von Asokan Nirmalarajah
Frost/Nixon (2008) ist einer dieser Filme, die man als vermeintlich "seriöser" Cineast nicht mögen sollte. Zwar geschrieben von dem Briten Peter Morgan nach dessen gleichnamigem Theaterstück, handelt es sich bei diesem Politdrama um eine jener durch und durch amerikanischen, schnörkellosen Hollywood-Hochglanzproduktionen, die man allein deshalb abzulehnen hat, weil sie einen realen kultur- und polithistorischen Sachverhalt seiner Komplexität berauben und in diesem Fall als antagonistisches Charakterdrama verkaufen. Statt sich in kunstvoll langen Einstellungen zu verlieren, um den unnahbaren Legendenstatus einer politischen Figur zu reflektieren, und ihn dann in subtilen Momentaufnahmen zu brechen wie es 2008 Steven Soderberghs Politepos
Che unternahm, ist der hochdynamische
Frost/Nixon mehr um atemloses Infotainment und weniger um historische Authentizität bemüht. So wird in Ron Howards makellos inszeniertem Polit- und Medienthriller ein streitbar kleiner TV-Event der späten 70er Jahre, eine Reihe von Interviews, die der amerikanische Ex-Präsident Richard Nixon dem britischen TV-Moderator David Frost gab, zu einem historisch relevanten Moment hochstilisiert. Mehr noch: der verbale Schlagabtausch zwischen dem politisch gedemütigten Nixon, der nach der Watergate-Affäre von seinem Amt
zurücktreten musste, und dem als Fernsehreporter nicht ernst genommenen Frost erhält hier die dramaturgische Bearbeitung eines Boxkampfes.
Ist das sonderlich subtil? Nein. Lernen wir über faktische Hintergrundinformationen hinter dieser kuriosen Anekdote im Leben dieser zwei Männer und in der Wahrnehmung des Präsidentenamtes in der amerikanischen Bevölkerung? Nicht wirklich. Ist der Film vielleicht im übertragenen Sinne von aktueller politischer Brisanz? Nach George W. Bushs weit offensichtlicheren Vergehen kann uns auch Nixons früherer Missbrauch seines Amtes nicht mehr schockieren. Aber der Film zeigt uns doch wohl eine erfrischend neue Perspektive auf die sich ähnelnden Mechanismen politischer und medialer Systeme? Nicht wirklich, und besonders nicht für all jene, die mindestens einen Oliver-Stone-Film der letzten zwanzig Jahre gesehen haben. Der Film ist also recht berechenbar? Von Anfang bis Ende. Ist der Film aber trotz alledem der unterhaltsamste und rundum gelungenste Hollywoodfilm des Jahres? Ähm… und wie! Und warum? Weil der Film seine Funktion als grobschlächtiges, aber packendes Hollywood-Infotainment ohne jegliches Schuldgefühl akzeptiert und fulminant umsetzt. Das Publikum will ein Politdrama sehen, das in etwa so inszeniert ist wie ein Teil der
Rocky-Reihe? Einen Film, der sich den Rest der Zeit mit den menschlichen und männlichen Schwächen ihrer zwei Antagonisten auseinandersetzt ohne dabei auch nur einen Moment an Dynamik zu verlieren? Bitte sehr!
In der rechten Ecke… sitzt Richard „Tricky Dick“ Nixon, die bekannteste politische Witzfigur des 20. Jahrhunderts. Wir schreiben das Jahr 1977 und Dick weiß nicht, was er mit seiner Zeit als ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten anfangen soll. Deshalb schreibt er an seinen Memoiren und sucht nach jeder Gelegenheit, mit seiner Person Geld zu machen. Gespielt wird er von dem schauspielerischen Schwergewicht Frank Langella, der sich durch zahlreiche Nebenrollen zu dieser Hauptrolle hochgearbeitet hat und trotz geringer physischer Ähnlichkeit zu dem echten Nixon hier vollends überzeugt.
Und in der linken Ecke… sitzt David Frost, der hochambitionierte, aber von seinen Kollegen nicht ernst genommene TV-Moderator, der sich endlich einen Namen machen will, statt nur der grinsende Idiot auf den High-Society-Parties zu sein. Er wird gespielt von Michael Sheen, einem mindestens ebenso ambitionierten Schauspieler, der sich schon durch zahlreiche Nebenrollen geprügelt hat, aber immer noch am besten dafür bekannt ist, dass er der betrogene Ehemann war, der am Set von
Underworld (2003) von seiner Frau Kate Beckinsale für Regisseur Len Wiseman verlassen wurde. Auch Sheen sieht nicht im geringsten aus wie Frost, liefert hier aber eine so herausragende Leistung, dass man schnell darüber hinwegsieht, dass er 2009 in dem Prequel
Underworld: Rise of the Lycans zu sehen sein wird.
David Frost ist fasziniert von der Medienwirksamkeit Nixons, der sich immer noch nicht zu seiner Schuld an der Watergate-Affäre öffentlich bekannt hat, und will ihn zu einer Reihe von TV-Interviews einladen, die er ihm auch sehr großzügig vergüten will. Während sich Nixon über die versprochenen 600.000 Dollar Honorar freut und sich akribisch auf das Interview vorbereitet, versucht der risikofreudige Frost verzweifelt Sponsoren für die Interviews zu finden, die kein amerikanischer TV-Sender senden will. Zu allem Überfluss stellt sich bei Frosts ambitioniertem Team – der bedachte Produzent John Birt (Matthew Macfadyen) und die aggressiven Rechercheure Bob Zelnick (Oliver Platt) und James Reston Jr. (Sam Rockwell) – Frustration darüber ein, dass Frost lieber seinem extravaganten Lebensstil mit seiner neuen Freundin (Rebecca Hall) frönt, statt für die Interviews zu ‚trainieren’, die Runde um Runde an den sich sympathisch präsentierenden Nixon gehen. Enthüllend und kontrovers, wie eigentlich geplant, waren diese Intervies noch lange nicht. Doch die letzte Runde ist, wie man aus dem Kampfsport weiß, meist die entscheidende Runde…
Was dann passiert ist historisch nicht wirklich so weltbewegend wie es der Film für seine Dramaturgie gerne hätte, vor allem wenn man die Szenen aus dem Film mit den realen TV-Bildern von Nixon vergleicht. Doch das ist von geringer Wichtigkeit, sobald man sich dem ungeheuren Sog des Films überlässt, der handwerklich, schauspielerisch und in seiner Inszenierung durchweg zu fesseln weiss. Er hat keine Überraschungen, er ist nicht sonderlich intelligent, aber was er hat ist ein perfektes emotionales Gespür für seine Figuren. Und gespielt werden sie von zwei famosen Charakterdarstellern, die sich in ihre arg konstruierte, aber in ihrer Konstruktion immer noch schillernde und faszinierende Figuren werfen und jeden emotionalen und amüsanten Moment des kraftvollen Drehbuchs fulminant ausspielen. Wenn Nixon und Frost, die beide bis zu einem gewissen Grad als Sympathieträger agieren, hier als Verlierer in ihren eigenen Welten (Politik/Journalismus) enttarnt werden, die sich zu einem melodramatischen Showdown treffen, in der nur einer mit erhobenem Haupt herauskommen kann, dann ist das Hollywood-Unterhaltung in seiner besten Form. Sie sind gebrochene und unzureichende Antihelden, die mit ihrer Position im Leben hadern und sich und der Welt etwas zu beweisen suchen – wie Nixon Frost einmal ermahnt: "That's our tragedy, you and I, Mr. Frost. No matter how high we get, they still look down at us." Das ist Male Melodrama
at its best: mitreißend, komisch und mitunter sogar ans Herz gehend.
Wanna fight?