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von Josh Trank




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Die Legende von Beowulf

Die Legende von Beowulf

Ein Film von Robert Zemeckis


Wohl selten hat es so lange gedauert, gewürdigt zu werden, muss man zwangsläufig konstatieren. Das zeitlich zwischen dem 7. und 12. Jahrhundert entstandene Heldenepos um den mächtigen Krieger Beowulf, der in Dänemark seine Taten vollbrachte, wurde über Jahrhunderte kopiert, weitergegeben und sogar später – obwohl in Dänemark angesiedelt – von den Angelsachsen im nördlichen England erzählt, da sich diese selbst nicht als Briten, sondern als Wikinger sahen, und deren Helden stammten nun einmal alle aus Skandinavien. Doch die Dichtung eines bis heute unbekannten Verfassers, welche aus immerhin über 3000 Versen besteht, geriet in den Folgejahren aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände fast in Vergessenheit.


Das im 10. Jahrhundert in eine Sammlung alter Schriften aufgenommene Dokument wurde so etwa bei einem Brand der Cotton Library – der größten und umfangreichsten Sammlung mittelalterlicher Texte – am 23. Oktober des Jahres 1731 arg beschädigt. Doch nicht nur das Dokument an sich hatte Schaden genommen. Plötzlich stieß man sich an der obskuren Mischung aus heidnischen und christlichen Themen, die in den in altenglischer Sprache abgefassten Versen zum Vorschein kam; auch an den abgefassten Versen selbst ließ man kein gutes Haar. Angefangen bei der Tatsache, dass sich zwischen den Kampf mit dem ersten und dem letzten Gegner die gigantische Zeitspanne eines halben Jahrhunderts spannt, rügten Wissenschaftler allerorts ne
ben diesen Mängeln in der Erzählstruktur vor allem das durch Alliterationen ersetzte (übliche) Reimschema und den Umstand, dass Heldentum und Moral sich in dem Epos einzig auf einen Monster bekämpfenden Hünen beziehen. Wissenschaftler waren früher nicht sonderlich gut auf Trolle und Drachen zu sprechen, wie es scheint. Jedenfalls galt „Beowulf“ lange, lange Zeit – vor allem im Vergleich zu antiken Meisterwerken wie Homers „Odyssee“ oder Vergils „Aeneis“ – aufgrund der oben angesprochenen scheinbaren Mängel als minderwertig, so dass das Werk bis zum Anfang des 20. Jahrhundert auf allgemeine Ablehnung traf.

Dies änderte sich schlagartig, als 1936 ein Essay mit dem Namen „Beowulf: The Monster and the Critics“ (Die Ungeheuer und ihre Kritiker) erschien, das mit den Vorurteilen über eines der wohl ältesten Heldenepen der Geschichte aufräumte. Der Autor: kein Geringerer als J.R.R. Tolkien, der Schöpfer vom Herrn der Ringe. Seine (überzeugende) Begründung, das Werk sei aufgrund des ungewöhnlichen Versmaßes – das im übrigen in Skandinavien zur damaligen Zeit üblich war – nicht schlecht, sondern lediglich anders und von daher auch überhaupt nicht als zulässiger Vergleichspartner von Homer und Vergil heranzuziehen, ließ die Menschen aufhorchen und das Werk augenblicklich mit anderen, vorurteilsfreien Augen betrachten. Plötzlich wurde „Beowulf“ als Epos ernst-, von früheren Ablehnern angenommen und von Tolkien – dem es später unter anderem Michael Crichton in seiner historischen Action-Fantasy „Eaters of the Dead“ („Die ihre Toten essen“) gleichtun sollte – sogar häppchenweise in seine literarischen Meisterwerke eingebunden. Lange hat’s gedauert, aber nun wurde dem „Beowulf“-Epos endlich die Würdigung zuteil, die ihm seit jeher gebührt hätte. Dank Tolkien. Dank der wahren Worte eines klugen Mannes.


Trotz der klugen Worte eines klugen Mannes hatte Regisseur Robert Zemeckis als Schulkind dennoch nie richtig Freude an dem klassischen Stoff und fügt selbst an, dass er sich nie hätte träumen lassen, in dieser schulischen Pflichtlektüre jemals eine interessante, mitreißende Geschichte zu entdecken. So liegt es auch nicht vorwiegend in seiner Person begründet, dass nun, im Jahre 2007, die schon dritte Interpretation des Heldenstoffes nach 1999 (mit Christopher Lambert in der titelgebenden Hauptrolle) und 2006 (mit Gerard Butler) den Weg auf die große Leinwand findet. Verdanken tun wir dies hauptsächlich der Initiative zweier der talentiertesten Drehbuchschreiber Hollywoods: Neil Gaiman (Romanvorlage zu „Der Sternwanderer“ [2007]) und Roger Avary (Co-Autor von Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ [1994] und Drehbuch zu „Silent Hill“ [2006]) planten schon lange, Beowulfs Taten nach den vorangegangenen Interpretationen des Stoffes in einer zeitgenössischen Fassung auf die Leinwand zu zaubern. Denn nicht nur Gaiman und Avary entdeckten, dass der überlieferte Stoff einige gewichtige Ungereimtheiten in der Erzählweise aufwies, die wohl auf eine „Bereinigung“ des Epos durch die damaligen Schreibgelehrten, die Mönche des 7. Jahrhunderts, zurückgeht. So sahen sich die Autoren gezwungen, für ihre Drehbuchfassung buchstäblich zwischen den Zeilen zu lesen und hinzuzudichten, was ihrer Meinung nach hinzugedichtet werden musste. Entstanden ist damit zunächst einmal ein Drehbuch, das die Essenz des Original-Epos beibehielt. Beowulf (Ray Winstone) kämpft auch in der 2007er Fassung gegen den Dämon Grendel und zieht nach dem errungenen Sieg den Zorn von Grendels rachsüchtiger Mutter (Angelina Jolie) auf sich. Verrat, Intrige, die Gier nach Macht und Reichtum – all die Grundpfeiler der Heldengeschichte sollten weiterhin vorhanden sein. Allerdings wurde der Stoff im ganzen weitaus moderner im Sinne eines Action-Abenteuers beschrieben und aufbereitet. Doch vermag diese als schlüssige und stimmige Neuinterpretation angelegte Filmfassung den Zuschauer im Gegensatz zur Pflichtlektüre wirklich durchgehend zu fesseln oder mitzureißen? Wir werden sehen.

Um die fantastischen Welten zu erschaffen, wandte sich Zemeckis von der klassischen Inszenierung mit echten Schauspielern und Kulissen ab und wählte den Weg, den er schon zuvor bei „Der Polarexpress“ [2004] erfolgreich beschritten hatte: digital gefilmte und inszenierte Kinokost, kurz: Performance-Capture-Verfahren. Echte Schauspieler agieren mit Sensoren am ganzen Körper, die die Bewegungen – und neuerdings auch Muskelbewegungen der Akteure dank neuentwickelter EOG-Technik – simultan auf den PC übertragen, wo sie weiterverarbeitet werden können. Vorteil dieser 3D-Methode: das Aussehen einer Figur kann problemlos von dem Darsteller getrennt werden, der die Rolle spielt, so dass den Fantasien der Computer-Spezialisten keine erkennbaren Grenzen mehr gesetzt sind. So wurde beispielsweise aus dem 1,77m großen, leicht untersetzen Ray Winstone, dem Beowulf-Darsteller, ohne viel Aufwand ein imposanter, muskelbepackter Zwei-Meter-Hüne, den man zudem relativ einfach am Computer altern lassen konnte. Aber wirken computergenerierte Bilder aufgrund des fotorealistischen Anstrichs auf der großen Leinwand nicht etwas befremdlich? Allen Vorurteilen zum Trotz lautet die ganz klare Antwort: Nein, nicht nach einer kurzen Eingewöhnungsphase! Selten hat man als Zuschauer derart tolle (Computer-)Bilder auf der großen Leinwand gesehen, die den Computer-Wundermaschinen wirklich das derzeit Mögliche bis aufs letzte abverlangen. Sicherlich gibt es noch hier und da deutlich Luft nach oben, vor allem bezüglich der Mimik und Ausdruckskraft der CGI-Figuren, doch alleine die Tatsache, dass man problemlos erkennt, welcher Schauspieler für welchen CGI-Charakter Pate stand (sei es nun John Malkovich oder etwa Anthony Hopkins), lässt einen wohlwollend über den ein oder anderen kleinen Patzer hinwegsehen. Die fotorealistische Optik wirkt wie aus einem Guss und macht die Multimillionen-Dollar-Produktion unstreitbar zu einem einzigartigen visuellen Leckerbissen für Fans digitaler Pixel-Welten.


Doch wie so häufig trüben einige Aspekte den ansonsten guten Ersteindruck und katapultieren „DIE LEGENDE VON BEOWULF“ letztlich ins solide Mittelfeld. Es hat nichts mit dem visuellen Stil zu tun, vielmehr ist es die vor allem in der ersten Hälfte überraschend spannungsarme Inszenierung des ansonsten durchaus soliden Drehbuchs, das versucht, die im Gedicht scheinbar zusammenhanglos gestreuten Kämpfe sinn- und vor allem gehaltvoll miteinander zu verbinden. Die Verbindung, die man als Heimsuchung einer schon lange zurückliegenden Sünde Beowulfs verstanden haben will, entsprang der Fantasie der Drehbuchautoren und wird garantiert noch für Diskussionszündstoff sorgen. Nichtsdestotrotz gelang das Experiment im Endeffekt recht ordentlich, wenngleich gerade diese Neuinterpretation und der Versuch, dem Charakter Beowulf mehr Tiefe und ein gar nicht so übermenschliches Gesicht zu geben, der ansonsten actionreichen Odyssee gehörig den Wind aus den Segeln nehmen. Denn zwischen diesen ruhigen, leisen Momenten sind es vor allem die grandios choreographierten Kämpfe zwischen Beowulf und seinen Gegnern, die dem Zuschauer – untermalt von orchestralem Bombast-Sound – ein überraschend brutales, blutiges und damit nachhaltiges Seherlebnis bescheren. Die Altersfreigabe „ab 12“ kann daher mitunter die Erwartungshaltung an das bevorstehende Erlebnis in die falsche Richtung lenken. Zimperlich geht es in Zemeckis’ Fantasy-Epos auf keinen Fall zu.

Was bleibt, ist auf der einen Seite ein optisch atemberaubendes Fantasy-Abenteuer mit toller Musik und ebensolchen Effekten, die in manchen Szenen geradezu nach einem 3D-Kino zu schreien scheinen. Auf der anderen Seite vermag die Animation, die schon einen Vorgeschmack auf das Kino von Morgen vermittelt, leider nicht darüber hinwegzutäuschen, dass einige narrative Längen in der Inszenierung des sonst durchweg gelungenen Drehbuchs wohl verhindern werden, dass „DIE LEGENDE VON BEOWULF“ irgendwann in naher Zukunft seinem Hauptcharakter gleich zur (Fantasy-)Legende stilisiert wird. Aber halten wir uns besser mit Vorurteilen oder allgemeiner Ablehnung zurück, da der Film dies im Ganzen wahrlich nicht verdient hat. Außerdem ist ja nicht immer ein weiser Mann mit wahren Worten zur Hand, wenn man ihn braucht.

Eine Rezension von Stefan Rackow
(14. November 2007)
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Daten zum Film
Die Legende von Beowulf USA 2007
(Beowulf)
Regie Robert Zemeckis Drehbuch Neil Gaiman & Roger Avary
Produktion Martin Schafer, Neil Gaiman, Roger Avary (Warner Bros. Pictures, Shangri-La Entertainment, IMAGEMOVERS Productions) Kamera Robert Presley
Darsteller Ray Winstone, Anthony Hopkins, John Malkovich, Robin Wright, Brendan Gleeson, Crispin Glover, Alison Lohman, Angelina Jolie
Länge 114 Minuten FSK ab 12 Jahren
www.beowulf-derfilm.de
Filmmusik Alan Silvestri, Glen Ballard
Bildanimation Sony Pictures Imageworks Inc.

Diese Rezension enthält einige wenige Auszüge aus dem Essay von Jason Tondro, Ph.D., Ausgabe Nr. 3 der BEOWULF-Comic-Romanserie im Verlag IDW Publishing
Kommentare zu dieser Kritik
Stefan R. TEAM sagte am 11.04.2010 um 11:16 Uhr

Free-TV-Premiere heute abend um 20.15 Uhr auf ProSieben

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