Rumms! Der Kühlschrank landet zielgenau auf dem Kopf des Cartoon-Kaninchen Roger Rabbit (
Argh!), das doch eigentlich nur das in die Küche ausgebüxte Baby Herman vor Schaden bewahren wollte. Ein Babysitter hat’s echt schwer. Aber auch Filmstars haben kein leichtes Leben, wie der Zuschauer sogleich erfahren soll, denn plötzlich ertönt ein schlecht gelauntes „Schnitt!!“ und demaskiert die gerade gesehene Zeichentricklandschaft als Filmstudio im Hollywood des Jahres 1947. Toons und Menschen leben hier gewissermaßen Tür an Tür, grenzt doch Toontown direkt an Hollywood. Der schlecht gelaunte Regisseur (Joel Silver!) ist nicht gerade zufrieden mit den Leistungen seines Toon-Stars Roger Rabbit, da dieser immer wieder von den Anweisungen im Drehbuch abweicht, bisweilen unkonzentriert und abgelenkt wirkt.
So beauftragt Produzent R.K. Maroon (Alan Tilvern) den Privatdetektiv Eddie Valiant (Bob Hoskins). Maroon sieht in Rogers bildhübscher Frau Jessica (auch gezeichnet eine wahre Augenweide!) den Auslöser für die Ausrutscher des Toons (so sieht er doch partout nicht Sterne, sondern lediglich zwitschernde Vögel!) – kurz gesagt: das Kaninchen ist Jessica einfach vollkommen verfallen und deshalb bei der Arbeit unkonzentriert. Valiant soll deshalb Hinweisen nachgehen, die belegen könnten, dass Jessica fremdgeht, und bei erfolgreicher Mission 100 Dollar erhalten. Das Geld kann der blanke Valiant zwar gut gebrauchen, mit dem Gedanken, g
egen einen Toon zu ermitteln, kann sich der dem Alkohol nicht abgeneigte Detektiv aber gar nicht so recht anfreunden. Es war ein Toon, der seinen Bruder, mit dem er zusammen das Detektiv-Büro „Valiant und Valiant“ leitete, tötete und fortan Tristesse anstatt Freude in das Leben des Privatschnüfflers brachte. Doch der Ruf des Geldes ist stärker, weshalb Eddie Valiant den Job annimmt. Und tatsächlich kann der Detektiv Beweisfotos schießen, die belegen, dass Jessica scheinbar mit dem Spaßmacher Marvin Acme (Stubby Kaye) ein Verhältnis hat. Als Roger Rabbit erfährt, dass seine so abgöttisch angebetete Traumfrau mit einem Anderen „Backe, backe, Kuchen“ zu spielen scheint, dreht er völlig durch und entschwindet ganz Comic-like durch das ungeöffnete Fenster. Valiant kassiert die 100 Dollar und glaubt, die Toons endlich hinter sich lassen zu können.
Doch als plötzlich Marvin Acme tot aufgefunden wird (ein Piano auf dem Kopf kann für Menschen sehr schmerzhaft sein!), fällt der Verdacht natürlich auf den einzigen Verdächtigen: Roger! Dieser steht urplötzlich bei Valiant auf der Matte und bittet den Detektiv um Mithilfe bei der Jagd nach dem wahren Mörder. Währenddessen wird der kaltblütige Richter Doom (Christopher Lloyd), der nicht von ungefähr so heißt, mit seiner Truppe von Toon-Hilfspolizisten und einer Toon-tötenden Flüssigkeit namens „die Suppe“ auf das Kaninchen angesetzt. Der Beginn einer abenteuerlichen und wendungsreichen Odyssee, bei der am Ende nicht mehr auf dem Spiel steht als die Existenz von Toontown.
Man ist geneigt, nostalgisch zu werden, wenn man die ersten Minuten von
„FALSCHES SPIEL MIT ROGER RABBIT“ sieht. Der Film beginnt wie ein klassischer Zeichentrickfilm, in dem Roger als Comic-Karnickel so einiges auf den Kopf manövriert bekommt. Hierbei wird mangels zur Verfügung stehender CGI–Technik jedoch nicht etwa mit spektakulären Perspektiven und Effekten gegeizt, sondern ein Feuerwerk an Gags und originellen Einfällen verschossen, das heutigen CGI-Orgien in nichts nachsteht. Zeichentrickliebhaber werden daher in den ersten Minuten schon die ein oder andere Träne der Freude verdrücken –
Schluchz – und sich wieder einmal darin bestätigt fühlen, dass handgezeichnete Bilder deutlich mehr Charme als computeranimierte Pendants versprühen. Doch Zeichentrickfilme sind an sich nichts Besonderes, vor allem waren sie es nicht während der Entstehungszeit dieses Werks 1988. Das wirklich Beeindruckende zeigt sich bei Falsches Spiel mit Roger Rabbit nämlich erst nach dem Zeichentrickvorspann. Es ist die nur als gelungen zu bezeichnende Kombination von klassischen Trickfilm und real agierenden Schauspielern, die begeistert – der Zeichentrickliebhaber verdrückt hier bitte eine weitere Träne der Verzückung –
Doppel-Schluchz.
„Moment“, wird der Filmfan hier einwerfen,
„auch vor 1988 gab es doch schon Real-Trickfilm-Kombinationen! Was ist beispielsweise mit „Elliot, das Schmunzelmonster“ [1977]
oder „Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett“ [1971]
aus dem Hause Disney?“ Sicherlich sind auch diese Filme Beispiele dafür, dass Zeichentrick und Realfilm sich durchaus vertragen, jedoch wollten sich die gezeichneten Figuren nicht so recht in einer
realitätsnahen Art und Weise in das Agieren der menschlichen Akteure einfügen. Anders hier. Da Toontown an Hollywood grenzt, wird das Animierte respektive Cartoon-hafte als durchweg normal hingenommen, fast so, als würden Menschen tagtäglich nichts anderes tun, als an Zeichentricknashörnern oder fliegenden Elefanten vorbeilaufen. Dass die gezeichneten Bewohner nicht etwa wie Fremdkörper, namentlich deplazierte Fantasiewesen wirken, zeugt von der Brillanz der Effektschmiede ILM, die das Unmögliche möglich machte und alle gezeichneten Figuren nahezu perfekt, d.h. mit zum Beispiel echt wirkendem Schattenwurf, in das Geschehen integrierte. Bedenkt man jetzt noch, dass es sich bei den so dreidimensional wirkenden Zeichentrickfiguren nicht um 3D-Computermodelle, sondern um „platte“ Zeichnungen handelt, kann man vor der tricktechnischen Meisterleistung wirklich nur den Hut ziehen. Oder einen Oscar. 4 Trophäen wurden es am Ende.
Doch es wäre falsch, das Lob lediglich auf die tricktechnische Perfektion zu beziehen. Zwar ist das wohl in der Filmgeschichte bisher einzigartige Zusammenspiel mit Warner- (u.a. Daffy Duck) und Disney-Figuren (Micky Maus, Donald Duck) dank der Co-Produktion der Disneystudios durchweg unterhaltsam. Ebenso unterhaltsam ist aber ohne Zweifel auch die Interpretation des tragischen Helden Eddie Valiant durch einen großartigen
Bob Hoskins. Der Mann, dessen Leben nicht immer in geraden Bahnen verlief und der einen herben Schicksalsschlag einstecken musste, welcher ihm seinen Bruder nahm, sorgt mit seiner Distanziertheit gegenüber der Toon-Welt (
„Pah, Toons...“) gerade beim Zusammentreffen mit Roger Rabbit für die lustigsten und einprägsamsten Momente des ganzen Films. Seine Wandlung von purer Verabscheuung bis zur unausweichlichen Akzeptanz der gezeichneten Nachbarn fordert Hoskins viel schauspielerisches Können ab. Wird in einer Szene noch durch eine wunderbar hintersinnige Einstellung, in der Valiant das Namensschild der Detektei vorm Eingang geraderückt, verdeutlicht, dass in seinem Leben mehr als nur der Haussegen schief hängt, knutscht er gegen Ende plötzlich und unvermittelt ein völlig verdutztes Comic-Karnickel ab: Eddie Valiant hat seinen Sinn für Humor garantiert nicht verloren.
Aber auch
Christopher Lloyds Darstellung des Richters Doom überzeugt auf ganzer Linie. Vergessen scheinen die Zeiten, in denen Lloyd mit „Verrückter Professor“-Frisur Michael J. Fox zurück in die Zukunft schickte, derart diabolisch und kaltherzig ist sein Spiel. Großartig.
Wohl in erster Linie als Familienfilm angelegt, ist dieses von
Steven Spielberg mitproduzierte Zeichentrick-Realfilm-Abenteuer jedoch leider teilweise für kleinere Zuschauer zu ernst und spannend geraten. Gerade das Ende des Films wartet mit einigen (für Kinderaugen) unschönen Sequenzen auf. Die Macher scheinen bei noch so tricktechnisch perfekter Umsetzung in einigen Szenen schlicht und ergreifend vergessen zu haben, dass gerade der Humor in solchen Produktionen enorm wichtig ist. So entpuppt sich das bunte Treiben bei genauerem Hinsehen weniger als die erwartete urlustige Trick-Komödie, sondern lässt sich wohl eher als unterhaltsame Krimi-Groteske mit dem unvergleichlichen Charme der 40er Jahre bezeichnen, die ihre Faszination vor allem durch das ungewohnte Verbinden von typischen Krimi-Elementen (Mord und Totschlag) und Zeichentrick (Schmerzsterne, etc.) bezieht.
Technisch auch nach fast 20 Jahren immer noch auf der Höhe der Zeit, darf der Liebhaber klassischer Animation aufgrund dessen noch ein letztes Mal eine Träne unterdrücken, diesmal allerdings nicht vor Freude. Denn es bedarf nicht zwingend astronomischer Rechenleistung, um bewegte Bilder in ansprechender Form auf die Leinwand zu zaubern. Zeichentrickfreunde wissen das, doch die Zeit, in der Bambi oder Susi und Strolch für volle Kinosäle sorgten, ist leider, leider vorüber. Gerade deshalb sollte man dieses Meisterwerk, das sich jetzt schon fast als Hommage an die gute alte Zeichentrickzeit bezeichnen lässt, besonders würdigen. Denn auch wir als Zuschauer haben, ohne dass wir es wahrgenommen haben, wie die Menschen im Film mit Zeichentrickfiguren zusammengelebt – zwar „nur“ im Kinosaal, nichtsdestotrotz mit der Folge, dass Zeichentrick über viele Jahre hinweg zu einem Teil unseres Lebens wurde. Dieses harmonische Miteinander wird einem heute spätestens bei der fröhlichen Schlusseinstellung von
„FALSCHES SPIEL MIT ROGER RABBIT“ bewusst. Damals konnte man freilich noch nicht erahnen, dass bald der Computer die Arbeit vieler talentierter Zeichner überflüssig machen würde, trotzdem hinterlässt Schweinchen Dicks Schlusssatz
„Das war’s, Leute“ einen etwas bitteren Nachgeschmack.
Doppel-Seufz.