Eine meiner ersten Erinnerungen an filmischen Grusel betrifft nicht einmal einen Horrorstreifen, sondern so unglaublich es klingen mag, vielmehr eine oscarpämierte Familienkomödie: Bigfoot und die Hendersons aus dem Jahre 1987 lehrte mich das fürchten und die Kreatur aus der Werkstatt von Rick Baker bescherte mir so manchen Albtraum. Aus psychotherapeutischen Gründen (und weil ich das Highlight-Gif des Films schon vorher gesehen hatte), legte ich mir doch vor kurzem mal wieder einen Bigfoot Streifen zu. Nachdem es die Hendersons immer noch nicht auf DVD gibt, griff ich also im örtlichen Müller zu dem vorliegenden Abominable für 5€ und ein paar Zerquetschte.
Zerquetschte gibt’s in dem Film auch fast. Immerhin macht Bigfoot, Sasquatch oder Reinhold Messner, nennt ihn wie ihr wollt, hier die Gegend unsicher. Bergsteiger Preston Rogers verlor bei einem Kletterunfall seine Frau und sitzt seitdem im Rollstuhl (ich sollte öfter Packungstexte lesen. DAS hatte ich nun überhaupt nicht erwartet – immerhin verkneift sich MIB ein „an den Rollstuhl gefesselt“.). Zusammen mit seinem Pfleger Otis begibt er sich in die Hütte nahe dem Ort des Geschehens (dem Todesfelsen *tusch*), um dort...keine Ahnung was zu machen. Schon bald kommt auch das Kanonenfutter, ääh, eine Gruppe von 5 Mädels an, die wohl Junggesellinnenabschied feiern wollen. Preston gerät schnell mit Otis aneinander, kann dadurch das Haus nicht verlassen, wodurch ihm nur noch sein Fernglas bl
eibt, um das Filmmonster zu beobachten, wie es eine Dame nach der anderen sich als Snack einverleibt...
Man kann ja sagen was man will: die Grundidee, Hitchcocks Das Fenster zum Hof mit dem Genre des Monsterfilms zu kreuzen, ist so dumm nicht. In diesen Szenen, wenn Preston nur durch sein Fernglas das Geschehen im Haus gegenüber (oder ausserhalb) beobachtet, funktioniert der Film eigentlich am besten und wird darüber hinaus manchmal auch gut spannend – wären da nicht Unzulänglichkeiten, wie die Tatsache, dass das Fernglas scheinbar zoomen kann und den Perspektivwechsel beherrscht. Trotzdem stellt sich durch die Unausweichlichkeit der Situation und der Handlungsunfähigkeit Prestons eine gewisser Thrill ein, den man in einem billigen Monsterstreifen nicht so unbedingt erwartet.
Das Drehbuch hat aber auch seine deutlichen Schwächen: den Mädels ist es scheinbar komplett scheissegal, dass ihre Freundin die tagsüber telefonieren gegangen ist, nachts immer noch nicht zurück ist. Der Plotpoint von Prestons toter Frau ist gar keiner, da sie bis auf einen Dialog gegen Ende überhaupt keine Rolle spielt. Er hätte genauso gut alleine verunglücken können. Witzig ist jedoch, wie Regisseur Schifrin manchmal mit den üblichen Logiklücken spielt. Da schreibt Preston eine Email an das Handy der Mädels, aber der Zuschauer flucht, warum der Depp sie nicht an die Polizei geschrieben hat – später ist jedoch klar, dass er dies auch getan hat (witzigerweise sieht man, als er nach der Telefonnummer der Mädels im Internet sucht, ein Banner mit dem Werbespruch „Act Now: Save Lifes!“)! Ebenso fragt man sich, warum das Internet geht, das Telefon aber nicht; kein Wunder, läuft das Internet über Satellit. Nur dumm, dass irgendwann der Strom ausfällt, und Autor und Regisseur Schifrin vergisst, dass Preston eigentlich einen Laptop hat, der aber auch sofort mit ausgeht.
Insofern muss man auch sagen, dass der Film lange Zeit ein bisschen vor sich hinplätschert. Der Cast ist überschaubar (Otis macht nach kurzer Zeit gar nix mehr, Preston spannt halt, die Mädels werden halt langsam dezimiert), die Handlung ebenso, und Regisseur Schifrin fällt auch nix ein, um den Film zu strecken, wenn er ihn schon über 90 Minuten bringen muss. Symptomatisch ist die Szene mit den Jägern, die zwar angenehm selbstironisch ist („Der ist auch so ein Kandidat für den Darwin-Award.“, als ein Jäger sich von der Gruppe trennt), allerdings steht sie praktisch in keinerlei Zusammenhang mit dem Film, sondern verheizt nur einen Großteil der Gaststars auf völlig unspektakuläre Weise – namentlich Jeffrey Combs, Lance Henriksen und Rex Linn. Vergeudetes Potential und Personal! Auch andere bekannte Gesichter, wie Dee Wallace Stone, Paul Gleason und Tiffany Shepis haben schlicht und ergreifend nichts zu tun; letztere sorgt immerhin für die nötige Portion T&A sowie einen witzig-spritzigen Abgang. Insgesamt ist die Inszenierung sowohl vom Drehbuch als auch von der Regie (was beides auf die Kappe von Ryan Schifrin geht) nicht zupackend genug um Abominable als richtigen Horrorfilm funktionieren zu lassen, andererseits wird auch nicht versucht, die Geschichte als selbstironische Horrorkomödie und Monsterspaß zu konstruieren.
Immerhin packen Schifrin und sein Team dann in 2 ½ Szenen die Gorekeule aus, was von ein paar entstellte Leichen über einen saftigen Kehlenbiss bis zum Highlight des Gekröses (eben in der Einleitung angesprochenes Gif) führt: Bigfoot hakt seinen Kiefer aus, und beißt einem Castmitglied das Gesicht frontal zur Hälfte ab, lässt dabei aber Kinn und Unterkiefer dran! Das Geschmodder ist technisch einwandfrei gelöst, in der Härte allerdings nicht nachzuvollziehen. Der Film ist über weite Strecken äußerst harm- und blutlos, packt dann aber gegen Ende eben diesen einen derben Effekt aus; was sicherlich auch die Freigabe kostet und eventuelle Fernsehausstrahlungen einschränkt. Wie gesagt, handwerklich sind die Effekte top-notch, und auch die Monstersuit macht Spaß. Man verzichtete Gott sei Dank auf CGI und arbeitet mit klassischen Man-in-Suit-Effekten, was mir immer wieder gefällt. Sowas ist schonmal die halbe Miete. Ebenso over-the-top für einen solchen B-Film ist der Soundtrack, der immerhin aus der Feder von Lalo Schefrin, Ryans Vater, stammt, aber einem Film dieser Preisklasse etwas unangemessen ist.
Zeitverschwendung ist es nicht, aber auch kein Highlight. Die Idee ist nett, die Umsetzung äußerst durchwachsen, die Gaststars werden verheizt. In gemütlicher Runde durchaus ansehbar, dauert ja nicht zu lange, und falls man doch Gefallen an dem Streifen findet, ist die DVD von MIB ebenso unverhältnismäßig ausgestattet wie der Film mit seiner musikalischen Untermalung: immerhin bekommt man für nen Appel und ein Ei den Film in Deutsch und Englisch, einen Audiokommentar, ein fast 40-minütiges Making-Of das so ziemlich die ganze Produktion abdeckt (und dabei das Gore-Highlight mit behind-the-scenes aufklärt), mehrere Trailer, Outtakes , Gallerien sowie Deleted und extended Scenes. Nunja. Vorbildlich.