ALIENJAGD AM FEIERTAG
„Oh Crap!“, entfleucht es einem leicht bedröppelt dreinblickenden
Harvey Fierstein in einer der ikonischsten Szenen von
„INDEPENDENCE DAY“, dem wohl berühmtesten und bis dato erfolgreichsten Eintrag in
Roland Emmerichs Filmographie. Eine Äußerung, die so manchem Zuschauer womöglich selbst 20 Jahre später bei der Sichtung des neuen Trailers zur Fortsetzung „
Independence Day 2: Wiederkehr“ [2016] noch über die Lippen kommen könnte, scharrt doch die nächste Zerstörungsorgie mit Alien-Hintergrund bereits medienwirksam mit den Hufen. Ob es der Mann, der in seiner Freizeit schon mal gerne nicht nur das Weiße Haus, sondern auch so manche andere Sehenswürdigkeit dieser Welt sparsam dem Erdboden gleichmacht, im Jahre 2016 noch vermag, massentaugliche Zerstörung auf der Leinwand zu zelebrieren, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass 1996 die Massen – überraschenderweise vor allem in den USA – überwiegend begeistert ob der patriotischen Alien-Bekriegerei reagierten und dem Blockbuster bei einem Budget von 75 Millionen gigantische US-Dollar Einnahmen von über 800 Millionen US-Dollar bescherten. Ein Schwabe bringt den Untergang, und alle schauen zu.
„I picked a hell of a day to quit drinking.“
Dabei ist die Geschichte um eine Alien-Invas
ion pünktlich zum amerikanischen Unabhängigkeitstag natürlich schon 1996 gröbster (aber unterhaltsamer) Unfug gewesen. Bereits das patriotischste Leitbild des Films in Gestalt eines Präsidenten (Bill Pullman), der selbst am Steuer eines Kampfjets sitzt, um ET gehörig den extraterrestrischen Hintern zu versohlen, dürfte hierzulande für etliche Zuschauer nur schwer goutierbar gewesen sein. Wenigstens verzichtet Regisseur und Co-Autor Emmerich angesichts der drohenden Katastrophe – anders als etwa sein Krawall-Bruder im Geiste Michael Bay – auf das sowohl berühmte wie auch berüchtigte Streichhölzer-Ziehen (bei dem ein Star wie Bruce Willis ja bekanntlich selbst dann verliert, wenn er eigentlich gewinnt).
Warum der cineastische Unfug, der mal mehr oder weniger subtil die Fahne der Hoffnung gen Zuschauer schwenkt, unterhaltungstechnisch trotzdem so gut funktioniert, lässt sich dabei auf eine einfache Formel, nennen wir sie den
Emmerich-Code, herunterbrechen: Biete visuelles Bombast-Kino, reduziere die Story nebst Tiefgang auf ein gesundes Mittelmaß, garniere alles noch mit lässig vorgetragenen One-Linern und – last but not least – nimm das gesamte Geschehen bitte zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd ernst. Hiermit konnte vor 20 Jahren bereits die
Academy milde gestimmt werden, die abseits aller offenkundiger Unzulänglichkeiten dem Werk den Oscar in der Kategorie
Beste Visuelle Effekte zuteilwerden ließ. Zurecht, denn das für läppische 75 Millionen US-Dollar entfachte Schwaben-Spektakel sieht in den meisten Einstellungen auch heute noch um ein Vielfaches teurer aus, selbst wenn der ein oder andere Shot mit der Zeit nicht sonderlich gut gealtert ist. So explodiert in der ersten Angriffswelle etwa ein Gebäude bei genauerer Betrachtung zunächst in Zeitlupe, während die Umgebungsgeschwindigkeit normal verbleibt. Und auch die alles verzehrende Feuerwalze passt sich vom Rendering her nicht immer hundertprozentig in ihre nahe Umgebung ein. Doch kaputt ist ja nachher eh alles. Da will man mal nicht so kleinlich sein.
Ansonsten offeriert Emmerich seinen Zuschauern die von ihm gewohnte anspruchslos-bombastische Blockbusterware, für die man ihn liebt. Oder hasst. Ob nun die Wiederkehr eines japanischen Filmmonsters, eine gravierende Klimakatastrophe oder
das Wahrwerden einer alten Maya-Prophezeiung: Wie dieser Mann mit steter Regelmäßigkeit die krudesten Szenarien in unterhaltsam-triviale Filme verpackt, ist aller Ehren wert. Und das ist durchaus als Lob zu verstehen. Denn ein Grinsen wird sich wohl niemand verkneifen können, wenn in
"INDEPENDENCE DAY" die angeblich so hochtechnisierten Aliens mit einem simplen Computer-Virus außer Gefecht gesetzt werden sollen. Zu schade, dass der gute H. G. Wells nicht mehr nach seiner Meinung über diesen Clou gefragt werden kann. Wir denken uns am besten im Stillen unseren Teil, sehen weiter dabei zu, wie die Amis mit aller Macht in den Krieg gegen die allmächtige All-Macht ziehen, und fragen uns insgeheim, wie die Alien-Invasion des Roland Emmerich wohl am Neujahrs-, Valentins- oder Muttertag ausgefallen wäre.
Emmerich jedenfalls lässt in seinem 20 Jahre alten Patriotismus-Kracher derartige Überlegungen nonchalant in der Schublade über Wunschdenken verbleiben und nutzt stattdessen lieber die geballte Kraft der Bilder, gegen die selbst solch gestandene Recken und für die Geschichte wichtige Personen wie
Jeff Goldblum oder
Will Smith nicht immer ankommen. So bleibt der Film vor allem mit seinem präsentierten Unfug, dem unverhohlen zur Schau gestellten Patriotismus, den köstlichen Abziehbild-Protagonisten, einer Prise Ironie und den visuellen Effekten im Kopf. Ob das nun was Gutes oder Schlechtes ist, möge aber bitte jeder für sich selbst entscheiden. Passt doch, denn Parteiergreifung im Kino ist ja gerade wieder dank
diverser Superhelden-Kloppereien en vogue. Was
„INDEPENDENCE DAY“ gewissermaßen in die Sphären eines zeitlosen Klassikers hebt (und den ein oder anderen Zuschauer in diesem Moment Harvey Fierstein zitieren lässt). Ein Status, den sich die 200 Millionen US-Dollar teure Fortsetzung freilich erst noch verdienen muss.
Fazit: Spaßiger Sci-Fi-Unsinn mit (Über-)Format und tollen Effekten – ein
Guilty Pleasure im besten Sinne.
Cover: © 2016 Twentieth Century Fox Home Entertainment