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Jungle Holocaust

Jungle Holocaust

Ein Film von Ruggero Deodato

Der Geschäftsmann Robert Harper fliegt mit seinem Freund Rolf auf die philippinische Insel Mindanao, um einen bereits dort stationierten Außenposten zu besuchen. Die Landung klappt, doch dabei bricht ein Rad und das Camp stellt sich als verwüstet und verlassen dar, ist jedoch übersät mit steinzeitlichen Waffen. Als sie zurück zum Flugzeug gehen, ist es schon zu dunkel um in dem dichten Dschungel einen Start zu wagen. Nachts verschwindet dann die Begleitung des Piloten, und die Suche nach ihr entwickelt sich zu einem Kampf ums wortwörtlich nackte Überleben in dem dichten Dschungel der Kannibalen...

Das Kannibalengenre war eine sehr kurz andauernde Welle von Horrorfilmen, die innerhalb kürzester Zeit einen berühmt-berüchtigten Ruf erlangten und die filmischen Grenzen ein gutes Stück verschoben. Gleichzeitig, quasi eine Ironie der Metaebene, fraß sich das Genre selbst auf und verebbte in einer immer mehr Enttabuisierungen auf der Leinwand, gepaart mit Selbstkannibalismus der eigenen Genrefilme, sprich Verwendung immer gleicher Handlungsmuster und sogar exakte Übernahme von Szenen für völlig andere Filme. Natürlich tummelten sich auch hier wie fast immer die üblichen Verdächtigen: Ruggero Deodato und Umberto Lenzi lieferten sich einen Wettkampf um den Thron der Kannibalenfilmer, natürlich ließen sich auch die beiden Chargen Joe D'Amato und Jess Franco blicken, Sergio Martino lieferte auch seinen obligatorischen Beitrag, und ein weiterer Allesfi
lmer verschlief die Welle in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern: Bruno Mattei! Aber der lässt sich natürlich nicht lumpen und schob 2003 (!) zwei Filme in das inzwischen tote Genre nach. Letztlich kann man also sagen, dass das Genre ca. 1972 begann und ungefähr 1981 mit "Cannibal Ferox" von Umberto Lenzi schon wieder zu Grabe getragen wurde. Sicherlich gab es noch ein paar kleinere Filme nebenher, aber die Hauptwelle war schon wieder vorbei. Ruggero Deodato drehte insgesamt 2 1/2 Kannibalenfilme, die ich hier als seine Dschungeltrilogie bezeichnen möchte: "Jungle Holocaust", zu deutsch Mondo Cannibale 2 - Der Vogelmensch, "Cannibal Holocaust", zu deutsch Nackt und Zerfleischt (großartiger Titel!) und "Cut and Run", zu deutsch, nunja, Cut and Run. Aber gerade letzterer ist kein echter Kannibalenfilm mehr. Und sogar ersterer weist ein paar Unterschiede auf, die ich im folgenden erläutern möchte.
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"Jungle Holocaust" ist allein von seinem Feeling her mehr "klassischer" Abenteuerfilm als ein echter Kannibalenfilm. Dies liegt sicherlich auch darin begründet, dass er eigentlich erst der zweite Film in der Kannibalenwelle war, und somit war das Genre noch nicht so "weit entwickelt", wie es auf dem Höhepunkt war. Desweiteren war der Film auch Ruggero Deodatos erste Arbeit in diesem Bereich, wodurch der Film noch nicht diese völlige Grenzenlosigkeit hat. Natürlich besitzt der Film Horrorelemente, und Deodato geizt auch nicht mit Gore-Effekten, der ein oder anderen wohlplatzierten Geschmacklosigkeit und nackter Haut, aber es überwiegen doch die Abenteuerelemente. Massimo Foschi, der den Robert Harper spielt, muss im Endeffekt sich nicht primär vor den Kannibalen fürchten, sondern vor allem versuchen in dem Dschungel zu überleben. Erschwert wird dies noch durch die Begegnung mit den Kannibalen, die ihm sämtliche Kleidung rauben. Also läuft er fast den ganzen Film über, zusammen mit einer Gefährtin, wirklich splitternackt durch den dichten Dschungel, Applaus für diese Leistung. Und genau hier überwiegen dann die Survival-Elemente, mit Nahrungsbeschaffung usw., auch wenn Deodato dann am Ende nochmal ordentlich die Gore-Keule schwingt und zum ersten Mal wirklich kannibalische Fressorgien präsentiert.

Herausragend bei der Inszenierung von "Jungle Holocaust" ist sicherlich eine Sequenz nachdem Robert Harper auf die Kannibalen trifft. Diese hebt ihn dann doch aus dem Einheitsbrei der Dschungel-Exploiter heraus. Deodato präsentiert uns ca. 30 Minuten lang das Leben der Kannibalen in einer Art gigantischen Höhle. Völlig ohne Dialoge oder echte Erzählung! Das erfordert, gerade in einem solchen Genre, doch einiges an Mut. Nicht dass auf Dialoge wert gelegt werden würde, doch gerade hier besteht die Gefahr für den Gorebauern, gelangweilt zu werden. In dieser Sequenz lernen wir mehr über das Stammesleben, mit seinen Ritualen und alltäglichen Verrichtungen. Harper selbst wird Opfer von mehreren Demütigungen, was in der Vogelmensch-Szene kulminiert: aufgehangen an einer Art Bungee-Konstruktion muss Harper beweisen, dass er fliegen kann und der Vogelmensch ist. Immerhin kam er ja vom Himmel.

An dieser Sequenz mit seinem fast schon dokumentarischen Charakter von der Abbildung einer steinzeitlichen Stammesgesellschaft kann man auch schon die Wurzeln des Kannibalenfilms ablesen: Ursprünglich entstand er aus dem Mondo-Film, dessen bekanntestes Werk sicherlich "Mondo Cane" von Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi aus dem Jahr 1962 - immerhin mit einer Oscarnominierung (für die Musik). Mondos sind Dokumentationen über seltsam anmutende Praktiken, Lebensweisen etc. aus aller Welt. Sicherlich irgendwo interessant, sicherlich aber auch irgendwo sensationsheischend und spekulativ, ist es ein Genre was immer noch wuchert, inzwischen jedoch mit diesen unsäglichen Todes"dokus", die mit "Gesichter des Todes" begannen, und heute eigentlich eine Ansammlung von Polizeimaterial aus asiatischen Ländern ist - wems gefällt. Das Gute an den Mondos ist, dass man an ihnen recht gut den Zeitgeist ablesen kann. So gab es in den 70ern viele Filme, die sich um die vielleicht schönste Nebensache der Welt in aller Welt drehten - nicht Fussball, sondern das Liebesleben. Ein anderer Teil den die Mondos ins Kannibalengenre brachten, wodurch das Genre selbst seinen Ruf für alle Zeiten vernichtete, sind die Tiertötungen. In so ziemlich jedem Kannibalenfilm werden echte Tiere vor laufender Kamera getötet. Warum? Das kommt auf den einzelnen Film an. Man kann hier problemlos von Schockierung des Zuschauers sprechen, oder aber von einer narrativen Metapher, aber gemeinsam ist die wohl doch absolute Unnötigkeit. Sergio Martino wollte übrigens mit Sodomie noch einen draufsetzen, dies übernahmen aber keine anderen Filme des Genres. Im Fall von "Jungle Holocaust" muss man Deodato zu Gute halten, dass er kein Tier töten lies, sondern der Produzent die Aufnahmen drehte und eigenmächtig in den Film schnitt. Ändert nichts daran, dass Deodato bei dem Nachfolger sich selbst die Finger schmutzig machte.

Ein weiterer negativer Beigeschmack des Filmes ist das dargestellte Frauenbild. Die Gefährtin von Harper, gespielt von der schönen Me Me Lai, wird von ihm wie ein Haustier an einer Leine geführt. Natürlich möchte sie deshalb fliehen, was sie auch mehrere Male versucht. Doch Harper weiß das letztendlich zu verhindern - er vergewaltigt sie, danach ist sie ihm unterwürfig. Wie man sieht, die Frauen haben es recht schwer in den Filmen von Deodato, jedoch kann man das hier fast begründen: Massimo Foschi spielt einen zivilisierten Geschäftsmann, der durch sein Abenteuer im Dschungel sich in einen archaischen Steinzeitmenschen zurück entwickelt, gelenkt von seinen Trieben und Instinkten. Und natürlich ist Me Me Lai ein Teil dieser steinzeitlichen Gesellschaft, so dass sie das wahrscheinlich kennt, wie man auch an einigen der dargestellten Rituale kennt. Sicherlich sagt das nicht unbedingt etwas über das Frauenbild von Deodato persönlich aus (das Drehbuch stammt nicht von ihm), aber es wirkt doch befremdlich.
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Die Hauptrolle wird von Massimo Foschi gespielt. Er zeigt im Film vollen Körpereinsatz, rennt wie gesagt lange Zeit splitternackt durch den Dschungel. Positiv ist, dass Deodato daraus nicht unbedingt etwas besonderes macht, hier wirkt der Film doch sehr europäisch. Er selbst ist ein gestandener Theaterschauspieler und kann in der Rolle durchaus überzeugen. Ivan Rassimov, leider recht wenig Screentime, hangelte sich durch viele Kannibalenheuler und tummelte sich auch sonst in jedem italienischen Genre. Im Interview auf der vorliegenden DVD sagt er, dass er die Arbeit in der Natur schön fand, es aber nicht fassen kann dass die Filme im Ausland erfolgreich waren, un er es eigentlich sowieso nur wegen dem Geld getan hat. Sehr sympathisch der Mann! Me Me Lai stammt aus Burma und war sowas wie die Königin des Kannibalenfilms. Umberto Lenzi übernahm übrigens einige ihrer Szenen aus diesem Film für seinen "Lebendig gefressen". Deodato ist darüber immer noch sauer :)

Als DVD liegt die RC1 Scheibe von Shriek Show vor. Das Cover ist sehr ansprechend, die Qualität gut, und es gibt sie noch in einem Dreierpack namens "Jungle of Horrors", zusammen mit "Lebendig gefressen" und "Amazonas - Gefangen in der Hölle des Dschungels". Bonus gibts recht viel, neben Trailern und extensiven Bildergalerien auch noch Interviews mit Massimo Foschi und Ivan Rassimov (der sich an den Film so gar nicht erinnern kann). Hauptfeature ist sicherlich der Audiokommentar von Ruggero Deodato. Wobei ich hier festhalten muss, dass der Kommentarpartner, der die Fragen stellt, entweder besoffen und bescheuert ist. Da wird, bei der Zerlegung und Verspeisung einer Person doch tatsächlich gefragt, ob das der echte Schauspieler war. Großes Kino!

Fazit: "Jungle Holocaust" ist noch ein recht früher und somit zahmer Vertreter des vielleicht berüchtigsten aller Subgenres des Horrorfilmes. Hier überwiegen die Abenteueranteile, jedoch ist der Film natürlich nichts für die ganze Familie. Durchaus unterhaltsam, jedoch mit ein paar negativen Auffälligkeiten und so manchem, wenn auch kurzen Leerlauf.

So, das wäre also die Rezension zum ersten Kannibalenfilm von Ruggero Deodato. Der Nachfolger "Cannibal Holocaust" erblickte 1980 das Licht der Welt und wurde angeblich in über 50 Ländern der Welt beschlagnahmt. Er stand lange Zeit unter Verdacht ein Snufffilm zu sein, nichtsdestotrotz beeinflusste er das moderne Kino maßgeblich. Ein solches Monster von einem Film kann da natürlich nicht von einem einzelnen Rezensenten gestemmt werden, daher wird es eine Premiere bei Mann beisst Film geben: Kollege Beitinger und ich werden uns dem Film gemeinsam annehmen und hoffentlich eine adäquate Besprechung liefern. Stay tuned for more, demnächst in diesem Theater.

Eine Rezension von David Kugler
(17. Oktober 2007)
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Daten zum Film
Jungle Holocaust Italien 1978
(Ultimo Mondo Cannibale)
Regie Ruggero Deodato Drehbuch Renzo Genta, Gianfranco Clerici, Tito Carpi
Produktion Erre Cinematograsica S.r.l.
Darsteller Me Me Lai, Ivan Rassimov, Massimo Foschi
Länge 88:10 FSK
Filmmusik Ubaldo Continiello
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