„The darkest souls are not those which choose to exist within the hell of the abyss, but those which choose to break free from the abyss and move silently among us.“
(Dr. Samuel Loomis)
John Carpenters Klassiker „
Halloween - Die Nacht des Grauens“ aus dem Jahr 1978 sollte eigentlich wirklich jedem Horrorfan ein weitläufiger Begriff sein. Der für läppische 300.000 US-$ in 21 Tagen abgedrehte Kultschocker um das personifizierte Böse in Gestalt des maskierten Killers Michael Myers ist die erfolgreichste Independent-Produktion in der damaligen Zeit und zudem eindeutig der wichtigste Initiator für die folgende „Teenie-Slasher“-Welle gewesen. Der Riesenhit hat insgesamt sieben Fortsetzungen nach sich gezogen, wovon Teil 3 lediglich den Titel trägt, aber inaltlich versucht hat, neue Pfade zu beschreiten – allerdings ohne das Wohlwollen des Publikums, weshalb Teil 4 dann auch wieder nahtlos die bewährte Geschichte weiterspinnt.
Leider muss angemerkt werden, dass mit Ausnahme des zumindest handwerklich gut umgesetzten siebten Teils „Halloween H20“ (1998), bei welchem auch „
Scream - Schrei!“-Autor Kevin Williamson seine Finger im Spiel gehabt hat, alle übrigen Sequels b
estenfalls unterer Durchschnitt gewesen sind. Da das grottenschlechte Finale „
Halloween: Resurrection“ (2002) sich auch an den Kinokassen nicht als übermäßiger Erfolg erwiesen hat, hätte man eigentlich erwartet, dass das Interesse des Studios an einem weiteren Michael Myers-Projekt nicht besonders groß sein dürfte.
Doch dieser Eindruck hat offensichtlich getäuscht, denn knapp 30 Jahre nach dem Original hat es sich der Ex-„White Zombie“-Frontmann Rob Zombie auf einem Regiestuhl bequem gemacht, um ein Remake von Carpenters Schocker zu drehen, das zugleich ein Prequel zu der ursprünglichen Geschichte werden sollte. Allerdings stellt „Halloween“ nicht die erste Regiearbeit von Zombie dar:
Bereits 2000 hat der eigentlich als Musiker tätige, bekennende Horrorfreak seine
Exploitation-Film-Verbeugung „
Haus der 1000 Leichen“ abgedreht, die aufgrund lang andauernder Differenzen zwischen dem Regisseur und den ständig wechselnden Vertreibern erst drei Jahre später das Licht der Leinwand erblicken sollte. Inhaltlich stellt dieses Erstwerk kein besonders positives Kinovergnügen dar, aber offensichtlich ging es Zombie, der sich auch für die meisten Videoclips seiner Band verantwortlich gezeigt hat, in erster Linie darum, auf inszenatorischer Ebene ein Feuerwerk abzubrennen, anstatt eine homogene Geschichte zu erzählen. Seine folgende Arbeit für die Filmindustrie, die Fortsetzung „
The Devil`s Rejects“ (2005), ist zwar bei vielen Fans mit großem Wohlwollen aufgenommen worden, aber unterm Strich ein noch verrückteres Werk geworden als der Vorgänger.
Bei den nicht gerade wenigen Verehrern seiner Filme hat also die Nachricht über ein „Halloween“-Remake ein Gefühl der Vorfreude hervorgerufen, während so mancher die Nase bei dem Gedanken an ein voraussichtlich völlig abgedrehtes neues Michael Myers-Opus gerümpft hat.
Letztlich ist das vorliegende Resultat doch noch zu einer kleinen positiven Überraschung, auch für Gegner Zombies, geraten, da der Film zumindest in der ersten Hälfte völlig unerwartete Züge annimmt, die man dem Regisseur in dieser Form bestimmt nicht zugetraut hätte.
„These eyes will deceive you, they will destroy you. They will take from you, your innocence, your pride, and eventually your soul. These eyes do not see what you and I see. Behind these eyes one finds only blackness, the absence of light, these are of a psychopath.”
Die Geschichte beginnt ein wenig früher als das Original mit der Vorgeschichte des späteren Killers Michael Myers. Dieser wächst als 10-jähriger (wirklich intensiv gespielt von dem jungen Daeg Faerch) in einer völlig dysfunktionalen Familie auf, die in der Kleinstadt Haddonfield lebt.
Seine Mutter (Sheri Moon Zombie, Ehefrau des Regisseurs) ist eine Stripperin, ihr Liebhaber Ronnie (William Forsythe) ein fieses Schwein, das die Familie gerne traktiert, und Michaels Schwester Judith (Hanna Hall) eine pubertäre Rotzgöre - nur seiner zweiten Baby-Schwester gegenüber zeigt Michael auch seine sanfte Seite. Denn was bisher niemand ahnt ist, dass der Einzelgänger in seinem Zimmer auch gelegentlich kleine Tiere zu Tode quält und scheinbar dabei ist, eine schwere psychische Störung weiter auszubilden.
Als in der Schule ein älterer Junge einen herablassenden Spruch über dessen Mutter macht, attackiert ihn Michael. Wenig später werden zudem einige Fotos von den getöteten Tieren aufgefunden, weshalb der Direktor seine Mutter mit dem Psychiater Dr. Sam Loomis (Malcolm McDowell, „A Clockwork Orange“, „
Doomsday“) bekannt macht. Dieser soll ihn untersuchen, da davon ausgegangen wird, dass seine Situation äußerst ernst ist. Zunächst stellt sich Mrs. Myers stur gegen den Vorschlag, aber am folgenden Halloween-Abend geschieht etwas, das sich die Mutter in ihren schlimmsten Albträumen nicht hätte ausmalen können:
Da sie sich auf der Arbeit befindet, muss Michael den Abend allein verbringen, und als er vom Süßigkeiten-sammeln heimkehrt, erwischt er seine Schwester mit einem Kerl im Bett. Irgend etwas unheimliches passiert in jener Nacht mit dem Jungen, denn er nimmt ein Fleischermesser aus der Küche und schlachtet bis auf seine kleine Schwester alle Anwesenden im Haus, samt dem schlafenden Ronnie, grausam ab.
Nun wird Michael in die geschlossene Klinik von Dr. Loomis eingewiesen, der auf einfühlsame Weise versucht, zu dem Kind durchzudringen. Da sämtliche Sitzungen keine nennenswerten Erfolge bringen und sich Michaels Mutter das Leben nimmt, nachdem sie mitansehen musste, wie ihr kleiner Liebling eine Krankenschwester mit einer Gabel ersticht, wird der scheinbar unheilsame Junge in einer Zelle weggeschlossen. Von jetzt an spricht er mit niemandem nur ein einziges Wort.
Loomis, der den Fall frustriert zu den Akten gelegt hat glaubt, dass etwas Böses von Michael Besitz ergriffen hat, und als es jenem viele Jahre später gelingt, aus der Anstalt zu fliehen, macht sich der Psychiater auf nach Haddonfield, um seinen ehemaligen Patienten von weiteren Greueltaten abzuhalten…
Rob Zombie ist es mit seiner Neuauflage tatsächlich noch einmal gelungen, der Geschichte ein paar interessante Aspekte zu entlocken, anstatt auf aneinandergereihte, ausgelutschte Tötungsszenen – zumindest in der ersten Filmhälfte – zu setzen.
Es ist schon faszinierend, mit wie viel Feingefühl sich der Regisseur den Figuren nähert, die zusätzlich von ihrem jeweiligen Darsteller sehr authentisch gespielt werden. Natürlich gibt es genügend Stimmen, die den Ansatz von Michaels Entwicklung durch seine Familiengeschichte als arg klischeehaft abtun, doch im Grunde soll dieser auch gar nicht das Mysterium „Michael Myers“ vollständig erklären, sondern nur eine grobe Richtung vorgeben. Zum Glück hat nämlich Zombie nicht versucht, seinem Publikum die altbekannten Schocks als größte Attraktion anzubieten – er lässt das Grauen langsam im Inneren des Kindes entstehen ohne die Protagonisten oder Zuschauer direkt daran teilhaben zu lassen, was wesentlich unheimlicher ist, als zum x-ten Mal einen maskierten Mann mit einem Messer hinter einem Baum hervorspringen zu sehen.
In der Psychologie bezeichnet man den unbekannten Ort in Michaels Entwicklung, der scheinbar von sozialen Komponenten beeinflusst worden ist, als „Black Box“, da es keine Beweise dafür gibt, ob die familiären Faktoren tatsächlich das spätere „Monster“ erschaffen haben - es kann lediglich eine Möglichkeit bleiben.
Ein weiteres interessantes Element, das Zombie hier ein wenig mehr aufgegriffen hat, ist des Killers Faible für seine Masken. Wie man in der ersten Hälfte des Films sieht, trägt er diese zunächst nur wenn er seine Taten ausübt, während man ihn nach der vollständigen „Wandlung“ gar nicht mehr ohne zu Gesicht bekommt.
Was nun wirklich schade und enttäuschend ist, ist die Tatsache dass der zunächst wirklich fesselnde Film plötzlich in zwei verschiedene Teile fällt - denn nachdem Michael aus der Anstalt geflohen ist, erwartet die Zuschauer im Prinzip eine arg komprimierte Zusammenfassung von Carpenters Original, die lediglich durch ein paar nette Schockeffekte und die abschließenden Minuten überzeugen kann.
Es wäre zwar etwas vermessen, die Schuld dafür völlig auf das produzierende Studio zu schieben, doch verblüffenderweise hat dieses tatsächlich Zombie dazu angehalten, den Film nach Sichtung der Rohfassung noch um ein paar Gewaltszenen zu strecken.
Wenn man bedenkt, dass der Regisseur mit seinem Erstling noch Probleme gehabt hat, aufgrund der Splattereinlagen einen Verleiher zu finden, grenzt dieser Umstand schon ein bisschen an Ironie.
Nun bügelt auch der auf DVD erschienene „Director´s Cut“ nicht alle Falten aus dem Werk, was aber auch nicht das Ende aller Tage bedeutet – in der Summe ist die neue „Halloween“-Auflage nämlich schon ein gelungener Neuanfang geworden, der eindeutig besser geraten ist, als die übrigen Fortsetzungen. Carpenters Original hat selbstverständlich weiterhin meilenweit die Nase vorn.
Der Film hat aber gezeigt, dass auch ein Rob Zombie nicht bloß Geschichten mit durchgedrehten Zirkusclowns erzählen, sondern sich im Rahmen eines Horrorstreifens auch ernsteren Charakteren näheren kann.
Alles in allem wäre im Grunde schon mehr Potential in der Geschichte gewesen, aber „Halloween“-oder generell Genrefans kann man das Werk durchaus empfehlen.