runde kann also eingeläutet werden.
Boxkämpfe zwischen riesigen Robotern, gekoppelt mit einer leichten Familiengeschichte menschlichen Ursprungs? Kann das, was sich hier noch verdächtig wie „
Transformers im Ring“ anhört, wirklich zusammenpassen? Freilich ist dies die erste aufkommende Frage, während man sich einen der Trailer zu
„REAL STEEL“ ansieht. Eine evidente Frage, die nach Begutachten des stringent erzählten und feinfühlig (!) inszenierten Films im Grunde nur eine einzige Antwort zulässt:
Ja, es kann. Denn so unharmonisch die verschiedenen Komponenten auch wirken mögen, so stimmig bilden sie doch am Ende ein kohärentes Gesamtbild, das sehr viel Wahres aus seiner offenkundigen Schlichtheit zu ziehen vermag.
In diesem Fall umschreibt „Schlichtheit“ übrigens weniger ein simpel gestricktes Drehbuch der Marke „einfallslos“ als vielmehr einen Umstand, der der Ausrichtung des Films geschuldet ist. Shawn Levy selbst möchte seinen Film nämlich als eigenwillige Hommage an die guten alten Boxfilm-Klassiker verstanden wissen, als außergewöhnlichen Sportfilm, der sich im Kern um menschliche Bedürfnisse, Sorgen und Ängste dreht – allesamt Posten, die stets im Kleinen beginnen. Im Prinzip handelt somit auch der Boxfilm des 21. Jahrhunderts und insbesondere Levys Vision einer nicht allzu weit entfernten Zukunft von Altbekanntem, wenn wir mit Charlie Kenton einen gescheiterten Boxer kennenlernen, der sich insgeheim nichts sehnlicher herbeiwünscht als ein spätes Comeback. Es wäre jedoch arg vermessen, bereits hiermit den Verdacht einer Reißbrettinszenierung begründen zu wollen. Ganz im Gegenteil: Gerade
weil sich
„REAL STEEL“ in seinen Grundstrukturen bei „Rocky“ und Konsorten anbiedert, die recht einfache Geschichten wirkungsvoll zu erzählen wussten, schafft er trotz des ungewohnten Sujets eine nicht zu leugnende Basis für solide, wenn auch nicht bahnbrechende Charakterzeichnungen. Oder anders gesagt: Der Weg an die Spitze beginnt nun einmal zwangsläufig unten. Und warum sollte sich das seit „Rocky“ geändert haben?
Aber lassen wir den guten Balboa jetzt erstmal wieder zur Ruhe kommen. Denn obwohl es damals wie heute um gescheiterte Existenzen und verpasste Chancen (in sportlicher Hinsicht) ging, liegt das Hauptaugenmerk des familienfreundlichen
„REAL STEEL“ weniger auf dem wortwörtlich Handfesten als vielmehr auf der menschlichen (Gefühls-)Ebene. Charlie Kenton hat bis zum jetzigen Zeitpunkt nämlich bereits zweimal auf ganzer Linie versagt: als Profiboxer und auch als Vater, der zeit seines Lebens den Ring dem heilen Familienidyll vorgezogen hat.
Hugh Jackman („
Prestige“ [2006]) spielt diesen Mann, der im Laufe des Films eine spürbare Wandlung vollzieht, gewohnt routiniert und liefert auch die körperliche Physis frei Haus, um als ehemaliger Boxer durchzugehen. So gibt er einer von Selbstzweifeln geplagten Figur ein menschliches Gesicht, ohne zu trivialisieren, und zeigt damit, dass sich überzeugendes Schauspiel und Grundkonstellationen, die zunächst vielleicht etwas befremdlich anmuten, keinesfalls von vornherein ausschließen müssen. Er ist der Anfang und das Ende einer interessanten, gleichwohl vorhersehbaren Vater-Sohn-Geschichte, die ihren unbestreitbar schönsten Moment zu jenem Zeitpunkt begeht, als Charlie gegen Ende wortwörtlich den Kampf seines Lebens ausficht: das Leben, das er immer wollte, in der einen, Anerkennung und Liebe in der anderen Ecke. Wer hier letztlich gewinnt? Das verraten wir zwar nicht, Wetten werden aber gerne jederzeit angenommen.
Die wirkliche Attraktion des von
Mauro Fiore („Die Insel“ [2005]) versiert bebilderten Werks, dessen gelungene Musikuntermalung auf das Konto von
Danny Elfman („
Alice im Wunderland“ [2010]) geht, sind übrigens nicht etwa die tricktechnisch perfekt in Szene gesetzten Roboter, die als Mischung aus fotorealistischen CGI-Effekten, Motion-Capture-Verfahren und animatronischen Modellen daherkommen. Wahre Gefühle lassen sich nicht berechnen, sie wollen auf der Leinwand
gespielt werden. Und dies bewerkstelligt der zwölfjährige Jungdarsteller
Dakota Goyo, der zuletzt noch für Kenneth Branagh den jugendlichen Thor im gleichnamigen
Fantasy-Spektakel mimte, wahrlich mit Bravour. Wenn Hugh Jackmans Charlie Anfang und Ende der Vater-Sohn-Geschichte darstellt, so ist Goyo derjenige, der sie allein durch seine Augen, seine Blicke erzählt. Abneigung, Zuneigung, Verachtung und Liebe sind genauso in seinem erfrischenden Spiel auszumachen wie jugendlicher Übermut, kindliche Verletzbarkeit und schließlich völlige Hingabe für eine gemeinsame Leidenschaft, die im Endeffekt die Generationen einander näherbringt. Eine große Leistung eines bald mal ganz Großen, in deren Schatten selbst die gewohnt schöne
Evangeline Lilly („
Tödliches Kommando“ [2008]) und der wiederholt herrlich fiese
Kevin Durand („
Walking Tall“ [2004]) etwas verblassen.
Fazit: Auch wenn sich die dem Film zugrundeliegende Geschichte zunächst arg trashig anhören mag, empfiehlt sich wie so oft ein zweiter, genauerer Blick. Denn die krude anmutende Mischung aus wirklich raffiniert getrickster Kampfaction und den leisen, zwischenmenschlichen Tönen ist trotz ihrer Laufzeit von 126 Minuten nicht nur äußerst kurzweilig. Sie formuliert zusätzlich eine in sich stimmige Grundaussage, die dem familienfreundlichen Action-Drama einen überraschend tiefgründigen Sinn gibt:
Man muss nicht immer siegen, um zu gewinnen. Allein diese wahren Worte lassen den bis jetzt wohl besten, weil ausgereiftesten Film des eigentlich auf Komödien spezialisierten Shawn Levy im unmittelbaren Vergleich weitaus ehrlicher daherkommen als manch anderen Hollywood-Blockbuster. Einzig logische Konsequenz:
„REAL STEEL“ ist keinesfalls der im Vorfeld vermutete Knockout, sondern ein klarer Sieg nach Punkten.