Manchmal kommt es einem so vor, dass man sich vollkommen Fehl am Platz fühlt. Man ist umkreist von seltsamen Personen, die einen komisch von der Seite anschauen und der Platz, an dem man sich befindet, hat etwas dezent Ungewöhnliches an sich. So in etwa war es für mich, als ich vor ein paar Wochen bei der Anime Konvention in Graz war. Im Rahmen des Filmasia Festivals okkupierten Manga und Animefiguren ein Kino. Als Normalsterblicher bekommt man da schon einen leichten Schock, wenn auf einmal real gewordene Zeichentrickfiguren umherspringen und sich seltsame japanische Begriffe an die Köpfe werfen. Da liegt der Vergleich mit Tokio nicht fern, denn auch wenn jetzt die Präsenz von Pikatchu & co nicht so extrem war, wie man es schon oft bei verschiedenen Reportagen über Tokio gesehen hat, spürte man dennoch einen Hauch vom „verfreakten“ Asien im österreichischen Kino. All diese „Strapazen“ hab ich auf mich genommen, wegen der Österreichpremiere von „Paprika“, der neue Film von Satoshi Kon. Und ohne jetzt übereuphorisch zu wirken, es hat sich voll und ganz ausgezahlt, mir mit diesen skurrilen Charakteren ein Kino zu teilen. Ehrlich gesagt würde ich es gleich noch einmal tun.
Der Film bietet so viel Schauwert, dass es wirklich schwierig fällt, wo man am besten anfangen soll. Am ehesten eignet sich wohl noch die Story, welche auf einem gleichnamigen Manga basiert und eine Mischung aus „Ghost in the Shell“ und „The Cell“ ist.
I
n nicht so ferner Zukunft ist es möglich, durch einen so genannten DC Mini seine Träume mit anderen Leuten zu teilen. Jeder der will, kann sich in den Traum von seinem besten Freund niederlassen und mit ihm zusammen durch die Traumwelt schreiten. Natürlich dient dieser DC Chip nicht nur für Unterhaltung, denn vor allem Psychologen sollen dieses Verfahren anwenden, um psychische Krankheiten zu heilen. Doch sind in letzter Zeit ein paar Chips gestohlen worden, was dazu führt, dass ein größenwahnsinniger „Terrorist“ die Leute dazu zu bringt, langsam durchzudrehen. Paprika ist das Alter Ego von Atsuko Chiba, der Leiterin der DC Mini Firma. Sie soll jetzt mit der Hilfe des Polizisten Tokita Kohsaku, den „Terroristen“ in der Traumwelt ausfindig machen und diesen das Handwerk legen.
Es ist bekannt, dass Kon mit Realität und Fiktion gerne herumspielt. Für den Zuschauer ist es dann nicht ganz leicht, dem Film zu folgen, da für ihn selbst die Grenze zwischen Traum und Realität mehr und mehr verwischt. Besonders extrem war es bei seinem Erstlingswerk Perfect Blue. Nie konnte man sich sicher sein, ob dass jetzt die reale Ebene war, oder doch wieder nur ein Traum. Bei Paprika ist es so ähnlich, vielleicht nicht ganz so extrem, aber dafür visuell um einiges ansprechender. Man wird ja schon von Anfang an von der Wucht der Bilder regelrecht mitgerissen. Mit einem Affenzahn geht die Geschichte voran. Die ersten 10 Minuten sind pure Hektik. Man weiß nicht so recht, auf was man alles schauen soll, da gibt es so viel zu sehen, aber so wenig Zeit.
Dann kehrt erst mal Ruhe ein, die Geschichte wird langsam aufgebaut und die einzelnen Charaktere werden etabliert. Wie jetzt zum Beispiel Chiba und deren Alter Ego Paprika, der gutmütige Polizist, welcher mit seiner Vergangenheit noch nicht ganz abgeschlossen hat. Oder der fettleibige aber immer noch jung gebliebene Wissenschaftler, auf dessen Idee der DC Mini Chip basiert. Ebenfalls sollte man nicht den kleinen, alten und schrulligen Professor vergessen, der für einige Lacher im Film sorgt.
Wenn es dann erst mal los geht, könnte man fast meinen sich auf einen Drogentrip zu befinden. Da folgt ein kreativer Einfall nach dem anderen, das Bild erstrahlt ihn tausenden von Farben, und seltsame Gestalten betreten die Bühne. Und ehe man sich an den Bildern satt gesehen hat, kommt schon der nächste visuelle Hochgenuss. Es ist schier nicht möglich, schon beim ersten Mal alles gesehen zu haben.
Da kann die Story im Vergleich nur verlieren, denn wenn man mal diese visuellen Ergüsse bei Seite lässt, bleibt eigentlich nur mehr eine typische Science Fiction Geschichte übrig, die ohne viel Innovation, oder gar überraschenden Wenden aufkommt. Der Subplot über die Vergangenheit des Polizisten Tokita Kohsaku ist vielleicht ganz nett, besitzt aber nicht die nötige Tiefe, um das Geschehen wirklich interessant wirken zu lassen.
Die Schwächen in der Story sind aber bald wieder vergessen, wenn Kon zum Finale bläst. Das Auge ist regelrecht kurz davor zu explodieren, da es fast unmöglich ist, all die Bilder bewusst aufzunehmen und zu verarbeiten. Das könnte man jetzt vielleicht als Kritikpunkt ansehen, ist aber ein wunderbarer und treffender Abschluss für den Film.
Ein weiteres Mal hat Kon bewiesen, dass er kein simpler Abklatsch der vielen japanischen Animegrößen ist, sondern seinen famosen Stil konsequent in jeden seiner Filme durchzieht. Schlussendlich bekommt man eine überladene Reizüberflutung zu Gesicht, die wohl nicht bei jedem gefallen finden wird, das Zielpublikum aber perfekt unterhaltet.