Es ist eine der ältesten Herangehensweisen des erotischen beziehungsweise pornographischen Films: durch das Schlüsselloch der Nachbarn zu gucken. Wer nicht an Hochglanzästhetik interessiert ist, sieht sich lieber ungeschminkte Durchschnittsmenschen an, die weder dem gängigen Schönheitsideal entsprechen noch die physische Präsenz eines echten Pornostars aufweisen. Alles eine Frage des persönlichen Geschmacks. Der Reiz, die potentielle Hausfrau von nebenan beim Sex zu filmen hat sich schon lange als eigenständiges Subgenre etabliert – nicht zuletzt, weil besagte Filme ein weitaus naturalistischeres Bild von Sexualität vermitteln. In diese Sparte fällt auch DIE MUNTEREN SEXSPIELE UNSERER NACHBARN, der die forcierte Alltäglichkeit seines Gegenstands schon im Titel ankündigt und das Spannungsverhältnis zwischen bürgerlicher Sittsamkeit und unterdrücktem Lustempfinden karikiert.
Für den komplett von Hand gezeichneten Vorspann greift der Film auf einen anderen Trend des 70er-Erotik-Booms zurück: Den mit schlüpfrigen Zoten kommentierten Zeichentrick-Porno, der vor allem in Deutschland, den Niederlanden, Skandinavien und Belgien hergestellt wurde. Stilistisch verfolgt der Vorspann die Tradition solcher rasch zusammengeschusterten Machwerke wie „Schweinchen Fick“ oder die „Erotische Zeichentrickparade“. Das beinhaltet Brechstangen-Humor, ein Titellied bei dem sich die Nägel aufrollen und einen grafisch sehr einfachen Zeichenstil, der irgendw
o zwischen Bruno Bozzetto, Picha und völligem Dilettantismus einzuordnen ist. In einem durchweg sexualisierten Wunderland verwandeln sich Nasen, Finger und Gegenstände in Penisse, Vaginas oder lüsterne Cartoon-Figuren – eine witzige, in ihren visuellen Einfällen gar kreative Idee, die aber leider nur dürftig gezeichnet ist und unter der schauderhaften musikalischen Untermalung (die sogar noch mehrfach im Film eingespielt wird) leidet.
DIE MUNTEREN SEXSPIELE UNSERER NACHBARN wurde von Regisseur Rudolf Krause, über dessen Identität nichts bekannt ist und der keinen weiteren Credit in anderen Produktionen vorweist, in einer Softerotik- und einer Hardcore-Version gedreht – bis heute eine übliche Produktionsweise, die es ermöglicht, den gleichen Film zweimal auszuwerten. Die in der Reihe Erotik Classics erschienene Version von WVG Medien beinhaltet zwar nur die softe Fassung, die aber mitnichten einer runter gekürzter Torso ist. Bevor die pornografischen Sequenzen gedreht wurden, entstanden offensichtlich Füllszenen, die im Porno (der unter dem Titel „Tante Emmas Sexshop“ veröffentlicht wurde) wahrscheinlich keine Verwendung fanden. So ist vorliegende Version des Films kaum als entschärft anzusehen sondern bietet vielmehr einen alternativen Film, der auch im Kino in beiden Fassungen lief. Nur in wenigen Einstellungen ist erkennbar, das Hardcore-Material verwendet wurde, in dem keine Details zu sehen sind – diese beschränken sich aber auf sporadische Ausnahmen.
Der Handlung in städtischer Umgebung, genauer gesagt einem unspektakulären Viertel von München, dient als Knotenpunkt ein Lebensmittelgeschäft. Hier kaufen Leute jeden Alters und aller Schichten ein, was freilich nur eine lapidare Hinleitung zu diversen erotischen Ausschweifungen ist. Wie viele andere Genre-Kollegen krankt auch hier das Drehbuch an seiner Beliebigkeit, mit der wieder einmal eine lose Abfolge mehr oder weniger amüsanter Episoden runtergeleiert wird. Die Besitzerin des Geschäftes wird von ihrem Mann, von dem sie sexuell enttäuscht ist, nach Strich und Faden betrogen. Sie selbst ist eher prüde und hat sich mit einem asexuellen Eheleben abgefunden und tratscht leidenschaftlich gern über ihre Kunden. Unter ihnen zum Beispiel ein junger Mann, der seine Freundin auf eine schnelle Nummer besucht und von den unversehens heimkommenden Eltern überrascht wird.
Oder da wären die drei jungen Frauen, die sich als Aktmodelle einem ungemein trashig gezeichneten Künstler und Poeten (der auch einige haarsträubende Verse von sich gibt) vorstellen und es gar nicht erwarten können, von dem Exzentriker vernascht zu werden. Irgendwann betritt ein überzeichneter Homosexueller den Laden und stellt sich als „Wiener Lustknabe“ vor. Solche und allerlei ähnliche Ereignisse tragen sich in der direkten Nachbarschaft zu und mit zunehmender Laufzeit verstricken sich die gegenseitigen Betrügereien unter den Protagonisten. Kaum ein Dialog kommt ohne aufdringlichsten Schenkelklopf-Humor aus der untersten Schublade aus, da wird ein abgestandener Kalauer nach dem anderen abgefeuert, als säße man in einem Film mit Karl Dall oder Thomas Gottschalk.
Wenn sich auch in der Besetzungsliste kein bekanntes Zugpferd finden lässt und die Suche nach attraktiven Gastauftritten ebenfalls ergebnislos verläuft, kann sich das anständig spielende Ensemble durchaus sehen lassen. Bewanderte Genre-Fans erkennen mit Margot Mahler, Claus Tinney und Werner Röglin bekannte Gesichter aus diversen Reportfilmen und erotischen Alpengeschichten – allesamt versierte Darsteller, die ein tragbares Niveau nie unterschreiten. Röglin zelebriert seine schon oft verkörperte Rolle einer Klischee-Tunte und sorgt schamlos für einige erheiternde Peinlichkeiten. Ein großer Teil der Darsteller wurde wohl exklusiv für die Softcore-Version des Films angestellt, der Anteil so genannter Non-Sex-Rollen ist enorm hoch.
Fazit: Das launige Treiben unter den versauten Nachbarn hält sich nicht zu lang auf mit Ausschmückungen. Tempo- und kurvenreich versteht sich der Film als derbes Lustspiel voller übertriebener Klischeebilder. Es fehlt hier aber eindeutig an charismatischen Schauspielern und ästhetisch gefilmter Erotik, da der Bedarf nach schrägen Sprüchen und einfältigem Overacting recht schnell gesättigt sein dürfte. Hartgesottene Trash-Konsumenten lassen sich dennoch gern entführen in eine Zeit, in der Porno noch Kino war. Wenn auch bestimmt nicht immer gutes.