Wenn ein Film aufgrund seiner eingespielten Kosten und des offenen Endes geradezu nach einer Fortsetzung schreit, sieht man sich als Regisseur wohl mehr als nur ein wenig unter Druck gesetzt: Auf der einen Seite sollte man Film Nummer zwei schnellstmöglich im Kasten haben, damit der Hype, der sich um den ersten Teil gebildet hat, nicht schon am Abflauen ist, wenn die Fortsetzung endlich auf der Leinwand zu bewundern ist. Auf der anderen Seite aber gilt es einen Film zu toppen, der ein Kassenschlager war und unheimliche gute Kritiken einheimste. Da heißt es also Ruhe bewahren und zusehen, dass man sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht.
Der erste Teil war gespickt mit vielen spannenden Geschichten: Zuerst musste sich Peter Parker (Tobey Maguire) in seine neue Rolle als Spiderman einleben, mit seinen Gefühlen bezüglich der rothaarigen Schulschönheit MJ (Kirsten Dunst) klar kommen und dann auch noch gegen einen übermächtigen, grüngesichtigen Feind (Willem Dafoe) kämpfen, der New York bedrohte, nachzulesen
hier. Was kann da also noch kommen, um zwei Stunden mit Spannung und neuen Geschichten zu füllen? Die Antwort: eine ganze Menge…
Gleich zu Beginn des Films wird unsere freundliche Spinne aus der Nachbarschaft mit einer Herausforderung konfrontiert: Innerhalb von acht Minuten soll Peter Parker auf seinem klapprigen Moped ein paar Pizzen ausliefern – und
verliert prompt seinen Job als Fast-Food-Lieferant. Das soll es aber natürlich nicht gewesen sein: Während sich Peter auf der einen Seite damit herumschlagen muss, mehr Geld zu verdienen und bei seinem Professor an der Uni mehr Anerkennung zu bekommen, sieht sich Spider-Man mit einem Wissenschaftler konfrontiert, der sich selbst und seine Erfindung überschätzt und zum metallarmigen Monster Doktor Oktopus“ (Alfred Molina) mutiert.
Das Tolle an den Spider-Man-Filmen ist die Figur des Spinnenmanns selbst, der nicht einfach einen perfekten Held repräsentiert, sondern mit ganz alltäglichen Problemen und Gewissensbissen zu kämpfen hat, die ihn sympathisch und vor allem menschlich machen. So dient auch ein Großteil der Handlung in „Spider-Man 2“ dazu, Peter Parkers Persönlichkeit weiter zu entwickeln und als komplexen Menschen kennen zu lernen, der über den Unicampus stolpert, von Schuldgefühlen geplagt wird, pleite ist und sich immer wieder fragt, wer er nun eigentlich ist und wer er in Zukunft sein will – ein ganz normaler Junge, der seine Hausaufgaben macht und eine Freundin hat oder ein Superheld, der Leben rettet, im Privaten aber ein Verlierer ist. Als Spider-Man dann auch noch vorübergehend seine besonderen Fähigkeiten verliert, scheint der Konflikt groß genug, um damit 122 Minuten gut füllen zu können.
Zum Glück sind auch die anderen Hauptdarsteller aus Teil 1 wieder mit dabei, so dass man in MJ, Harry Osborne und Tante May bekannte Gesichter entdeckt, deren Darsteller für ihre Rollen wie geschaffen scheinen und keinen ebenbürtigen Ersatz zulassen würden.
Brennende Häuser, zerschmetterte Autos, Züge, die ungebremst ins Nirgendwo schießen, Menschen, die in die Tiefe stürzen, Frauen, die sich die Seele aus dem Leib kreischen und Männer, die gegen Hauswände geschleudert werden: „Spider-Man 2“ bietet das komplette Programm an Action und übertrumpft seinen Vorgänger da noch bei Weitem, so dass es dem Zuschauer gar nicht langweilig werden kann, da ihm kaum eine Verschnaufpause gegönnt wird.
Was wieder zu finden ist, ist die Unterteilung zwischen Gut und Böse, allerdings ohne die oberflächliche Schwarz-Weiß-Malerei. So ist Spider-Man als Superheld auch nicht fehlerlos und der Bösewicht Dr. Oktopus eigentlich ein liebevoller Ehemann und strebsamer Wissenschaftler, der von einer Maschine beherrscht wird, die er am Ende selbst zur Strecke bringt. Was bleibt sind Hauptfiguren, die mehr als ein Gesicht haben, und ein altbekanntes Motto, die Sache mit „great power – great responsibility“, die erweitert wird durch Tante Mays weise Worte: „There is a hero in all of us.“
„Spider-Man 2“ bietet sicher für jeden Zuschauer etwas, nicht nur für Spidey-Fans. Mit einer Mischung aus auflockerndem Humor, Romantik, Nachdenklichkeit und Spannung, durchzogen von rasanter Action und umhüllt von einem Hauch Fantasy ist dieser Film so abwechslungsreich und fesselnd, wie man es sich für eine gelungene Fortsetzung des ersten, schon sehr guten Films nur wünschen konnte.