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Der Mieter

Der Mieter

Ein Film von Roman Polanski

Nach „Ekel“ (1965) und „Rosemary’s Baby“ (1968) drehte Polanski mit „Der Mieter“ (1976) einen ebenso atmosphärisch beklemmenden wie intensiven Horrorfilm. Was diesen drei Filmen gemein ist, ist dass die jeweiligen Protagonisten in ihrer Verwundbarkeit gegenüber der Gesellschaft und in ihrem Bestreben, innerhalb ihren eigenen vier Wänden Zuflucht zu finden, just an diesem scheinbar sichersten Ort der Paranoia und dem Wahnsinn verfallen.

Die schüchterne Carol, sehr eindringlich gespielt von Catherine Deneuve, mimt in „Ekel“ (original „Repulsion“) eine sehr ängstliche und schüchterne junge Frau, die mit ihrer Schwester zusammen in einer Wohnung in England lebt. Als die Schwester mit ihrem Freund übers Wochenende verreist und die junge Frau in der großen Wohnung alleine lässt, steigert sich Carols paranoische Angst, von einem Mann verfolgt und vergewaltigt zu werden in puren Wahnsinn, so dass sie zur Mörderin wird.
Rosemary (Mia Farrow) ist glücklich schwanger von ihrem frisch vermählten Mann und hält sich, wenige Wochen vor der Entbindung, die meiste Zeit am Tage in einer in New York neu bezogenen Wohnung auf. Sehr zuvorkommend und über alle Maße fürsorglich wird sie von ihren neuen Nachbarn Minnie und Roman Castevet empfangen und vor allem der Frau des älteren Nachbarpärchens wird es zu einem großen Anliegen, dass Rosemary und ihr Baby mit von der gutmütigen alten Frau selbst gemachten Kräuter-Suppen und Glücksbr
ingeramuletten im besten Sinne versorgt sind. Doch Rosemary wittert allmählich einen Komplott. Die Castevets stellen sich heraus als Anhänger einer satanistischen Okkulte und wollen „Rosemary’s Baby“ dem Satan opfern.
Acht Jahre später vervollständig Polanski mit „Der Mieter“ seine Trilogie des Horrors innerhalb der eigenen Vier Wände, deren Hauptthemen Einsamkeit, Angst, Verschwörungswahn und Paranoia sind.

Diesmal spielt die Geschichte in Paris, Mitte der 70er Jahre. Eine Unterkunft hier in der französischen Hauptstadt ist sehr schwer zu finden. Und deswegen ist der junge Büroangestellte Trelkowsky (Polanski selbst) überglücklich, als er von einer frei gewordenen Wohnung erfährt. Die Wohnung ist deswegen nicht mehr bezogen, weil der letzte Mieter, die junge Frau Simone (Romain Bouteille), in Selbstmordabsicht aus dem Fenster gesprungen ist.
Der griesgrämige Vermieter Monsieur Zy (Melvyn Douglas) ist somit anfangs alles andere als erfreut, dass sich ein neuer Mieter um die Wohnung bewirbt. Trelkowsky überredet den alten Hauseigentümer schließlich doch noch, ihm die Wohnung zu vermieten. Die Bedingungen sind aber sehr hart: nicht nur dass die Wohnung rar möbliert ist und die Ablösesumme kaum erschwinglich, der strenge Hausbesitzer, der zudem auch noch unter ihm wohnt, verlangt äußerste Ruhe und droht dem jungen Mann mit sofortigem Rauswurf, falls dieser ihm Schwierigkeiten bereitet. Außerdem darf Trelkowsky nur einziehen, wenn seine Vormieterin, die immer noch im Krankenhaus zwischen Leben und Tod schwebt, verstorben ist.
Der MieterDer MieterDer Mieter
Trelkowsky ist daraufhin sichtlich enttäuscht, beschließt aber, Simone im Krankenhaus zu besuchen. Diese befindet sich seit ihrem Sprung aus dem Fenster in einem Ganzkörper-Gips, in welchem eine Öffnung für den Mund und fürs linke Auge geschnitten worden ist. Auch Simones Freundin Stella (Isabelle Adjani) ist zufällig am selben Tag zu Besuch und die beiden lernen sich kennen. Als Simone Trelkowsky jedoch sieht, stößt sie einen herzzerreißenden, schrillen Schrei aus, ohne sich wieder zu beruhigen, so dass dieser mit Stella das Krankenhaus verlassen muss. Ein paar Tage darauf verstirbt Simone und Trelkowsky zieht ein.
Aber so richtig wohl kann er sich nicht fühlen. Die Nachbarn sind sehr argwöhnisch und unkommunikativ, die Wohnung strahlt mit ihren dunklen, grauen Wänden und alten Möbeln eine deprimierende Atmosphäre aus und die Einweihungsfeier mit seinen Freunden wird zu einem kompletten Desaster. Alle Nachbarn reichen beim Eigentümer Zy eine Sammel-Beschwerde ein und begegnen Trelkowsky seitdem mit Argwohn und Feindseligkeit.
Außerdem macht der junge Mann eigentümliche Entdeckungen.
Offenbar wurden sämtliche persönlichen Gegenstände von Simone entfernt bis auf eine Tasche mit Schminksachen und einem einzigen Kleid im Schrank. Bei Verrücken des alten Schranks entdeckt der neue Mieter ein Loch in der Wand, in welchem ein Zahn gesteckt und mit Papier gut zugestopft worden ist. Zudem sieht er in dem Fenster gegenüber – das zu einer für die Mieter eingerichteten Toilette gehört – ständig Menschen, die ewig lange nur starr dastehen und ziellos auf einen Punkt in der Wand blicken. Eines Tages erblickt er auch die verstorbene Simone, die mit einem zum Grinsen verzerrten Gesicht und ihn durchdringenden Blickes vor ihm langsam die Bandagen von ihrem Körper entfernt.
Immerzu hat Trelkowsky das Gefühl auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden und er bekommt ständig Verwarnungen und ärgerliches Geklopfe von allen Seiten - selbst beim nahezu geräuschlosen Verschieben eines Stuhles.
Der Büroangestellte, von Natur aus schüchtern und introvertiert, beschließt sich nicht um die Nachbarn zu kümmern und deren Belästigungen zu ignorieren, doch plötzlich wacht er eines Abends auf und findet sich wieder in Simones Kleid, geschminkt wie Simone und stellt fest, dass einer seiner Vorderzähne fehlt....

Roman Polanski schafft auch in diesem Film, eine sehr beklemmende und unheimliche Atmosphäre herauf zu beschwören. Es ist sehr erschreckend wie man seine persönlichen Ur-Ängste wie soziale Missbilligung, Verachtung, Feindseligkeit und heimtückische Verschwörung hinter dem eigenen Rücken in dem Gesellschaftskreis, in welchem man lebt, hier mit großer Intensität und Nähebezug zu sehen bekommt. Wunderbar projiziert Polanski durch sein gekonntes Schauspieltalent die Ängste des Zuschauers auf den Protagonisten Trelkowsky und umgekehrt. So fühlt man sich sehr unwohl in seiner Haut, wenn man als Trelkowsky bei seinen Freunden keine Bestätigung findet und eher belächelt als ernstgenommen wird, weiterhin unfähig ist, das Objekt der Begierde – die hübsche Stella – zu beeindrucken und von der feindseligen Umwelt schrittweise aufgesogen wird. Gemeinsam mit dem auf dem Bildschirm agierenden, 1.65 m. kleinen, stark verwundbaren Polanski wandert man auf der Oberfläche der eigenen psychischen Belastbarkeit, bis diese letztendlich zusammenbricht und man in die Tiefen des endlosen Wahnsinns stürzt.
Der MieterDer MieterDer Mieter
Vielleicht liegt es an Polanskis Vergangenheit, dass er eine so beklemmende Atmosphäre so authentisch hinüber bringen kann. Wegen seiner polnischen Nationalität wurde der junge Roman mit 10 Jahren zusammen mit Vater und Mutter in ein Konzentrationslager verschleppt. Seine Mutter ließ hier ihr Leben und der Junge wurde vom Vater getrennt. Ganz auf sich allein gestellt lernte der Junge das grausame Gefühl der Einsamkeit und Hilflosigkeit schon sehr früh kennen. Er wuchs in einer Zeit der Argwohn und der Furcht auf, lebte in Unterkünften, die sehr klein und eintönig waren – zwischen Klaustrophobie und Paranoia.
Eben diese Gefühle lässt Polanski auch uns Zuschauer in hohem realistischen Maße nachempfinden.
Das Einzige was an diesem Film zu bemängeln ist, ist die lange Einleitung und die Zaghaftigkeit zu Beginn bis sich in dem Plot etwas ereignet. Die Spielfilmlänge von 125 min. ist hier etwas zu lang ausgefallen und die Handlung hätte auf einige Details verzichten können. Dennoch, die Atmosphäre ist so dicht und unheimlich, dass man manchmal auch froh ist, wenn Trelkowsky von Zeit zu Zeit zu seiner Stella oder zu seinen Freunden in der Arbeit flüchten kann....

Eine Rezension von Eduard Beitinger
(24. März 2007)
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Daten zum Film
Der Mieter Frankreich 1976
(Le Locataire)
Regie Roman Polanski Drehbuch Roland Topor, Gérard Brach, Roman Polanski
Produktion Marianna Films, Marianne Productions S.A. Kamera Sven Nykvist
Darsteller Roman Polanski, Isabelle Adjani, Melvyn Douglas, Jo Van Fleet
Länge 125 min. FSK 18
Kommentare zu dieser Kritik
a.miko TEAM sagte am 06.04.2007 um 15:43 Uhr

"Der Mieter" gehört zu meinen Lieblingsfilmen von Polanski, obwohl er durchaus einige (kleine) Schwächen aufweist. Nach dem, wie du schon schriebst, viel zu langen Beginn kommt der Bruch zwischen Realität und Paranoia viel zu abrupt. Dies lässt einem aber wiederum bis zum Ende des Filmes (und darüber hinaus) im Zweifel darüber, ob Trelkovskys Ängste nun berechtigt waren oder ob er sich das ganze tatsächlich nur eingebildet hat...

Eine kleine Anmerkung noch am Rande: Polanski selbst war als Kind nie in einem Konzentrationslager (wohl aber seine Eltern). Er ist zwar im Ghetto von Krakau augewachsen, wurde aber vor den Deportationen von seinen Eltern auf dem Land versteckt, wo er von den Zugriffen der Nazis bis Kriegsende stets verschont geblieben ist... Viel prägender für seine Filme war wohl eher der grausame Tod seiner Frau Sharon Tate und seines ungeborenen Kindes durch Charles Manson.
Zombie-mower TEAM sagte am 22.04.2007 um 13:07 Uhr

Danke für deinen Nachtrag, a.miko.
Muss den Fehler eingestehen, Roman wurde als Kind die traumatische Erfahrungen des KZs erspart, musste er dennoch auf Grund seiner Herkunft immerhin in einem Ghetto leben und später sich versteckt halten.

Diese Kindheitserlebnisse sehe ich als besonders charakteristisches Stilmittel und entscheidende Motive in seinen stärksten Filmen - die schon in der Rezension genannten Triologie "Repulsion", "Rosemary's Baby" und "The Tentant".
Die latente bis ausbrechende Paranoia und Klausthophobie sind seine kräftigsten Motive, solche Filme wie "Frantic" und "Die neun Pforten" grundlegend prägend. Gewiss auch in "Der Pianist".

Anhänger des Irren Charles Manson töten seine Frau Sharon Tate kurz nach der Premiere von "Rosemary's Baby" und Polanski verließ von Schuldgefühlen geplagt das Land. Er filmt seitdem sehr oft in Frankreich und hat auch die französische Staatsbürgerschaft. Später wurde Polanski der Verführung einer Minderjährigen beschuldigt und musste sich von amerikanischem Boden fernhalten. Sonst wäre er unverzüglich inhavtiert worden.

Ich sehe persönlich die Ermordung Polanskis damaliger Ehefrau eher dafür verantwortlich, dass er aus Schuldgefühlen das Thema des Okkultismus lange nicht mehr in seinen Filmen thematisierte (bis 1999, als er "Die neun Pforten" herausbrachte).

Frauen haben in Polanskis Filmen interessanter Weise immer eine wichtige Rolle gespielt. Als starke Persönlichkeiten ("Der Tod und das Mädchen", "Rosemary's Baby"), als Objekte der Begierde ("Tanz der Vampire", "Frantic") und nicht zuletzt als wesentliche Auslöser von Unheil und Gefahr für die Männerwelt, meist für den Protagonisten ("Repulsion", "Das Messer im Wasser").
Roman Polanskis Filme sind in vieler Hinsicht sehr autobiografisch und haben deshalb auch viele ihrer Motive gemein.
Zweifellos einer der tiefgründigsten und virtuosesten Film-Regisseure unserer Zeit.

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