Blicken wir der Wahrheit einmal direkt ins Auge: Kein ernstzunehmender Kritker mag die Teeniekomödien und Romantic Comedys mit Freddie Prinze jr. – außer mir natürlich. Selbstverständlich muß vorher ein gewisses Terrain abgesteckt werden: Wer etwas Tiefschürfendes über das Menschsein erfahren will, sieht sich Filme von Ingmar Bergman oder (bei höherem Heiterkeitsbedürfnis) Woody Allen an. Wer sich mit den Komplexitäten zwischenmenschlicher Beziehungen beschäftigen mag, ist bei Cameron Crowe viel besser aufgehoben. Und wer sich mit dem Erwachsenwerden auseinandersetzen will, sieht sich am besten gar nichts an und liest Salinger.
Und schon haben wir uns in eine Verteidigungshaltung hineinmanövriert. Warum beschäftigen wir uns also mit den Filmen von Freddie Prinze jr. und können selbige ernsten Gesichtes empfehlen? Setzen wir doch einmal so an: Freddie ist nicht der begnadetste Schauspieler auf Gottes weiter Erde. Vielleicht ist er nicht einmal ein richtig guter. Aber er ist ein stets glaubwürdiger, charismatischer Darsteller, in den sich der Zuseher hineinprojezieren kann. Und die Geschichten, die um ihn herumgestrickt werden, setzen sich in dem ihnen gegebenen Rahmen durchaus mit menschlichem Verhalten auseinander – mit einer ganz leichten Ironie, die uns wissen läßt, daß nicht alles wortwörtlich zu nehmen ist, aber ernsthaft genug, um die
Figuren und ihre Bedürfnisse ernstnehmen zu können.
Jetzt könnten wir uns aussuchen, über welchen Prinze-Junior-Film wir schreiben – die PYGMALION-inspirierte High-School-Komödie EINE WIE KEINE oder doch lieber die ganz bodenständige Underdog-Story SUMMER CATCH? – aber wir suchen uns ganz gezielt BOYS AND GIRLS (im Deutschen BOYS, GIRLS & A KISS) heraus, und wir brauchen dafür nicht einmal einen besonderen Grund. BOYS AND GIRLS entstand dank des enormen Erfolges von EINE WIE KEINE mit dem gleichen Regisseur, Robert Iscove, und auch wenn es keiner der Beteiligten laut ausspricht, ist die Geschichte als Umkehrung von Rob Reiners Klassiker HARRY UND SALLY konzipiert: Auch hier sind Mann und Frau erstmal lange Zeit befreundet, bis sie dann merken, daß sie sich lieben.
Die Umkehrung geschieht, indem die Rollenmuster zwischen dem männlichen und dem weiblichen Part vertauscht werden. Ryan (Freddie Prinze jr.) ist Ordnungsfanatiker, sensibel und prinzipiell ein sehr ernsthafter Mensch, während Jennifer (Claire Forlani) lebenslustig, leichtfüßig und tendenziell ungebunden ist. Über viele Jahre hinweg treffen sie sich immer mal wieder, können sich nicht ausstehen, bis sie dann auf dem gleichen College landen und dort im jeweils anderen einen Gesprächspartner über ihre gescheiterten Beziehungen finden. Natürlich werden sie enge Freunde, natürlich wird irgendwann mehr daraus, und selbstverständlich sind sie danach nicht etwa ein glückliches Paar, sondern entfremden sich aus Angst, einen Fehler gemacht zu haben. Ryan hofft auf eine Beziehung, aber Jennifer will ihre Freiheit nicht aufgeben und überzeugt Ryan, daß ihre Nacht zusammen ein Ausrutscher war. Wer HARRY UND SALLY kennt, sieht BOYS AND GIRLS wie einen Spiegel dazu – die gleichen Verhaltensmuster, nur gewechselt.
Nun ist die Geschichte nicht wahnsinnig originell – ebenso wie menschliches Verhalten dann doch immer wieder gewissen Mustern folgt – und der eigentliche Kern von HARRY UND SALLY geht hier verloren: Natürlich glaubt jeder, daß es in letzterem Film darum geht, ob Männer und Frauen Freunde sein können, aber eigentlich geht es um die Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern, und wie beide sich in Situationen verhalten, sie unterschiedlich interpretieren und Bedürfnisse anders ausdrücken. In BOYS AND GIRLS geht es, soviel steht mal fest, eigentlich doch "nur" um zwei Menschen, deren Beziehung zueinander immer wieder neue Wendungen nimmt. Daß das funktioniert und interessant bleibt, ist einerseits den Schauspielern zu verdanken – gerade Claire Forlani füllt ihre Rolle mit so viel Leben und Eigenheiten, daß sie spannend bleibt – und andererseits dem Buch, das die Beziehungen zwischen den Figuren immer wieder frisch betrachtet.
Robert Iscove inszeniert den Film größtenteils in dem Erzählstil, den er schon für EINE WIE KEINE angewandt hat: Auch hier spazieren Figuren durch die Handlungsschauplätze, von denen sie gerade jemandem erzählen – als Jennifer davon erzählt, wie ihr Musikerfreund mit ihr während eines Konzertes Schluß gemacht hat, verwandelt sich ihr Apartement plötzlich zu einem Club, und sie sitzt unter den Zuhörern und erzählt ihrer Freundin gleichzeitig, was passiert ist. Getanzt wird auch wieder – Iscove war früher Choreograph – aber im Großen und Ganzen bemüht sich die Inszenierung, die Geschichte bodenständiger anzulegen als den Vorgänger. Mit einigen guten Nebendarstellern – Jason Biggs, Alyson Hannigan, Heather Donahue und Amanda Detmer – werden auch Handlungstangenten mit mehr Leben ausgefüllt, als das Drehbuch eigentlich vorlegt.
Ganz ehrlich: BOYS AND GIRLS ist kein außergewöhnlich guter Film. Es ist ein leichtfüßig inszeniertes Stück
fluff, teils komisch, teils gefühlvoll, aber kein großer Wurf. Der Trick dabei ist: Das will er gar nicht sein. Die Details sind liebevoll genug ausgearbeitet, um für die Laufzeit in die Welt des Films einsteigen und daran Anteil nehmen zu können. Überall sind kleine Widerhaken, die aus den obligatorischen Genrekonstanten eine kleine Geschichte über glaubwürdige Figuren machen. Und so betrachtet ist BOYS AND GIRLS dann doch sehr gut in dem, was er tut.