Die Idee, das Grindhouse-Kino der 70er Jahre mal neu zu beleben, ist ja nicht zuletzt seit den Herren Rodriguez und Tarantino nicht unbedingt die neueste mehr. Beide haben es mit ihrem Double-Feature probiert, beide mit sowohl kommerziell als auch künstlerisch sehr übersichtlichem Ergebnis – mit Grindhouse haben beide Filme meiner bescheidenen Meinung nach nicht viel zu tun. Wie soll das nun ein No-Name namens Scott Sanders mit einem bruchteilhaften Budget von knapp 3 Millionen Dollar besser machen, wenn er sich sogar noch auf eine Nische, nämlich das Blaxploitation-Kino konzentriert, dessen bekanntester Vertreter wohl Shaft sein dürfte, und dem sich Tarantino mit
Jackie Brown auch schon einmal angenähert hat? Mit viel Liebe, Faible für das Genre und nicht zuletzt einem superben Hauptdarsteller!
It's Black Dynamite, Bitches!
Der Bruder von Black Dynamite wird auf offener Straße erschossen. Natürlich beginnt Dynamite zu ermitteln, muss sich dabei mit Vorgesetzten rumschlagen, ein paar Frauen beglücken, den ein oder anderen Goon erlegen und gleichzeitig noch das Waisenhaus und die Nachbarschaft von der Flut einer neuen Droge befreien. Denn niemand wagt es, sich Black Dynamite! in den Weg zu stellen, denn Dynamite ist wahrlich bad-ass...oder sitzen die Verschwörer selbst für Dynamite zu hoch? Nachdem er seine License to kill als ehemaliger CIA-Agent wiedererlangt hat,
kann er gemeinsam mit seinen Freunden von den Black Panthers anfangen, im Sumpf des Verbrechens aufzuräumen und hinter das Geheimnis des Anaconda Malt Liquor zu kommen; denn gibt dieser, wie es die Werbung suggeriert, dem geneigten Trinken wirklich nur das „Ooooooooooooo“, oder steckt da vielleicht nicht ein ganz teuflischer Plan dahinter?
Klingt abgefahren? Ist es auch.
Black Dynamite, geschrieben von Hauptdarsteller Michael Jai White (die Kampfmaschine aus
Iceman), zündet ein unglaubliches Feuerwerk an Gags, die entweder relativ hintersinnig, kompletter Nonsens, physical comedy oder auch mal völlig absurd sind. Dabei erinnert der Streifen oft an die Werke von Zucker, Abrahams, Zucker, ohne in die Sinnlosigkeit der Wayans-Brüder-Schiene abzudriften. Liebevoll wird das Genre der Blaxploitation veralbert, unglaubliche Afros zur Schau getragen, schmissiger R&B-Soundtrack zelebriert (dessen Sänger auch munter das aktuelle Geschehen auf der Leinwand beschreibt), geballert, gesprengt und immer mit einem kessen Spruch die Frauen des Films beglückt. Das wichtige dabei ist jedoch die eingangs erwähnte Liebe der Produktion: mit einem Augenzwinkern verneigt sich der Film vor seinen Vorbildern, gibt Platz für überbordende Parodie und atmet dabei zugleich den Geist eben jener Filme; es gehört eben doch mehr dazu, als ein paar künstliche Abnutzungserscheinung über das ansonsten gestochen scharfe und mit viel CGI gepimpte Filmmaterial zu legen, nicht wahr, die Herren Tarantino und Rodriguez (ja, ich habe eine starke Abneigung gegen Death Proof und
Planet Terror)?
Dabei funktioniert der Film jedoch nicht nur als reine Nummernrevue von Witzen und Gags, sondern auch als Film an sich, als Emulation einer vergangenen Zeit, bleibt er immer sehenswert. Munter wird da alte Schnitttechnik aufgefahren, es gibt kaum digitale Spielereien, Bluescreens und Rückprojektionen sehen nach dem aus, was sie eben sind, die Geschichte nimmt eine irre Wendung nach der anderen (als Black Dynamite dann endlich sagt „Now it all makes sense!“ lacht man sich schlapp, wie unerwartet aber brillant dieser Twist ist – und weiß noch nichts von dem allerletzten Plottwist, der so unglaublich genial ist, dass allein die Idee im Kino für Applaus sorgte), und macht für Nostalgiker des 70er Jahre Genrekinos allein durch das Zuschauen jede Menge Freude. Cast und Crew haben ihre Hausaufgaben wahrlich gemacht.
I said: CAN YOU DIG IT?
Denn auch auf der technischen Seite stimmt alles:
Der Look des Film ist angemessen alt und bedient sich eben nicht nur ein paar übergelegten Abnutzungserscheinungen, bei schnellen Schwenks darf auch mal ein Mikro im Bild baumeln und gerade vor oder nach Schnitten scheint der Editor ein paar Frames manchmal zu viel im Film gelassen zu haben, ohne dass diese technischen „Fehler“ überstrapaziert werden. Kongenial dazu ist Michael Jai White bzw. sein Charakter Black Dynamite! White hat natürlich diese enorme Physis und Kampfkraft, die ihn schon in Iceman so sehenswert macht, beweist aber im vorliegenden Film noch diese ungeahnte Talent zur Komik, das man ihm nach seinen sonstigen bierernsten Streifen kaum zugetraut hätte. White ist auch hier wieder nicht der größte aller Schauspieler, aber gerade das passt superb in den Film: er darf als Black Dynamite gerade in gefühlsbetonten Szenen munter chargieren, in Monologen auch fröhlich an der Kamera vorbeischauen was ein ablesen oder klammern an den Regisseur zeigen soll, und nicht zuletzt als Kampfmaschine beim Rumwirbeln mit Nunchaks unsicher vor sich hinblinzeln – könnte ja ins Auge gehen. Dazu die tiefe Stimme, der tolle Afro und der stoische Blick: fertig ist hoffentlich eine neue Franchise-Figur.
Denn auch die Figur Black Dynamite! rockt das Haus (angeblich ist das übrigens sein richtiger Name, auch das Ausrufezeichen am Ende gehört dazu ;))! Der gute Herr kloppt und schießt sich durch seine Feinde, beherrscht mehrere Kampf- und Ninjatechniken (
How did you get in here? -I walked. -So, you're a sneaky nigger?) und hat sich seine Sporen auch schon in Vietnam verdient, wo er auch gleich ein Kriegstrauma mit nach Hause brachte, was er in einem Monolog äußerst graphisch beschreibt, als er einen chinesischen (!) Jungen in einer Hütte fand, und dieser ihn mit seinen chinesischen Augen ansah und ihn anflehte; und obwohl Dynamite kein chinesisch versteht (oder vielleicht doch? :D) wusste er doch, was der chinesische Junge in Vietnam sagte:
Why, Black Dynamite, why?
Einfach brillant dieser Charakter und seine Freunde, von den Black Panthers, über Roscoe, ein Imbissbesitzer bis hin zu den örtlichen Zuhältern, die in einer absurden Sequenz endlich hinter das Geheimnis des Films kommen, als ganz klischeehaft ein Nebendarsteller einen unbedachten Halbsatz sagt. Darüberhinaus spielen die Autoren und Darsteller dann auch noch ganz wunderbar mit den Klischees von Schwarzen und Weißen (
I’m blacker than the ace of spades. I’m more militant than your whole army!), und allein der evil masterplan funktioniert nur aufgrund des parodierten Klischees von afroamerikanischen Männern, dass sie sich hier aber auch noch selbst zuschreiben. Famos!
Es gibt eigentlich wirklich keinen Kritikpunkt an diesem Film, der mir in den Sinn kommen würde. Das Tempo ist hoch, die Gags sitzen, die Umsetzung ist liebevoll, der Streifen ist mit bisserl über 80 Minuten bei weitem nicht zu lang, die Action ist auch im Stil des damaligen Kinos, und White hat endlich eine richtige Rolle für sich gefunden.
What about a little smile? -I am smilin'!
Instant Cult-Classic. Anschauen! Und für mich jetzt schon der beste Film des FFF 2009. Ein Geniestreich, in einer besseren Welt würde er einen weitflächigen Kino-Release, auch in Deutschland, bekommen.