von Asokan Nirmalarajah
Wenn sich das notorisch wählerische Schauspieltalent Kevin Kline einmal dazu entschließt, eine tragende Rolle in einer Kinoproduktion zu übernehmen, dann sollte man zumindest etwas hellhörig werden. Kline, der sich im Laufe seiner langen und prämierten Hollywood-Karriere immer seltener dazu herabließ, in einem Kinofilm mitzuspielen, statt sich seiner eigentlichen Leidenschaft, dem Theater zu widmen, ist nicht ohne Grund in Industriekreisen unter dem spöttischen Namen „Kevin Decline“ bekannt. Doch die sporadischen Kino- und Fernsehrollen, die er in den letzten zehn Jahren annahm, blieben oft hinter den Erwartungen der Kritiker zurück, wenn auch er selbst in mittelmäßigen Filmen wie
Das Haus am Meer (2001) noch glänzen konnte. Auch
The Extra Man (2010; dt. Titel:
Der letzte Gentleman), der jüngste Film des Regie-Gespanns Shari Springer Berman und Robert Pulcini, dem für die unorthodoxe Künstlerbiographie
American Splendor (2003) viel Lob zuteil wurde, und an dessen Kritikererfolg beide seitdem nicht mehr anschließen konnten, ist ein weiterer dieser komisch-sentimentalen, unterdurchschnittlichen Filme, in dem sich der wandlungsfähige, spielfreudige Kline erneut etwas austoben darf - auf Kosten des gelangweilten Zuschauers.
Im Mittelpunkt der schrulligen Geschichte steht aber ein anderes Schauspieltalent, das droht recht schnell zu verblassen: Paul Dano, der habgierige Prediger aus
There Will Be Blood (2007), gibt hier den schüchternen Jungdozenten Louis (Paul Dano), der seine Stelle an einer Privatschule verliert, als er in einem unbeobachteten Moment seinem Fetisch für Frauenunterwäsche nachgibt und an dem BH einer Schülerin herumfingert. Anschließend strandet der junge Mann mit den schriftstellerischen Ambitionen und dem Wunsch, sein Leben nach dem Vorbild des Protagonisten in F. Scott Fitzgeralds Roman „The Great Gatsby“ zu gestalten und ein wohlhabender Gentleman zu werden, in New York. Ein Zimmer zur Untermiete findet er in der heruntergekommenen Wohnung des schrägen Bühnenautors Henry (Kevin Kline), dessen mangelnder Erfolg ihn zwingt, die alten Damen der höheren Gesellschaft auszuführen. Der alternde Damenbegleiter will den wissbegierigen Louis lehren, wie man ein guter „Extra Man“ wird, während dieser sich bei seiner neuen Redaktionsstelle in die hübsche Arbeitskollegin Mary (Katie Holmes) verguckt und dabei verzweifelt versucht, sein Faible für Cross-Dressing geheim zu halten…
Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von Jonathan Ames aus dem Jahr 1998, dessen originelle Geschichte eines heterosexuellen jungen Mannes, der sich zur Cross-Dressing-Szene New Yorks hingezogen fühlt, dem Autor zum Durchbruch in den USA verhalf, versucht sich
The Extra Man an einer gefälligen Verfilmung eines eigenwilligen, unspektakulären Stoffes. Die Regisseure Shari Springer Berman und Robert Pulcini, die zusammen mit Ames auch für das Drehbuch zum Film verantwortlich zeichnen, suchen nach ihren letzten, verhalten rezipierten Literaturverfilmung
Nanny Diaries (2007) erneut die entferntesten Winkel ihrer Lieblingsstadt New York auf, um sie in atmosphärischen, einladenden Bildern festzuhalten und zugleich die dort miteinander in Berührung kommenden höheren und unteren Sozialschichten aufs Korn zu nehmen. Als eine freche, aber herzliche Sittenkomödie über die Marotten der Upper Class, die so anstrengend sind, dass sie sich ihre Gesellschaft kaufen muss, und den Überlebenskünsten der Lower Class, die sich auch mal Socken auf die Füße malen, wenn sie keine zu Hand haben, will sich der Film verstanden wissen. Doch leider ist
The Extra Man weder witzig, charmant, noch clever.
Vielleicht liegt das Problem darin, dass der durch die Bank weg hochkarätig besetzte, recht hübsch fotografierte und auch ansprechend ausgestattete Film nicht so recht weiß, was er sein will außer eine Aneinanderreihung von zusammenhangslosen Szenen, in denen die schrulligen Figuren wiederholt auf ihre Eigenarten aufmerksam machen können. Für eine intergenerationale Buddy-Komödie á la
Harold und Maude (1971) zwischen zwei weltfremden Gentlemen ist die Beziehung zwischen den perfekt besetzten, aber leider blassen Hauptdarstellern Kevin Kline und Paul Dano zu dröge und nicht ausreichend umrissen. Für eine romantische Komödie zwischen einem sich altmodisch kleidenden Kauz und einer modernen jungen Frau mit einem ausgeprägten Öko-Bewusstsein, sind die Szenen zwischen Dano und Katie Holmes ohne jede Chemie und überaus belanglos. Und für ein Identitätsdrama über einen jungen Mann, der nicht weiß, ob er sich zu Frauen hingezogen fühlt, weil er ihre Körper oder ihre Kleider attraktiv findet, ist
The Extra Man weder interessant genug, noch sonderlich aufschlussreich. Die unbeholfene Mischung als all diesen disparaten Bausteinen ergibt einen Film, bei dem man nicht so reicht weiß, was er eigentlich will. Exemplarisch hierfür ist auch der unerklärliche Auftritt des begnadeten John C. Reilly als Henrys exzentrischer Nachbar: Die Komik dieser Figur beschränkt sich darauf, dass sie mit einer Piepsstimme spricht, aber mit einer herben Männerstimme singt.
Die DVD und Blu-Ray zum Film aus dem Hause Sunfilm Entertainment warten mit einem Trailer, Audiokommentar und Featurettes auf. Leider wurden diese Extras auf der vorliegenden Presse-DVD nicht zur Begutachtung bereitgestellt.