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Ein Film von Shane Acker

So langsam aber sicher fällt es schwer im Animationsdschungel noch die Übersicht zu behalten. Neben dem jährlichen Pixar-Film, der mit Oben in diesem Jahr die Messlatte wieder souverän übersprungen, wenn auch nicht unbedingt nach oben geschraubt hat, produziert das Genre, das den Zeichentrickfilm inzwischen endgültig abgelöst zu haben scheint, auch viel Ausschuss. Entgegen der schon als klassisch zu bezeichnenden Methode der Computermodellierung führt die Stop-Motion-Technologie ein Randdasein. Neben Selick mit seinen kongenialen Stop-Motion-Werken Nightmare Before Christmas und Coraline, hat sich vor allem Tim Burton (Corpse Bride) für dieses Verfahren begeistern lassen, das auf dem bildweisen Abfotografieren von handmodellierten Bühnenbildern basiert. Nun liegt mit 9 das Kinodebut des weitgehend unbekannten Shane Acker vor, welches auf einem, bereits 2005 im Stop-Motion-Verfahren abgelichteten, Kurzfilm des Trickfilmregisseurs und Animationstechnikers basiert, der unter anderem an den visuellen Effekten von Peter Jacksons Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs beteiligt gewesen war. Die Entstehungsgeschichte ist schnell skizziert: Altmeister trifft Newcomer und beschließt, ihn zu fördern. In dies
em Falle war nicht nur die Jury der Academy Awards von Ackers Endzeitgeschichte so angetan, dass sie diese 2006 für den Kurzfilm-Oscar nominierte - auch Tim Burton fand Gefallen an der charmanten Idee rund um die postapokalyptischen Puppen. Im September dieses Jahres startete 9 dann auf der großen amerikanischen Leinwand, das deutsche Publikum soll Anfang nächsten Jahres überzeugt werden. Anstatt auf die Stop-Motion-Technik der Vorlage zu setzen, wurde die Langfassung jedoch komplett am Computer modelliert. Trotzdem gelingt es Acker den handwerklichen Charme seiner Figuren zu erhalten. 9 ist ein visuell verzauberndes Feuerwerk, dem aber dramaturgisch über Spielfilmlänge an vielen Stellen die Luft ausgeht.

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Irgendwann in einer postapokalyptischen Zukunft: Nach einem virtuosen Intro findet sich der Homunculus mit dem schlichten Namen 9 in einem zerstörten Raum wieder. Sein menschlicher Schöpfer liegt tot am Boden. Vor dem Fenster erwartet ihn eine trostlose, post-apokalyptische Welt. Bald schon trifft der wandelnde Jutesack mit den Objektivaugen auf den intelligenten 2, der ihm mit technischem Geschick eine Stimme verleiht. Doch ehe der Leidensgenosse ihm eine umfassende Antwort geben kann, wird dieser von einem katzenartigen Roboterwesen attackiert und verschleppt, 9 selbst bleibt bewusstlos zurück. Doch die Rettung ist nicht weit und so wacht 9 kurze Zeit darauf in den Ruinen einer Kathedrale auf, in der sich noch mehr Exemplare seiner Spezies einen sicheren Zufluchtsort eingerichtet haben. Angeführt wird die illustre Truppe von 1, der sich gleichermaßen als religiöser Führer stilisiert und mit dem bulligen 8 ein schlagkräftiges Argument an seiner Seite hat, um seiner Sicht der Dinge Nachdruck zu verleihen. So verweigert 1 auch prompt jegliche Rettungsaktion für den verschwundenen 2 - die Bestie solle man nicht herausfordern. Doch 9 lässt sich nicht beirren und begibt sich mit dem einäugigen 5 auf eine riskante Reise, die bald schon das dunkle Erbe der Menschheit offenbart…

Eigentlich ist 9 der bessere Terminator dieses Jahres, möchte man sich diesen Seitenhieb gegen McGs halbgaren Cyborg-Trash erlauben. Das postapokalyptische Szenario ist grandios in Szene gesetzt und erinnert nicht nur in seiner Ästhetik an eine Mischung aus Mad Max, die Skynet-Zukunft und die ironisch gebrochene 50er-Jahre-Nostalgie des Videospiels Fallout. Von der geschmeidigen Kampfmaschine zu Beginn des Films, bis hin zur herrlich bizarren medusenartigen Kreation, die den sympathischen Stitchpunks – so werden die Homunculi im Fanjargon liebevoll genannt - an die Seele will: Das Maschinendesign ist stets kreativ und lehnt sich bisweilen an Symboliken griechischer Mythologie an. Und spätestens als die Gemeinschaft einen gefallenen Kameraden - mit dem Penny für den Fährmann auf den Linsenaugen - auf dem Wasser zur letzten Ruhe bettet, wird auch der skeptische Zuschauer vom Charme der kuriosen Menschwesen eingenommen, die sich vor einem weichzeichnerisch atemberaubend nachbereiteten Himmelspanorama immer weiter an die Bastion der Maschinen heran kämpfen. Visuell macht 9 einfach alles richtig, was man nur richtig machen kann und wirkt dabei zu keiner Sekunde künstlich.

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Dramaturgisch kann man das leider nicht behaupten. Die vielen und rasanten Actionszenen sind zwar brillant choreografiert, hinterlassen aber den faden Beigeschmack eines sehr dünnen Drehbuchs. Tatsächlich ist dann die Geschichte selbst auch schnell erzählt und lässt an vielen Stellen Fragen offen, die man mit etwas Fantasie durchaus hätte weiter ausführen können. So bedient sich 9 vieler Versatzstücke aus dem Endzeit-Genre, ohne aus der veränderten Perspektive durch die kleinen Erben der Menschheit wirklich Kapital zu schlagen. Dementsprechend abrupt ist auch das Ende des Films, das man spätestens nach der Hälfte der Spielzeit mit etwas gedanklicher Anstrengung antizipieren kann. Manchmal wünscht man sich zudem, die Charakteristik der zifferntragenden Stitchpunks wäre etwas besser herausgearbeitet – dies gelingt nur beim bullenbeißerischen aber ebenso dumpfbackigen Leibwächter und seinem okkulten Vorgesetzten, sowie beim Erfindergeist von 2, dessen Kopfbedeckung tatsächlich mehr als nur zum Schmunzeln ist. Nichtsdestotrotz bietet die durchaus düstere Geschichte genug Potential, um die Aufmerksamkeit für die achtzig Minuten Spielzeit zu fesseln.

9 ist kein Film für Kinder – zumindest sollte man sich nicht verleiten lassen, das Genre Animationsfilm sogleich mit Kindertauglichkeit zu assoziieren. Ähnlich wie bei Selicks Coraline spiegelt sich in den mechanischen Predatoren die eine oder andere seelische Untiefe auch optisch wieder. Die Repräsentation von Urängsten könnte somit bei zu jungen Zuschauern alptraumfördernd wirken. Die Medusa ist diesbezüglich nur die Spitze des Eisbergs. Zugleich merkt man den schaurigen Schauplätzen – sei es nun die sakrale Stille der Kathedrale oder die mystische Aura der Bibliothek – deutlich die Handschrift von Tim Burton an: Da lauern Silhouetten in den Schatten knorriger Bäume, lamentieren Statuen unter mitternächtlichem Vollmond. Zur faszinierenden Optik trägt das einen enormen Mehrwert bei, weißt aber den Film gleichzeitig als Animationsfilm für Erwachsene aus.

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Alles in allem ist 9 erfrischend anders. Ich muss gestehen, dass mir Pixars neuester Streich Oben - allen Lobpreisungen zum Trotz - etwas zu bunt geraten war. Möchte man einen Vergleichsmaßstab anlegen, so bewegt sich 9 stilsicher zwischen der schaurig-bizarren Atmosphäre eines Nightmare Before Christmas oder eines Corpse Bride und der animierten Entsprechung zu Terminator oder Mad Max. Dazu gesellt sich eine pfiffige Idee im Stile von Terry Pratchetts Nomen-Saga, die eine raffinierte Perpektivenverschiebung mit sich bringt. Wie auch Pixar mit Wall-E gelingt es Shane Acker mit seinen Stitchpunks eine vordergründig unnahbare Figur derart charmant zu etablieren, dass sich auch der emotionale Bezug nach wenigen Minuten einstellt. Würde die Story von 9 nicht an vielen Stellen sonderbar ausgedünnt wirken, wäre nach Coraline der nächste Überraschungshit im Anzug. Nichtsdestotrotz ist Ackers Einstand ein kreativer Ausflug in eine post-apokalyptische Zukunft, bei der neben der Idee vor allem auch die packende Optik zu begeistern weiß.

Eine Rezension von Florian Schulz
(05. Dezember 2009)
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Daten zum Film
9 USA 2009
(9)
Regie Shane Acker Drehbuch Shane Acker
Produktion Tim Burton
Darsteller Christopher Plummer, Elijah Wood, John C. Reilly
Länge 78 Minuten FSK
http://www.filminfocus.com/focusfeatures/film/9/
Kinostart 25. Februar 2010
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