„I never had any friends later on like the ones I had when I was twelve. Jesus, does anyone?”
Der Schriftsteller Gordon Lachance sinnt anlässlich des Todes eines früheren Freundes, dem Anwalt Christopher Chambers, über seine Jugendzeit nach. Er denkt zurück an den Sommer 1960, jenen Sommer in dem er als 12jähriger gemeinsam mit Chris und ihren Freunden Vern Tessio und Teddy Duchamp auf eine abenteuerliche Reise ging, die sie nachhaltig prägen sollte:
Die vier Freunde haben seit Tagen die Radioberichte über den vermissten Ray Brower, einen Jungen in ihrem Alter, verfolgt. Unverhofft belauscht Vern ein Gespräch zwischen seinem älteren Bruder und dessen Freund, welche die Leiche des Jungen an einer Eisenbahnstrecke nahe einem Waldweg gefunden haben wollen. Nachdem Vern dem Rest des Quartetts davon berichtet hat, brechen die vier Freunde auf, um die Leiche zu suchen und von allen als Helden gefeiert zu werden, wenn sie tatsächlich zum Ziel gelangen. Der Ausflug nimmt jedoch eine Wendung, wie sie die Jungen nicht vorhergesehen haben...
1986 setzte Regisseur
Rob Reiner ("Harry und Sally", "Misery") filmisch um, was Stephen King vier Jahre zuvor in seiner Erzählung "Die Leiche" (Originaltitel "The Body") zum Leben erweckt hatte: eine feinfühlig erzählte Geschichte über das Erwachsenwerden, über Freundschaft und darüber, wie sie überdauern aber auch vergehen kann.
"STAND BY ME" ist die Verfilmung einer Ste
phen King Geschichte, die – eher unüblich für den Meister des Grauens – eben keine phantastische Horrorerzählung, sondern eine einfühlsame Charakterstudie ist. Wir begleiten die Hauptfigur des Gordie (Will Wheaton) auf seiner Suche nach Bestätigung, die ihm zu Hause verwehrt bleibt (vor allem nach dem Tod seines älteren Bruders) und die er stattdessen bei seinen Freunden findet. Vor allem findet er sie bei Chris (River Phoenix), der sich – entgegen seinem gewalttätigen familiären Umfeld und seinem damit verbundenen Ruf als Unruhestifter – als zuverlässig und bodenständig entpuppt und ein wenig die Rolle des tragischen Helden einnimmt. Teddy (Corey Feldman) kommt ebenfalls aus einem zerrütteten Hause. Sein Vater, welcher mittlerweile in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht ist, hat die furchtbaren Erlebnisse seines Kriegsdienstes nie verwinden können und hat seine innere Wut und Unsicherheit auf seinen Sohn übertragen. Vern (Jerry O'Connell), schließlich, präsentiert sich als unbedarfter, geradezu naiver Junge, der trotzdem oder gerade deswegen das Herz des Zuschauers zu erobern vermag.
Nicht umsonst trägt die Stephen King Erzählung im Original den Zusatztitel "Fall from Innocence". Sie erzählt von einem Übergangsritus, dem Schritt ins Erwachsenenleben, den alle Jungs irgendwann einmal tun müssen. Mit ein wenig Glück sind sie wie unsere Filmhelden dabei nicht allein, sondern können Kraft und Mut aus der Unterstützung seitens ihrer Freunde schöpfen. Wehmütig blickt der erwachsene Gordie zurück auf jenen Sommer, welcher vielleicht die entscheidende Phase in dieser Entwicklung zum Erwachsenen darstellte.
Rob Reiner, selbst Schauspieler und das, was man in Hollywood als actor-director bezeichnet, schaffte es, seine jungen Schützlinge auf den Weg zu einer bemerkenswerten Performance zu bringen. Allen voran glänzt
River Phoenix ("Little Nikita", "My Private Idaho") als Chris Chambers. Obwohl noch im Teenageralter, lässt er hier bereits ein unglaubliches schauspielerisches Potenzial erkennen, welches er leider ob seines viel zu frühen Todes nicht mehr ausschöpfen konnte.
"STAND BY ME" ist einer der Filme, mit denen sich River Phoenix selbst ein Denkmal gesetzt hat.
Wil Wheaton ("Boy Soldiers", "Raumschiff Enterprise") als Gordie vermittelt genau jene Sensibilität, welche die Figur ausmacht.
Jerry O’Connell ("Sliders - Das Tor in eine fremde Dimension", "
Scream 2"), der als Vern sein Spielfilmdebüt gibt, und
Corey Feldman ("
Die Goonies", "The Lost Boys") runden das geschickt zusammengestellte Ensemble der Hauptdarsteller ab. In kleinen aber feinen Nebenrollen finden sich außerdem
Kiefer Sutherland ("
Die drei Musketiere", "24") als Halbstarker Ace, der mit Vorliebe die jüngere Clique um Gordie schikaniert,
John Cusack ("
Weil es Dich gibt", "
War Inc.") als Gordies älterer Bruder Dennis und schließlich
Richard Dreyfuss ("Unheimliche Begegnung der Dritten Art", "
Der Weiße Hai") als erwachsener Gordie, der die Rolle des Erzählers übernimmt.
Im Großen und Ganzen hält sich der Film in der Erzählung der Geschichte stark an sein literarisches Vorbild. Der Film konzentriert sich etwas stärker auf Gordie, seine konflikt-geladene Gefühlswelt und seine Entwicklung als es in der Erzählung der Fall ist. Außerdem sind die Figuren des Ace und seiner Gang ausgebaut worden und gewinnen so etwas mehr an Gewicht innerhalb der Geschichte. Dagegen ist jedoch nichts einzuwenden. Denn wie Stephen King in der auf der DVD enthaltenen Filmdokumentation selbst feststellt:
„Books and movies are apples and oranges. There are both delicious but they don’t taste the same at all.” Fast mühelos schafft es der Film, beim Zuschauer Sympathie für seine Hauptfiguren zu wecken. Mit seinen atmosphärischen Bildern, der gefühlvollen Erzählweise und den liebevoll gezeichneten Charakteren, in denen sich der eine oder andere Zuschauer sicherlich wiederfinden kann, bietet
"STAND BY ME" anspruchsvolle Unterhaltung, die begeistert und zum Mitfühlen einlädt.
Zum Schluss sei noch auf den allseits bekannten Titelsong „Stand By Me“ hingewiesen, welcher
Ben E. King gut zwanzig Jahre zuvor schon einmal einen Hit bescherte. Ob in seiner unveränderten Version im Abspann oder als Instrumentalstück, welches den Film in einfühlsamer Weise einleitet – der Song scheint wie für die Geschichte gemacht und ergänzt sie akustisch optimal. Das sprichwörtliche Tüpfelchen auf dem „i“, das einem ohnehin schon sehr guten Film zusätzlich noch das gewisse Etwas gibt. Traurig schön.