Fremdschämen ist ja schon was schönes. Man beobachtet andere Leuten – d.h. überwiegend Vollpfosten - wie sie sich zum Deppen in aller Öffentlichkeit machen, und reagiert dann irgendwie darauf. Man lacht, möchte aber gleichzeitig wegschauen und am liebsten im Boden versinken. Insofern schaue ich gerne DSDS-Castings, denn das ist ja zu großen Teilen Fremdschämen deluxe, und die Dramaturgie steht italienischen Barbarenkloppern in nix nach. Da wir hier aber wohl kaum DSDS besprechen werden, wanderte ich gestern in die örtliche Sneak Preview, um endlich The Fall zu sehen.
Nun gut, geneigter Leser, wie du dir wahrscheinlich beim Anklicken von „Sex Drive“ schon dachtest: The Fall lief wohl nicht in der Sneak.
Denn, wer hätte es erwartet, es war tatsächlich „Sex Drive – Spritztour“: welch witziges Wortspiel im deutschen Titel, damit hat der Film die Lacher schon auf seiner Seite; oder eben auch nicht. Worum „geht es“? Ian, gesichtsloser Teenie-Kömödien-Bubi aus dem Baukasten „American Pie für Dummies“, macht über das Internet ein Date mit Ms. Tasty aus, die sich allerdings mehrere Stunden Fahrtzeit entfernt in Knoxville befindet. Ian ist darüber hinaus noch Jungfrau, aber sein dicker Nerd-Kumpel Lance will da als Frauenexperte Abhilfe schaffen. Nach mehreren lustigen (oder auch nicht) Verwicklungen mit Ians großem Bruder Rex, der Ian für eine Schwuchtel hält, wird schnell Rexens Karre geklaut und Ians beste Freundin
Felicia eingepackt. Die beiden kriegen sich, das spoiler ich hiermit, weil das beim ersten Auftritt von Felicia schon klar wird. Was folgt ist eine Odyssee durch Meere von Sperma, Urin, Kot, sonstigen Körperausscheidungen und zahllosen verbalen Anzüglichkeiten.
Business as usual quasi. Mag man von Sexkomödien und Teenieklamotten halten was man will, aber American Pie der das Genre wiederbelebt hat, war in meinen Augen sicherlich kein schlechter Film. Und genau an dieses große Vorbild versucht sich Sex Drive stellenweise krampfhaft anzuhängen, wie sollte es auch anders sein. Nur dumm, dass der Film dabei einen Fehler macht, den American Pie eben nicht macht, was diesen Film von seinen zahlreichen Epigonen unterscheidet: American Pie bedient sich zwar klischeehaften Charakteren, nimmt diese jedoch ernst und lässt sie menschlich sein. Sex Drive tut genau das nicht, und dort liegt dann auch die Crux begraben, warum diese ganzen Kot-Kotze-Sperma-und-Urin-Filme so selten funktionieren. Die handelnden Personen bei Sex Drive dienen nur dem Effekt, dem Gag. Man sorgt sich nicht um sie, man fiebert nicht mit ihnen mit. Und ausserdem sind sie einfach Vollidioten. Ian und Felicia stellen sich an wie die ersten Menschen, man möchte sie am liebsten in den Koitus prügeln, damit das endlich mal ein Ende hat.
Symptomatisch für den Film und das Subgenre ist dann auch diese Doppelmoral, die typisch für solche US-Produktionen ist. Und doch muss ich an dieser Stelle Kudos für die Filmmacher aussprechen, dass sie die Figuren von Randy und Andy (...) eingebaut haben. Die beiden sind die typischen Jugendlichen, die man aus diesen Filmen kennt. Das tolle an ihnen ist eigentlich ihre Funktion. In den beiden Figuren wird das ganze Genre destilliert und in verkleinerter Form mit all seinen Problemen vor Augen geführt: sie baggern, werfen mit Anzüglichkeiten um sich und wirken einfach extrem frivol, freigeistig und modern. Und sobald es im Film ernst wird – sie kriegen tatsächlich quasi die Chance zum Vögeln – ziehen sie den Schwanz ein. Wie eben Sex Drive und Konsorten auch. Man gibt sich schweinisch, frivol und liberal, vertritt aber im Endeffekt konservative Werte und hat nicht die Eier (diese vielen Phallusanalogien in dieser Rezension...), die eigene Schiene dann auch einfach mal durchzuziehen. Sex Drive pöbelt in übelster Art gegen Schwule und Amish People, drückt sich am Ende aber mit zwei lieblos dahin gerotzten Sätzen vor der eigenen Verantwortung. Achja, und das der ganze Aufhänger der Jungfäulichkeit ja nicht so schlimm ist, wird auch explizit gesagt.
Witze um der Witze willen. Ein großer Penis an einem Donutmaskottchen, der nur für ein paar billige Scherze dient. Menschen urinieren in Autokühler, Hillbillie-Ladies stehen auf Kotspiele, Mütter rutschen auf vollgewichsten Boxershorts aus und bekommen Kondome ins Haar – man kennt das, es ist traurig, man schämt sich, und doch lacht man manchmal drüber.
Und jedes Mal stirbt ein kleiner Teil der Seele.
Ich sehne mich schon nach „Sex Drive 2 – let's hit Europe“. Diesmal mit noch mehr Sperma und Urin. Dafür gehen die Helden am Ende ins Kloster. Nicht aber ohne vorher ins Bier gepisst und vom Eiffelturm onaniert zu haben. Und nicht Fall Out Boy, sondern eine beliebig andere Collegerockband begleitet die austauschbaren Gesichter im austauschbaren Plot mit ihren austauschbaren Liedern.
Vielen Dank. Ich schau mir jetzt American Pie an.