„We hold these truths to be self-evident, that all man are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable rights, that among these are life, liberty and the pursuit of happiness.” Seit mehr als zwei Jahrhunderten ist in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung der Wunsch nach Gleichheit und Gerechtigkeit formuliert – ein Ziel, das im 21. Jahrhundert angekommen weder überholt noch erreicht zu sein scheint. Die Modelle der US-amerikanischen Gesellschaft als „melting pot“ – eines Schmelztiegels, in dem verschiedene Ethnien zu einer einzigen, neuen verschmelzen – und „salad bowl“ – einer Salatschüssel, in der diese unterschiedlichen Gruppen in Harmonie nebeneinander existieren – entpuppen sich als Wunschdenken, für das es kein reales Abbild gibt.
„Integration is a lie!“
Diese nüchterne, fast anmaßende These ist für die Schüler und Schülerinnen der Wilson Classical Highschool in Long Beach, Kalifornien unumstrittene Tatsache. Von den Rassenunruhen im Jahre 1992 erschüttert fängt die junge Lehrerin Erin Gruwell 1994 an dieser Schule zu unterrichten an, um etwas zu verändern und zu verbessern. Doch ihre Aufgabe stellt sich als weitaus schwieriger heraus, als sie es gedacht hätte. Der Hass zwischen den in Gangs organisierten Teenagern asiatischer, afrikanischer, mexikanischer und europäischer Abstammung ist tief verwurzelt; gewaltvolle Ausschreitungen und die Angst, das n
chste Opfer zu sein, bestimmen ihren Alltag. Als Erin Gruwell eines Tages eine rassistische Zeichnung konfisziert, bringt sie das erste Mal das Thema Holocaust zur Sprache, von dem kaum einer ihrer Schüler weiß, worum es sich bei diesem Begriff handelt. Nach und nach passt Mrs. Gruwell ihren Unterricht an das Leben ihrer Schüler an und lässt sie in Tagebüchern aufschreiben, was sie bewegt, wie sie leben und woran sie denken.
Mit viel Einsatz und zwei Nebenjobs finanziert Erin Gruwell Ausflüge und Bücher aus eigener Tasche, schafft es, ihren Schülern neue Hoffnung zu geben und revolutioniert das Lehrsystem. Doch während die Teenager zu einer großen Gemeinschaft verschmelzen, gehen „draußen“ die Probleme weiter…
Richard La Graveneses Drama „Freedom Writers“ ist keine fiktive Geschichte, sondern ein Film über die wahren Begebenheiten um eine willensstarke, aufopfernde Lehrerin und ihre verzweifelten, in Hass und Vorurteilen verstrickten Schüler, die in einer scheinbar ausweglosen Situation neue Hoffnung schöpfen. Basierend auf „The Freedom Writers Diary“ geht es um genau jene Highschool-Kids, die zusammen mit ihrer Lehrerin ihre Tagebucheinträge abtippen und diese als Buch veröffentlichen.
Auch ohne die wahren Hintergründe hätte es der Film geschafft, ergreifend zu sein, allerdings fühlt man sich durch das Wissen, hier Tatsachen erzählt zu bekommen, viel mehr in seinem Mitgefühl bestätigt. Es sind also nicht nur die Musik, die dramatische Inszenierung oder die gefühlvollen jungen Darsteller, die den Zuschauer bewegen, sondern eben der Fakt, dass alles genau so war.
Der Film baut hier ganz klar auf eine detaillierte Figurenentwicklung, die zum einen fesselt, zum anderen aber auch glaubwürdig ist. Erin Gruwell ist keine Superheldin in ihrem Job. Als sie an der Highschool in Long Beach anfängt, steht sie als naive Möchtegern-Weltverbesserin zunächst ziemlich hilflos da. Weder zollen sich die Schüler untereinander noch gegenüber ihrer Lehrerin Respekt. Zu schlimm ist ihr Alltag außerhalb der Schule, als dass sie ihrer Ausbildung auch nur irgendeine Bedeutung zumessen könnten. In diesem Sinne sind gerade die Streitgespräche zwischen den künftigen Freedom Writers und Erin Gruwell das Packende an den Unterrichtsszenen. Ein schlagfertiges Argument folgt dem nächsten und man fiebert geradezu mit, wie Mrs. Gruwell es dennoch schafft, sich Schritt für Schritt zu behaupten und ihre Schützlinge zu animieren, den Unterricht ernst zu nehmen. Nämlich indem sie sie mit Themen aus der Geschichte konfrontiert, mit denen sie sich identifizieren können. Dabei organisiert sie zum Beispiel einen Ausflug in ein Hotelrestaurant, wo die Schüler auf drei Holocaustüberlende treffen. Das Bemerkenswerte hierbei ist, dass die Darsteller der drei eindrucksvollen Herrschaften auch in Wahrheit Opfer der deutschen nationalsozialistischen Diktatur wurden und diese überlebten.
„Freedom Writers” ist keine weitere übertrieben heroische Schnulze darüber, wie eine „Weiße“ aus einem „schwarzen“ Krisengebiet eine rosa Kissenschlacht macht, alle Fragen beantwortet, alle auf ihre Seite zieht und am Ende eben alles gut werden lässt. Die Probleme werden hier komplexer und tief verankert dargestellt; es wird nicht für alles eine simple Lösung geboten. Der Film erlaubt sich nur, die Perspektive zu ändern und Hoffnung zu vermitteln. Und dies tut er auf eine sehr feinfühlige Art und Weise.
Einziger Unsicherheitspunkt wird letztlich aber immer bleiben, wie viel in diesem Film Hollywood ist, das auf die Tränendrüse drückt, und wie viel der Wahrheit entspricht. Wie viele Details, Gespräche, Situationen wurden erfunden und passend inszeniert, damit der Spannungsverlauf konstant bleibt, die Dramaturgie stimmt und der Zuschauer seine Tränchen vergießen kann? Denn „Freedom Writers“ muss wie jeder andere Film eben auch unterhalten und sein Publikum über zwei Stunden bei Laune halten.
Ganz genau wird man wohl nie wissen, welches Detail nun genau so stattgefunden hat und was nur inszeniert wurde, um die Produktionskosten zu decken. Worin man aber sicher gehen kann, ist, dass „Freedom Wirters“ von einer Idee erzählt, die funktioniert hat. Wirklich.