Es gibt meines Erachtens vier Punkte, die einen guten Katastrophenfilm ausmachen, und die so gut wie alle Genrevertreter der 70er Jahre aufweisen:
1. Es werden mehrere Einzelschicksale gezeigt, mit denen wir und als Zuseher identifizieren können. Einige der mehr oder weniger sympathischen Protagonisten werden im Laufe des Films ihr Leben lassen, andere wieder kommen davon. Wer das sein wird ist nicht immer klar, vielmehr soll der Film hierbei mit dem Überraschungsmoment spielen (vgl. Stewart Graff, dargestellt von Charlton Heston, der beim Finale von „Erdbeben“ schließlich doch noch sterben musste). Diese Darstellung ist zwar schnell zum Klischee des Genres geworden, ist aber unumgänglich, da ein Film dem Publikum aufgrund mangelnder Identifikationsfiguren sonst nicht nahe ginge und keine Spannung aufkommen würde.
2. Die Katastrophe nimmt apokalyptische Ausmaße an und fordert eine hohe Zahl an Todesopfern. Egal ob in „Erdbeben“, „Hochhaus in Flammen“, „Meteor“ oder „Die Höllenfahrt der Poseidon“, der Zuseher ging meist bestürzt und beunruhigt aus dem Film. Actionszenen kommt hingegen keine große Bedeutung zu, vielmehr möchte man ein möglichst „reales“ Untergangsszenario entwerfen.
3. Die Todesszenen selbst sind grausam und blutig und werden nicht nur angedeutet sondern auch detailliert gezeigt.
4. Das Ende ist unmittelbar und oft überraschend abrupt, sprich kein Happy End, vielmehr ein offenes.
„Dante’s Peak“ ist jedoch der Prototyp des Katastrophenfilms der zweiten Hälfte der 90er Jahre, die im Gegensatz zu den genialen 70er-Streifen familienfreundlicher, actionlastiger, glatter und um politische Korrektheit bemüht daherkommen.
Zwar präsentiert uns dieser Vertreter auch Einzelschicksale, nämlich die der Bürgermeisterin Rachel Wando, ihrer beiden Kinder Lauren und Graham, der Großmutter Ruth, des Vulkanologen Harry Dalton und nicht zu vergessen des Hundes, das war’s dann aber auch schon. Natürlich könnte man einwerfen, dass Harrys Forscherkollegen auch öfters gezeigt werden, sie nehmen aber keine tragenden Rollen ein und geben uns deswegen auch kaum eine Chance mit ihnen mitzufiebern.
Aufgrund dieser Auswahl an Charakteren wird dem Zuseher schon schnell klar wer sterben muss und wer nicht. Es versteht sich von selbst, dass die sture und verbohrte Ruth zu Tode kommen wird. Schließlich muss das Drehbuch ja irgendjemanden opfern und da bietet sich diese flache Nebenrolle ideal an. Immerhin hat sie es ja verdient (bitte ironisch zu verstehen) und ganz nebenbei kann in ihrer dramatischen (Schluchz!) Sterbeszene auch noch die Familie näher zusammenrücken und Rachel sich mit Ex-Schwiegermutter Ruth aussöhnen. Dafür darf dann der arme Bello noch in letzter Minute vor den Lavaströmen gerettet werden. Hund lebt – alles gut!
In der ersten Hälfte funktioniert „Dante’s Peak“ sogar noch recht gut, und man kann einige Parallelen zu seinen Genrekollegen aus den 70ern entdecken.
Wenn die Naturkatastrophe über die malerische Ortschaft hereinbricht, und das Unglück seinen Lauf nimmt wird dem Kenner allerdings schnell klar, dass er seine Erwartungen nicht zu hoch schrauben darf. Denn obwohl hier vor der Eruption ein mächtiges und spektakuläres Erdbeben gezeigt wird, das zahlreiche Gebäude einstürzen, Strommasten umknicken und einige Autos explodieren lässt, sieht man doch keine Opfer oder gar blutigen Todesszenen. Zudem kommen die meisten Einwohner des Bergkaffs noch einmal glimpflich davon, d.h. die Katastrophe ist eigentlich gar keine. Da ist der Einstieg in den Film, der den Ausbruch des Mount St. Helen zeigt und uns schildert wie Harry seine Frau verlor, noch aufregender.
Ab dann geht es mit dem Film stets bergab. Lauren und Graham versuchen ihre Großmutter, die auf dem Vulkan haust und sich weigert diesen zu verlassen, vor dem Ausbruch zu retten, während ihnen Harry und Rachel nacheilen. Infolgedessen wird die Handlung immer noch absurder und unglaubwürdiger und entwickelt sich zu einem richtigen Abenteuer- bzw. Familienfilm mit übertriebenen Actionszenen wie der Überquerung eines Lavafeldes mit einem Auto.
Da nützt es nichts wenn die Macher in der zweiten Hälfte tief in die Trickkiste greifen und mit allen visuellen FX der späten 90er den Berg so richtig fett in die Luft gehen lassen, und der Score von James Newton Howard und John Frizzell noch so groß und toll klingt. Zwar gibt es in der Mine, in die sich die vier Überlebenden samt Hund vor der pyroklastischen Wolke flüchten, wegen des gefährlichen Steinschlags noch ein paar bange Momente, zum Schluss werden aber alle gerettet, und Harry und Rachel dürfen einander vor dem tosenden Beifall der Rettungsmannschaft leidenschaftlich küssen.
„Dante’s Peak“ bleibt ein mittelmäßiger und profilloser Vertreter seines Genres, der zwar immer noch spannender inszeniert ist als „Volcano“, aufgrund seiner zu distanzierten, oberflächlichen und auch viel zu kitschigen – Linda Hamilton und Pierce Brosnan wirken in vielen Szenen vollkommen deplaziert - Abhandlung des Geschehens aber kaum Begeisterung hervorrufen kann.