In den 50er Jahren erfreute sich der Monsterfilm großer Beliebtheit. Nach den Erfolgen von „Panik in New York“ (1953) und „Formicula“ (1954) entschloss sich Hollywood einen weiteren Genrefilm zu produzieren. An Stelle von Dinosauriern und Riesenameisen sollte nun ein gewaltiger strahlenverseuchter Riesenkrake die Meere unsicher machen und die Menschheit bedrohen. Wie bereits in „Panik in New York“ konnte abermals Stop-Motion Experte Ray Harryhausen für das Projekt und die Animation des Ungeheuers gewonnen werden.
Problematisch ist das Drehbuch von „Das Grauen aus der Tiefe“ weil es sich aufgrund mangelnder Kreativität und eines geringen Budgets im Prinzip an dieselben Erzählmuster hält, aus denen die beiden oben erwähnten Klassiker gestrickt sind:
Ein U-Boot der U.S. Army wird in den Weiten des Meeres von einem riesigen Etwas bedroht. Die Besatzung kommt durch viel Geschick und eine ordentliche Portion Glück noch einmal mit dem Leben davon und benachrichtigt hierauf das Militär, welches mit Hilfe eines Gewebefundes Forschungen anstellt, um der unbekannten Gefahr aus der See auf die Schliche zu kommen. Zwei mit Fachjargon um sich werfende Meeresbiologen machen sich an die Arbeit und identifizieren den organischen Fund als Körperteil eines gigantischen Octopus bzw. Sextopus (der Ärmste hat nämlich aus Kostengründen nur sechs Fangarme).
Hier ist klar erkennbar, dass der Film dem Zuseher kaum Neues bieten kann. Wieder einmal sind Atombombe und Radioaktivität für die Mutation des Tintenfisches verantwortlich was in den Monsterfilmen der 50er der beliebteste Erklärungsversuch für das Aussehen und die Größe der bedrohlichen Kreaturen war. Dem Menschen werden seine eigenen Waffen zum Verhängnis.
Hintergrund sind der wachsende Antikommunismus der Vereinigten Staaten und das atomare Wettaufrüsten mit der UdSSR, verbunden mit einer großen Furcht vor einem die Menschheit vernichtenden Atomkrieg.
Auch der Rest des Scripts ist vorhersehbar und langweilig. Der adrette und manchmal mehr manchmal weniger charmante Commander Pete Mathews lernt die Meeresforscherin Lesleyl Joyce kennen und macht ihr mit plumpen Anmachen und Sprüchen schöne Augen. Diese zickt zunächst und tut so als ob sie ihm die kalte Schulter zeige, lässt allerdings durchblicken, dass sie sehr wohl großes Interesse an dem Commander findet. Danach passiert das Übliche: die beiden verlieben sich bis über beide Ohren, dürfen ständig kuscheln, flirten und dann und wann auch ihre Konflikte austragen.
Die Leidtragende dieser Romanze ist die Dramaturgie, denn die Liebesaffäre scheint Regie und Drehbuch weit wichtiger zu sein als die Bedrohung durch den sechsarmigen Mutanten, und der gelangweilte Zuseher befürchtet schon er sitze ob soviel ausgedehnter und platter Liebesschnulze im falschen Film. Auch der hektische Off-Kommentator, der an einen Sprecher einer Propagandanachrichtensendung denken lässt, kann da nicht mehr viel zur Spannung beitragen. Das Tempo wird durch erzähltechnisches Ungeschick viel zu sehr gedrosselt und kommt erst beim Finale so richtig in Schwung.
Zwar ist auch der Schluss kein innovatives Element sondern höchst einfallslos, denn egal ob Dino oder Riesenaffe, seit dem Stummfilm „Die Verlorene Welt“ (1925) scheint sich jedes Untier für eine Sightseeing Tour in einer amerikanischen Metropole zu interessieren – wobei unser bedauernswerter Sextopus es nicht einmal schafft sich mit seinen Tentakeln aus dem Hafen an Land zu hieven, sondern beim Versuch dabei getötet wird – das Ende macht dann aber doch so großen Spaß, dass einige Szenen wie z.B. die berühmte Zerstörung der Golden Gate Bridge, die in Roland Emmerichs „Godzilla“ (1998) zitiert wird, bleibenden Eindruck hinterlassen werden.
Bezüglich cineastischer und filmhistorischer Gesichtspunkten gibt es ohnedies wenig zu bekritteln, sehen doch Harryhausens exzellente (und im Gegensatz zu seinen vorhergehenden Projekten sichtbar verfeinertere) Animationen, vor allem die schleimigen Tentakel auch im Zeitalter der digitalen Filmtechnologie noch ekelig aus und begeistern den nostalgischen Freund verstaubter Horrorklassiker mit ihren irrealen und ruckhaften Bewegungen.
Regisseur Robert Gordon ist sichtlich darum bemüht durch FX, billige Modelle und hohe Todesraten ein flaches und anspruchsloses Drehbuch wieder gutzumachen.
Die Soundeffekte können sich dabei in ihrer Lautstärke heute noch hören lassen. Selbst wenn die Dialoge auf Zimmerlautstärke tönen sind die Actionszenen so ohrenbetäubend laut, dass „Das Grauen aus der Tiefe“ in seinen Maximalpegeln von über 100 Dezibel trotz seiner Mono-Aufnahme mit so manchem Blockbuster der Gegenwart leicht mithalten kann (ich nehme an das liegt auch daran, dass die Tonspur der DVD nicht einer Dynamikkompression, d.h. einer Minderung der Differenz zwischen leisen und ganz lauten Passagen, unterzogen wurde wie das bei Major Releasen leider allzu oft der Fall ist).
Mischa Bakaleinikoffs schwere Filmmusik, die sich vornehmlich des Einsatzes von Blechbläsern und Paukenschlägen bedient, bewegt sich ganz innerhalb der damaligen Grenzen des Genres.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Darstellung und Zeichnung Lesleyls, die von einer bemühten Faith Domergue gespielt wird. Die junge Wissenschaftlerin verhält sich einerseits genauso wie man es von einer weiblichen Protagonistin eines Mainstream-Movies dieser Zeit erwartet, nämlich ‚anständig’, bieder und immer züchtig gekleidet, weist andererseits aber bereits einige Züge einer emanzipierteren Frauengeneration (Zitat: „A new breed of women“) auf.
In ihrem von Männern dominierten Umfeld spielt sie mit ihrer Weiblichkeit, ist sich ihrer erotischen Wirkung auf das andere Geschlecht voll bewusst und setzt zum Erreichen ihrer Ziele immer wieder sämtliche Verführungskünste ein. Nachdem die Bedrohung überstanden ist und sich ein Happy End einstellt, informiert sie Pete Mathews klipp und klar, dass sie gar nicht daran denke zu heiraten und eine Familie zu gründen, sondern stattdessen ihrer Karriere den Vorzug gebe und zusammen mit dem Commander ein Buch über das Erlebte verfassen möchte. Für die braven und bürgerlichen 50er ist dies geradezu ein Hammer und das wohl einzige originelle Element des B-Movies.
Im Gesamteindruck ist „Das Grauen aus der Tiefe“ viel zu langweilig und besteht hauptsächlich aus aufgewärmten Konventionen des Monsterfilms, wobei die Parallelen zum zwei Jahre älteren „Panik in New York“ am offensichtlichsten sind. Lediglich der Einstieg, der die klaustrophobische Enge des U-Bootes gut zu vermitteln weiß und den Mutanten nie zeigt, der große Showdown in San Francisco sowie Ray Harryhausens künstlerisch belebter und bedrohlich erscheinender Riesenkrake retten den Film vor einer ganz schlechten Bewertung.