Im Grunde ist „The Loved Ones“, seinem Titel entsprechend, ja eine Liebesgeschichte.
Allerdings eine der
ganz anderen Art.
Die
Geliebten, das sind hier Familienmitglieder, Freunde, die Partnerin, der Partner oder natürlich das treue Schmusetier.
Es gibt aber auch noch die Liebenden, bei denen die Zuneigung nur von einer Seite besteht – die
Besessenen, denen jedes Mittel recht ist, um das Objekt ihrer Begierde für sich zu gewinnen...
Obwohl das Werk gerne als Mischung aus schwarzhumorigem Horrorschocker und Teenie-Komödie vermarktet wird, ist das Spielfilm-Debüt des Australiers Sean Byrne mehr als das.
Als unvorbereiteter Zuschauer wird man in ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle geworfen, in dem Nervenkitzel, Ekel, Trauer, Wut, Verzweiflung, Spass und geisteskranker Wahnsinn sehr eng beieinander liegen und sich manchmal sogar dieselbe Szene teilen.
Ein Besucher des diesjährigen
Fantasy Filmfests, auf welchem „The Loved Ones“ in der
Fresh Blood-Sektion aufgeführt worden ist, meinte vor Beginn der Vorstellung, dass dies doch eigentlich ein unbeschwertes Vergnügen würde, das mal wieder den Kauf einer Tüte Popcorn rechtfertigt.
Das Popcorn blieb einem schon bald aufgrund des sich auf der Leinwand ausbreitenden Terrors im Hals stecken…
Mit gutem Gewissen kann der Rezensent behaupten, dass hier nun endlich das erste Genre-Meisterwerk des Jahres 2010 vorliegt und man keine hellseherischen Fähigkeiten benötigt, um dem unglaublich talentierten Newcomer Byrne bald die ersten Angebote aus Hollywood zu prophezeien.
Ohne jetzt inhaltliche Vergleiche ziehen zu wollen, besitzt der Film streckenweise eine ähnlich beklemmende Intensität wie das Kammerspiel „
Inside“ von 2007.
Allerdings durchaus mit einer humoristischen Komponente gewürzt und gemäßigterem Gore-Gehalt bedacht – was jetzt ausdrücklich
keine Entwarnung für Zartbesaitete bedeuten soll:
Diese knüppelharte Geschichte geht einem an Herz und Nieren.
Der junge Brent (Xavier Samuel, „
Eclipse - Biss zum Abendrot“) leidet noch immer unter dem Tod seines Vaters, für welchen er sich infolge eines Autounfalls nach einem Ausweichmanöver verantwortlich fühlt.
Obwohl der Teenager in der hübschen Holly (Victoria Thaine, „Gone“) eine ihn liebende Gefährtin gefunden hat, verstümmelt er sich in den dunklen, einsamen Momenten selbst und fordert gelegentlich in gefährlichen Situationen sein eigenes Schicksal heraus.
Mit all den existenziellen Problemen konfrontiert, schenkt Brent der schüchternen Einladung des High School-Mauerblümchens Lola (angsteinflößend: Robin McLeavy), mit ihr zum Abschlussball zu gehen, kaum Beachtung.
Tatsächlich handelt es sich bei dem auf den ersten Blick unscheinbaren Mädchen um eine liebeskranke Psychopathin, deren ebenso gänsehauterzeugender Daddy (John Brumpton, „Storm Warning“) alles tun würde, um seinem Engel sämtliche Herzenswünsche wahr werden zu lassen.
Während sein Kiffer-Kumpel Sac (Richard Wilson) das Gothic-Girl Mia (Jessica McNamee) zum Tanz bittet, findet sich Brent gefesselt und geknebelt in einem der groteskesten und grausamsten Szenarios wieder, das man sich nur vorstellen kann…
Oberflächlich betrachtet erzählt Regisseur und Drehbuchautor Sean Byrne in „The Loved Ones“ zwei separate Storys (die von Brent und die von Sac), welche, wenn man das Werk nun wirklich auf seine Horrorelemente reduziert, nur gegen Ende einen inhaltlichen Berührungspunkt besitzen.
An dieser Stelle werden dann auch einige kritische Stimmen laut, die die
Prom-Szenen als überflüssigen Ballast abtun.
Natürlich bildet das Grauen, das Brent wiederfährt, schon das Zentrum des Geschehens, doch eigentlich spielen sämtliche Handlungsstränge eine bedeutende Rolle, wenn man das Thema „Liebe und Leid“ als universellen roten Faden in der Geschichte für sich entdeckt hat.
Wenn man sich mit dem Film etwas genauer beschäftigt, fällt auch schnell auf, wie viel Kontur und Tiefgang trotz der geringen Laufzeit in wirklich jede der Figuren gesteckt worden ist - manchmal allerdings nur durch kleinere Gesten.
Nun sollen Genre-Fans durch diese etwas andere Sichtweise keineswegs vom Kinobesuch abgehalten werden – denn diese bekommen im Verlauf noch so einige böse Überraschungen geboten, die sich am Ende in einer pechschwarzen Gewitterwolke aus Schmerz und purer Gewalt über dem abgelegenen Hexenhäuschen entladen.
Hier treffen dann „Carrie“ und „Misery“ während einer grotesk-comichaften Liebesfolter aufeinander, die aber dramaturgisch so geschickt durch die verzweifelte Suche durch Brents Angehörige in der Realität verankert wird, dass man als Zuschauer nicht unberührt auf das Blutbad starrt.
Dieser Spagat aus Drama, Horror und Komödie ist mit Sicherheit ungewöhnlich und gewagt, aber Sean Byrne hat das Kunststück vollbracht, seiner sehr eigenen Kreatur ein Herz und ein Hirn zu schenken – und genug Kunstblut, um damit auch die hartgesottenen Zuschauer zufrieden zu stellen.
„I love, I've waited long enough / I try as hard as I can“ – diese Zeilen aus dem prägnant eingesetzten Popsong „Not Pretty Enough“ von Kasey Chambers wird man nach „The Loved Ones“ als rücksichtslose Kampfansage ansehen.
Wahnsinnig – aber vor allem
wahnsinnig gut!