Nach dem Angriff auf die Zigarettenindustrie („Insider“,
„Thank You For Smoking“) beginnt nun die filmische Attacke auf die dunklen Machenschaften der Fast-Food-Ketten um McD., Burger King & Co. Schon die Dokumentation „Super Size Me“ von 2004 hat sich eingehend mit den Auswirkungen des scheinbar nicht gerade gesunden Schnellfraßes auseinandergesetzt und jetzt kommt mit „Fast Food Nation“ nun die ganze, wenn auch fiktiv gehaltene, Geschichte, die hinter den kitschigen Burger-Buden steckt.
Die Schäden, die die Kalorienbomber am Menschen hervorrufen sind allerdings nur ein Thema von Richard Linklaters („subUrbia“,
„Before Sunrise“, „School Of Rock“,
„A Scanner Darkly“) neuem Werk. Im Mittelpunkt des Ensemblefilms steht die fiktive Fast-Food-Kette „Mickey´s“. Deren neuer Marketing-Leiter Don Henderson (Greg Kinnear, „Unzertrennlich“,
„Little Miss Sunshine“) hat gerade mit seinem Team ein neues Produkt entwickelt: Der
„Big One“ soll sich als neues Zugpferd des Unternehmens etablieren, doch einige unabhängige Lebensmitteltests haben jüngst ergeben dass sich in den Leckerbissen scheinbar ein Anteil von Tierfäkalien „gemogelt“ hat. Um herauszufinden was es mit diesem Fall auf sich hat, wird Don von seinem Chef nach Colorado geschickt. Er soll dem dortigen Fleischlieferanten einmal auf die Finger schauen und in der Tat ist Don zunächst höchst beeindruckt von der Professionalität und Hygiene, die in dem Betrieb herrschen. Dass ihm bei seinem Besuch ein Schauspiel dargeboten worden ist erfährt er erst von dem Farmer Rudy Martin (Kris Kristofferson, „Blade“). Laut dessen Aussage hat das Unternehmen ihm nicht einmal einen Bruchteil der Fabrik vorgeführt. So soll es z.B. bei der Arbeit am Fliessband regelmäßig aufgrund des Zeitdrucks zu Schlampigkeiten und Unfällen kommen, die die Unreinlichkeit des Fleisches erklären würden.
Fast alle Mitarbeiter der Firma sind übrigens illegal aus Mexiko über die Grenze geholt worden. So auch die beiden Schwestern Sylvia (Catalina Sandino Moreno) und Coco (Ana Claudia Talancón), die zunächst auch am Fließband eingesetzt werden. Während Sylvia, deren Freund Raul (Wilmer Valderrama) ebenfalls in der Fabrik arbeitet, schon bald angewidert ihren Job quittiert um als Hotelmädchen zu arbeiten, wird Coco vom ihrem knallharten Vorarbeiter verführt und in die Drogensucht getrieben. Als eines Tages Raul einen schrecklichen Arbeitsunfall erleidet muss auch Sylvia wieder in den Betrieb zurückkehren. Scheinbar sind Drogen in dessen Blut nachgewiesen worden und die Versicherung verweigert nun die Auszahlung. Allerdings sind bereits alle Plätze am Fließband belegt und so wird Sylvia schließlich in der Schlachtabteilung beschäftigt…
Auch die Geschichte von Amber (Ashley Johnson) steht in Zusammenhang mit dem „Mickey´s“-Konzern, jobbt diese doch nebenbei in der Filiale der Kleinstadt Cody an der Kasse um ihre Mutter Cindy (Patricia Arquette, „True Romance“) mit dem Lebensunterhalt zu unterstützen. Ihr Onkel Pete (Ethan Hawke, „Gattaca“, „Reality Bites“), der damals verschiedenen rebellischen Studentenvereinigungen angehört hat, wünscht sich dass auch Amber nach der Highschool Cody verlässt um etwas aus ihrem Leben zu machen; als Ansporn verspricht er ihr 1000 Dollar als Belohnung.
Auf einer Party schließt Amber sich einer Gruppe politisch engagierter Studenten an (unter ihnen auch die Sängerin Avril Lavigne), die den „Mickey´s“-Konzern in die Knie zwingen wollen indem sie deren Schlachtrinder freilassen…
Ohne jetzt einen direkten Vergleich herstellen zu wollen, kann man trotzdem behaupten dass „Fast Food Nation“ neben einem Meisterwerk wie „Babel“ durchaus Bestand hat. Bei beiden Filmen handelt es sich um einzelne Geschichten, welche einem großen Leitthema untergeordnet sind. Während sich jedoch
„Babel“ mit dem Problem der Kommunikation in der globalisierten Welt befasst, beschäftigt sich Linklaters Film mit Menschen die allesamt in einer riesigen „Maschine“ gefangen sind. Und diese legt ganz sicher keinen Wert auf Einzelschicksale oder moralische Verantwortung.
Vor allem die Geschichte der Schwestern Sylvia und Coco ist intensiv erzählt und fährt dem Zuschauer wirklich unter die Haut.
Im Gegensatz zu anderen kritischen Filmen wie
„Thank You For Smoking“ oder „Super Size Me“ setzt Richard Linklater in seinem Film allerdings nicht auf Sarkasmus oder besonders viel Ironie; seine Waffe heisst Warmherzigkeit. Fast alle Charaktere im Film besitzen sympathische Züge (Cocos Vorarbeiter einmal ausgenommen) und wachsen dem Zuschauer irgendwie ans Herz wie es so oft bei Filmen des Regisseurs ist. Es gibt keine guten oder bösen Menschen sondern nur die Menschheit, oder besser: Menschlichkeit, als Ganzes und die Maschine, die sie unterdrückt. „Fast Food Nation“ hat einen eher traurigen als aggressiv-kämpferischen Ton. Man wird als Zuschauer nicht mit Parolen bombardiert oder in eine bestimmte politische Richtung gedrängt sondern zum allgemeinen Nachdenken angeregt.
Manche Kritiker haben bereits bemängelt dass der Film nicht besonders zusammenhängend erzählt wäre, doch genau dieser Umstand bewirkt dass man das Kernthema von verschiedenen Blickwinkeln sehen kann und nicht den gesamten Film über einem Sympathieträger folgen muss.
Passionierte Fleischesser seien übrigens ein wenig vor dem Filmgenuss gewarnt:
Wenn Sylvia am Ende ihren Dienst im Schlachthaus antreten muss, läuft ihr eine Träne aufgrund des schrecklichen Szenarios die Wange herunter. Und in der Tat möchte man diese Szenen der Tierschlachtung am liebsten gar nicht gesehen haben. Der Film ist zwar keine inoffizielle Werbung für Vegetarier, aber es dürfte aufgrund der widerlichen Bilder schwierig sein sich nach dem Kinobesuch einen BigMäc in den Rachen zu stopfen.
Man sollte sich trotzdem vor dem brisanten Thema nicht verschließen, schließlich ist man als Endverbraucher auch betroffen wenn man die, im wahrsten Sinne des Wortes, „Scheisse“ zu fressen kriegt.
Unbedingt ansehen!