Nicht nur Remakes und Fortsetzungen sind derzeitige Trends in der Blockbuster-Schmiede Hollywoods, auch ein weiterer Typus erfreut sich momentan immer größerer Beliebtheit: Prequels in Form von Origin-Storys, also Filme, die sich auf die Ursprünge bekannter Filmfiguren konzentrieren und deren Leben vor ihrer „Berühmtheit“ (fiktional gesehen) erforschen wollen. Sowohl Batman als auch Wolverine bekamen kürzlich solche Filme spendiert, und nun trifft es also eine Figur, die darüber hinaus auch noch unzählige andere Verfilmung gesehen hat: Robin Hood, Rächer der Armen, legendärer Bogenschütze und ganz allgemein: Kevin Costner auf dem Höhepunkt seiner Popularität in den 90er Jahren. Mit Ridley Scott hat man einen Historienfilmerfahrenen Regisseur an Bord geholt, man will ja schließlich den ultrarealistischen Anspruch einlösen, und nicht den zwar filmisch realistischen aber trotzdem märchenhaften Costner-Streifen imitieren. Zusammen mit seinem Lieblingsdarsteller Russell Crowe sind die Hoffnungen einigermaßen hoch: Bekommen wir Gladiator 2.0 in England, oder doch nur eine weitere, dröge Variante des Robin-Hood-Mythos?
Frankreich zu Beginn des 13. Jahrhunderts (an dieser Stelle verordnet sich der Film mit einem Textinsert übrigens selbst gleich mal 100 Jahre zu früh): König Richard Löwenherz befindet sich auf dem Heimweg von seinem Kreuzzug und plündert sich quer durch Europa. Als man eine letzte Burg der Franzosen zwecks Vorräten einnehmen
will, kommt es zur Katastrophe. Nicht nur wird der einfache Bogenschütze Robin Longstride (später: Hood) für eine Rauferei bestraft, sondern auch König Richard stirbt im Gefecht. Durch die anschließende Konfusion kann sich Hood befreien und bekommt schließlich über Umwege zusammen mit seinen neuen Freunden Will, John und weiteren Nebenfiguren des klassischen Mythos nicht nur in Besitz von Ritteroutfits, sondern auch der englischen Krone. Diese überstellen sie an den Thronfolger Prinz John, um sich abschließend als der wiedergekehrte Sohn von Walter Loxley und damit Ehemann von Marion Loxley auszugeben.Doch der böse Godfrey ist nicht nur Hood auf den Fersen, sondern will auch noch eine Invasion durch Truppen des französischen Königs Phillipp begünstigen. Können Robin Hood und Prinz John gemeinsam (das möge man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!) England retten?
Und das ist also die Origin-Story von Robin Hood, Rächer der Armen, Jesse James des Mittelalters und Held in Strumpfhosen – der Stoff aus dem die Legende ist, doch genau hieran scheitert der Film. Mit dem Versuch, Robin Hood auf einer realistischen Schiene im Mittelalter zu verorten, hat der Film zwar eine prinzipiell gute Idee, kann diese aber nicht adäquat umsetzen. Da das Drehbuch und damit die Geschichte das größte Problem des Films darstellt, müssen nun also
kleinere Spoiler Folgen, um hier so etwas wie eine Kritik mit Substanz gewährleisten zu können. Wer nun also gar nichts über die Story wissen möchte, sollte also am Besten das Lesen aufhören. Andererseits kennt ja sicherlich jeder den Mythos des Bogenschützen, insofern kann das Ende des Films kaum überraschen – nur das Wie, Wie der Film dorthin kommt, ist schon ziemlich spektakulär doof. Denn die Geschichte versucht weniger die Legende einzuleiten, als vielmehr Robin Hood zu entmysthifizieren und kommt am Ende dann doch wieder zum Mythos zurück, was die Angelegenheit umso banaler erscheinen lässt.
Auch in diesem Film ist Robin Hood aka Robin Longstride scheinbar nur ein einfacher Bogenschütze. Im Kreuzzug Richard Löwenherz' dienend kommt er alsbald als Hochstapler in den Besitz von Ritteremblemen, Geld und der Königskrone des inzwischen verstorbenen Königs und überstellt diese nach England zu Prinz John. Schließlich nimmt er dem sterbenden Ritter Sir Loxley noch den Wunsch ab, dessen Vater und Frau – Maid Marion – zu besuchen und kommt dem nach. Da die Landbevölkerung Sir Loxley nach über 10 Jahren auf Kreuzzug sowieso nicht kennt, gibt sich Robin alsbald als dieser aus – erneut wird er vom Film zum Hochstapler gemacht. Dass Robin dadurch eigentlich alles andere als heldenhaft und nur auf sein eigenes Wohl bedacht ist, merkt auch das Drehbuch und lässt sich vor allem zu zwei Dingen hinreißen: einerseits werden völlig unsinnige Nebenplots eingebaut, die nur dazu dienen, Robin die Gelegenheit zu geben, Gutes zu tun (hier sei einfach mal das Stichwort „verwilderte Kinder“ genannt, die dem Film rein gar nichts hinzufügen), andererseits lässt das Autorenteam Robin einen noblen Hintergrund (aus dem Nichts) angedeihen, indem sein Vater – ein einfacher Steinmetz – spontan zum Autoren der Magna Charta gemacht wird. Ja, wir haben auch sehr gelacht.
Dass dem Film ein wirklicher Bösewicht abgeht, ist ebenfalls beim Drehbuch als Schuldigem zu suchen. Godfrey als Verräter und Initiator der französischen Invasion kann zwar vor allem Dank Schauspieler Mark Strong einige Szenen an sich reißen, allerdings stellt sich die Frage, ob denn wirklich jemand „Robin Hood gegen die Franzosen“ sehen will? Warum ausgerechnet diese legendäre Figur, die in diesem Film eben problemlos durch jeden anderen „Helden“ (sofern man diesen Hochstapler als solchen bezeichnen will) hätte ersetzt werden können. Die Benutzung der bekannten Figur wirkt erzwungen, ebenso werden bei bekannten Nebenfiguren nur Namen und wenige Traits benutzt, ohne dass diese notwendig erscheinen. Little John konnte ich mir nur merken, weil dieser von Kevin Durand gespielt wird, der schon in
Walking Tall sämtliche Szenen in denen er nicht gerade mit The Rock zu sehen war beherrschte; Bruder Tuck hat als Mönch ungefähr drei Auftritte, und auch der weltberühmte Sheriff von Nottingham schafft es nur auf geschätzte vier Minuten Screentime. Einzig Cate Blanchett ist als Maid Marion vollends überzeugen und verkörpert mit ihrem Äußeren die abgehärtete Mittelalterlady viel besser als es jede modelhafte Jungschauspielerin wohl könnte.
Andererseits ist auch die Figur des Prinz John einer der größten Schwachpunkte des Films. Geschrieben im „realistischen“ Stil ist er nicht der grandiose Bösewicht wie etwa Alan Rickman im Costner-Film, sondern eigentlich bei genauer Betrachtung „nur“ ein junger, naiver König der unter dem Verrat Godfreys leidet, da er diesen nicht rechtzeitig erkennt und den Worten seiner alten Mutter keinen Glauben schenken mag – was logisch erscheint, da diese ihm seine Liebesbeziehung zu einer jungen Französin ausreden möchte. Dies führt letztendlich zu der in der Inhaltsbeschreibung schon angesprochenen, absurden Situation, dass Robin Hood tatsächlich an der Seite von Prinz John die französische Flotte abwehren muss. Fünf Minuten vor Schluss scheint auch das Drehbuch zu realisieren, dass die Chose so irgendwie nicht wirklich funktionieren will, und in einer Endsequenz die man nur als „künstlich hinzugefügt“ bezeichnen kann, wandelt sich Prinz John auf einmal zum bekannten Fiesling, bricht sein Versprechen und erklärt Robin Hood zum Vogelfreien, so dass dieser die „Chance“ erhält, endlich zur Legende zu werden und gemeinsam mit den wilden Kindern und seinen Kameraden im Wald zu wohnen – und mit einer äußerst zynischen Texttafel „Und so beginnt die Legende...“ entlässt der Film den völlig enttäuschten Zuschauer aus dem Kino, gerade wenn es interessant und eben Robin Hood zu werden scheint. Schon Batman Begins hat erkannt, dass eine Originstory dann doch irgendwie den eigentlichen Helden braucht. Und das Oscar Isaac Prinz John ähnlich überdreht wie Alan Rickman spielt, hilft der Sache dann auch überhaupt nicht weiter.
Regisseur Ridley Scott scheint dies irgendwann auch zu merken und inszeniert vor allem in der finalen Schlacht an der englischen Steilküste als ob es um sein Leben ginge. Nicht nur biedert er sich visuell bei
Steven Spielberg an, darüberhinaus lässt er sich tatsächlich auch dazu hinreißen, die niederregenden Pfeilsalven wie Maschinengewehre klingen zu lassen. Abgesehen davon, dass die Landungsboote mit niederfallenden Klappen am Bug erst schlappe 750 Jahre später erfunden wurde (soviel zum realistischen Anspruch des Filmes) taucht Robin da auch schonmal in Zeitlupe brüllend aus dem Wasser auf, Maid Marion reitet mit ihrem Pferd ins Gefecht – ich erwartete schon einen Hobbit auf ihrem Schoß – und scheitert grandios, und überhaupt verblüfft der Film mit einer überraschenden Blutarmut, die man vom Regisseur von Gladiator so wohl nicht erwartet hätte.
Das Wort zum Sonntag also: „Robin Hood“ ist nicht so offensiv dumm wie etwa
Wolfman. Er ist größtenteils sauber inszeniert (abgesehen von ein paar offensichtlichen Wir-wissen-grad-nicht-weiter-Lücken im Drehbuch), er ist technisch über weite Strecken gut gemacht, und er ist natürlich schön gefilmt. Allerdings ist er auch – und das ist für einen Film vielleicht das Schlimmste – erstens ziemlich langweilig, zweitens komplett „uninvolving“ und drittens völlig belanglos, weil das mit Robin Hood eben rein gar nichts zu tun hat. Verschenktes Potential in Reinform, dann doch lieber wieder Kevin Costner und Alan Rickman.