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American Beauty

American Beauty

Ein Film von Sam Mendes

Zu Beginn hören wir eine Stimme (Kevin Spacey)aus dem Off, die sich als bereits Verstorbener zu erkennen gibt, der uns die letzte Zeit vor seinem Tode, in der er allerdings schon nicht mehr lebte, erzählt.

Was „American Beauty“ unter anderem so hervorragend macht, ist die differenzierte Charakterisierung seiner Figuren:
Wir haben hier den frustrierten Familienvater Lester Burnham, der ein unerfülltes und sinnleeres Leben führt. Jeden Morgen wixt er unter der Dusche, da es in seiner Schein- und Gewohnheitsehe (Zitat: „Unsere Ehe besteht nur noch aus Fassade! Ein Webespot, der zeigt wie normal wir sind, obwohl wir alles andere als das waren.“) ohnehin schon lange keinen Sex mehr gibt. Als Lester sich jedoch in eine Schulkameradin seiner Tochter verliebt, stürzt er in die Middle Life-Crisis und beginnt sein Leben derart radikal umzukrempeln, dass es schon wieder krankhaft wirkt. Dennoch wird er zum Glücklichsten aller Protagonisten, richtet er sich doch nicht mehr nach den Erwartungen der anderen und entdeckt seine verlorene Individualität wieder.
Seine zickige und frustrierte Ehefrau Carolyn (Annette Bening) indes ist der Superlativ von neurotisch und pingelig. Sich selbst verachtend klammert sie sich mit einem aufgesetzten Zahnpastalächeln und hysterischem Gelache an die gewohnten starren Formen, um nicht unterzugehen. Trotzdem wird sie als ein bedauernswertes menschliches Wesen dargestellt, die einmal mit ihrem Leben glücklic
h und zufrieden war (siehe Zitat unten) und bräuchte dringend Unterstützung, Anerkennung und Geborgenheit. Sie kann und will ihr Leben nicht mehr ändern, ohrfeigt sich stattdessen selbst für ihre Schwächen, und ist einer der bemitleidenswertesten Charaktere des Films (Filmzitat: „Wann bist du nur so freudlos geworden? Was ist aus dem Mädchen geworden, das bei Studentenpartys immer Anfälle vortäuschte wenn ihr langweilig wurde? Die aufs Dach unseres ersten Appartements gerannt ist, um vor den Verkehrshubschraubern zu entblättern. Hast du sie etwa vollkommen vergessen?“)
Der ewig gestrige Nachbar und Haustyrann Col. Frank Fitts (Chris Cooper) ist eine schwache Persönlichkeit, der sich hinter aufgesetzter Männlichkeit und Gewalt verbirgt und seinen eigenen Sohn (Wes Bentley) misshandelt und schlägt, weil er nur auf diese Weise seine Zuneigung zum Ausdruck bringen kann, während seine depressive Frau (Allison Janney) lediglich den Stellenwert einer Zimmerpflanze für ihn zu haben scheint. Obwohl oder gerade weil er so radikal homophob ist, hat er selbst homosexuelle Neigungen, die er mit voller Verachtung bis zum tragischen Ende (!) zu verdrängen sucht.
Die Tochter der Burnhams Jane (Thora Burch) und Fitts Sohn Ricky wirken noch am zufriedensten. Sie bräuchten zwar mehr Zuwendung und Herzlichkeit und fühlen sich alleine und im Stich gelassen, sie entdecken jedoch neben ihrer Zuneigung füreinander auch ihre innere Schönheit und Einzigartigkeit und versuchen sich dem Druck und den Erwartungen der Gesellschaft durch ihre innere Stärke und ihr gewonnenes Selbstvertrauen zu entziehen.
Auch die bereits erwähnte Schulkameradin Angela (Mena Suvari), die sich als Nymphomanin gibt und sehr oberflächlich scheint, ist – wie sich zum Schluss herausstellen wird – ein hilfloses, verlorenes Mädchen, das Angst vor dem Gewöhnlichsein hat sowie mit großen Minderwertigkeitskomplexen behaftet ist und daher, um Selbstbestätigung zu finden, von jedem Mann als Lustobjekt wahrgenommen werden möchte, nur um überhaupt wahrgenommen zu werden.
Hier sei auch noch das schwule Nachbarpärchen erwähnt, welche als die makellosesten und gesündesten Personen des Films dargestellt werden. Geht man davon aus, dass ein großer Teil der Bevölkerung Homosexualität noch immer als „abnormal“ bezeichnet, ist diese Charakterisierung wohl als eine Umkehr des Klischees zu verstehen, die „Normale“ (ich hasse dieses Wort in Bezug auf Menschen) - Heterosexuelle mit Familie nämlich - „abnormal“ macht und „Abnormale“ „normal“.

Der Film hütet sich davor irgendjemandem die Schuld für das katastrophale Leben aller Beteiligten in die Schuhe zu schieben und verurteilt keinen der Charaktere, sind sie doch alle Opfer ihrer selbst bzw. des gesellschaftlichen Systems.
Die Personen sind zwar sehr überzeichnet und haben alle große psychische Defizite, in irgendeiner Form haben wir dies jedoch in abgeschwächter Form alle, zumindest Tendenzen. Daher tut es richtig weh mit ansehen zu müssen, wie sehr die Charaktere in und an ihrem Leben leiden.
Die Mordszene gestaltet sich wie ein klassischer Krimi, bei der alle Personen irgendein Motiv haben Lester zu beseitigen. Die Auflösung ist dann aber doch überraschend (und wird nur ganz kurz in einem Flashback gezeigt, also bitte genau hinsehen!), rechnete der Zuseher doch damit, dass Carolyn ihren Gatten ermorden werde.

Die einzelnen Themen von „American Beauty“ herauszugreifen ist unmöglich, zu vielschichtig und komplex sind Charaktere und Geschehen. So werden nicht nur Themen wie Zwangsneurose, Körperkult, Konsumwahn, familiäre Gewalt und Geisterbahn Familie, sondern auch Tabuthemen wie Selbstbefriedigung und Homosexualität nicht gescheut.
Einer der augenfälligsten Aspekte sind hier allerdings die Doppelmoral, der Trug und die Scheinheiligkeit der handelnden Personen, die Fassade, die sie um jeden Preis aufrecht zu erhalten suchen. Da es wichtiger ist, was die anderen von ihnen denken, gestalten die Protagonisten ihr Leben so, wie (oder wie sie glauben, dass) es von der Gesellschaft erwartet wird und erkennen dabei nicht, dass sie Sklaven des Systems und ihrer selbst werden. Somit werden sie gelebt statt zu leben und fristen ein unhinterfragtes Schattendasein, was zu innerer Leere, Sinn- und Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Selbsthass führt. Kommt jedoch jemand wie Lester, der das Gerüst, auf welchem seine Mitmenschen ihr Weltbild errichtet haben, zum Wanken bringt, so reagieren sie - gut ersichtlich am Beispiel von Carolyn - mit Aggressivität und Hass, und bevorzugen die Lügen, die sie unzufrieden leben lassen, anstatt mühsam ihr Weltbild in Frage zu stellen, umzugestalten und sich selbst so zu lieben wie sie sind.

Die Scheinheiligkeit der Gesellschaft zeigt sich gut in jener Szene, wenn Lester im Ehebett neben seiner Frau onaniert, die sich hierauf aufplustert und zu moralisieren anfängt, nur um es dann kurz darauf voller Hingabe mit einem anderen Mann zu treiben.
Hier zeigt sich aber, dass unhinterfragte moralische Normen meist nicht aus Überzeugung gelebt werden (wenn sie denn gelebt werden), sondern häufig nur aus Anpassung an die allgemeinen Moralvorstellungen und aus gesellschaftlichem Druck. Die wahre Diskrepanz liegt meiner Meinung nach darin, dass viele die moralische Messlatte unbewusst so hoch ansetzen, nur um schneller unten durchzurutschen, denn viele hehre Ideale kann schlicht und einfach niemand auf Dauer in seinem Leben verwirklichen. Zudem erwarten viele vom anderen mehr, als von sich selbst und fällen dabei nur allzu schnell ein Urteil.

„American Beauty“ ist zwar eine amerikanische Produktion, die in Amerika spielt, wir müssen aber nicht so weit gehen, um zu erkennen, dass auch bei uns dieselben gesellschaftlichen Missstände, die der Film so heftig kritisiert, vorherrschen. So ist der Mammon von jeher der oberste Gott, Erfolg und Leistung sind seine höchsten Gebote. In dieser utilitaristischen Lebensgestaltung leben wir oft gar nicht mehr, leben aneinander vorbei und realisieren unser Leben nicht.
Stattdessen erwarten wir permanent noch mehr Geld und Materielles, noch mehr Macht über andere. Dabei liegen Schönheit und Zufriedenheit häufig in den kleinen Dingen, die man nicht erkaufen kann, wie z.B. in den Blättern, die der Herbst braun färbt oder im Gesang eines Vogels, und wir vergessen, dass wir unser Leben, unsere Wahrnehmung und Wirklichkeit selbst gestalten dürfen.

Der Film philosophiert in sehr blumigen und getragenen Worten über den Sinn des Lebens, über Schönheit und die Welt (Zitat: „Es gibt manchmal so viel Schönheit in der Welt, dass ich sie fast nicht ertragen kann, und mein Herz droht dann daran zu zerbrechen“). Dies mag sich jetzt vielleicht aus dem Kontext gerissen kitschig anhören, integriert sich aber perfekt in den melancholischen Tenor der Dramaturgie.

„American Beauty“ ist ein satirisches Drama, an dem man weder Spaß noch Unterhaltung finden wird. Wenn man einmal lachen muss, dann ist es ein hysterisches Lachen, welches durch groteske Überraschungseffekte hervorgerufen wird, und das uns helfen soll das Ansehen des Films erträglicher zu machen. Doch hinter jeder komischen Einlage, hinter jedem Dialog steht bitterer Ernst und große Tragik. Wer anspruchslose Unterhaltung sucht wird daher mit „American Beauty“ wenig Freude haben.


Eine Rezension von Florian Friedrich
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Daten zum Film
American Beauty USA 1999
(American Beauty)
Regie Sam Mendes Drehbuch Alan Ball
Produktion Bruce Cohen, Dan Jinks
Darsteller Kevin Spacey, Annette Bening, Thora Birch, Wes Bentley, Mena Suvari, Chris Cooper, Allison Janney
Länge 122 min FSK 16
Kommentare zu dieser Kritik
Stefan R. TEAM sagte am 13.02.2007 um 13:01 Uhr

"(...)ein satirisches Drama, an dem man weder Spaß noch Unterhaltung finden wird (...)"

Besser hätte ich es nicht zusammenfassen können. Eine sehr gelungene Rezension eines Meisterwerks, wie es das Kino leider viel zu selten hervorbringt.

Stefan R.
Zombie-mower TEAM sagte am 17.03.2007 um 21:38 Uhr

American Beauty ist wirklich großartig.
Er ist durchwegs witzig, tragisch und einzigartig - meist alles zugleich. So kann ich wirklich keine Szene nennen, die nicht einen Teil des Ganzen bildet und entbehrlich wäre.
Menders hat mit diesem Film sich in der Filmgeschichte unsterblich verewigt.
Einerseits bemerkenswert, andererseits sehr schade, dass er dies mit seinem ersten Film bereits erreicht hat. Denn die nachkommenden Menders-Filme haben (wie in der beschriebenen Handlung) eine so hohe Messlatte zu nehmen, dass es schier unmöglich ist, heran zu kommen.
Was American Beauty im Gegensatz zu "Road to Perdition" und "Jarhead" unbestreitbar vorweisen kann ist eine episodenhafte Erzählstruktur, in der die jeweiligen Charaktere so tiefgründig behandelt werden und die fließend in eine Gesamthandlung verwunden wird. Das ist das Geheimnis des Erfolgs.
Menders hat einen außergewöhnlichen Sinn, Geschichten in schönen Bildern zu erzählen - er ist unbestreitbar talentiert - aber die wirklich nötige Substanz findet sich (leider) nur in diesem Werk.
American Beauty kann also nicht hoch genug gelobt werden.

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