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Donnie Darko

Donnie Darko

Ein Film von Richard Kelly

„Donnie Darko? What the hell kind of name is that? It's like some sort of superhero or something.”

Das Kino mit all seinen Unwägbarkeiten und Hürden spendiert manchen Filmen gelegentlich leider nicht den finanziellen Erfolg, den sie eigentlich verdient hätten. Millionenschwere Massen- und Fließbandproduktionen stampfen erfolgstechnisch alles nieder, was budgettechnisch nicht einmal annährend in die Sphären eines Blockbusters heranreicht. Einige dieser geschlagenen Gesellen fristen daraufhin teilweise ein unverdientermaßen ödes und staubiges Dasein in den hintersten Ecken der Videotheken und werden höchstens von einer Handvoll Filmliebhabern mit der Art Wertschätzung versehen, die ihnen zustehen müsste.


Nichtsdestotrotz entwickeln einige dieser Perlen der Filmgeschichte ein beachtliches Eigenleben und rollen das Feld gewissermaßen von hinten auf. Klein angefangen erheben sich die filmischen Werke nach und nach zu großen Kultfilmen ihres Genres, kommen auf der digitalen Disk endlich zu dem ihnen gebührenden Ruhm und setzen ihren Siegeszug in Internetforen und Diskussions-Plattformen fort. Das Phänomen „vom finanziellen Flop zum erfolgreichen Kultfilm“ ist an sich ja schon geeignet, mehrere Seiten zu füllen. Umso schwieriger ist es für einen Filmkritiker, wenn er über einen Film zu berichten hat, über den ganze Bücher verfasst werden könnten. Wagen wir es einfach mal.


Am 26.
Oktober 2001 startete in den USA der Debütfilm des Regisseurs Richard Kelly unter dem Namen „DONNIE DARKO“ in den Kinos. Der mit einem für die USA vergleichsweise geringen Budget von 4,5 Mio. Dollar ausgestattete Mysteryfilm sollte jedoch am Ende nur knapp eine halbe Million an den Kinokassen einspielen. Einer der Gründe war sicherlich, dass der Film mit dem Fall einer Flugzeugturbine auf ein belebtes Haus beginnt – kurz nach den schrecklichen Ereignissen um den 11. September wollte das im Kino niemand sehen. Erst die später erscheinende DVD, die innerhalb kürzester Zeit über eine Million Mal über die Ladentheke ging, machte den Film nun nicht mehr nur in kleinen Fankreisen, sondern auch einem breiten Massenpublikum bekannt. Überschäumendes Lob von Presse und Filmliebhabern folgte auf dem Fuße, Top-Wertungen in einschlägigen Filmforen und Magazinen im Schlepptau. Hier wurde ein Film aus der Traufe gehoben, der sich gekonnt vom Hollywood-Einheitsbrei abhob, mehrere Genres auf einmal bediente und bei aller Raffinesse und Storykniffe eines tat: auf ungewohnte Weise unterhalten. Die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten, die der durchdachten Geschichte zweifelsohne innewohnen, sorgen auch heute noch für Gesprächsstoff, denn so unterschiedlich jeder einzelne Mensch ist, so verschieden fällt jeweils auch das Verständnis des Drehbuchs von Richard Kelly aus. Jeder Versuch, eine allgemeingültige Sichtweise festzusetzen, wäre verfehlt, da selbst Kelly zugibt, dass man vieles in seinem Film sehen kann und er seine eigene Intention, die er während des Filmdrehens hatte, gerne für andere, nachträgliche Interpretationen zurückstellt. Auch meine Interpretation dieses modernen Klassikers stellt nur eine kleine von vielen bestehenden Meinungen dar, gleich einem Grashalm auf der langläufigen Wiese der Möglichkeiten. Nichts ist für sich alleine die ultima ratio, aber alles zusammen formt letztlich ein aussagekräftiges Gesamtbild. Ein filmisches Puzzle, und jeder von uns ist ein kleines Teilstück davon.


„Ich hoffe, dass ich, wenn die Welt untergeht, erleichtert aufatmen kann, weil es dann so viel gibt, auf das ich mich freuen kann.“



Die merkwürdige Geschichte beginnt im Oktober des Jahres 1988. Der psychisch labile – und sich deshalb auch in psychiatrischer Behandlung befindende –, jedoch überaus intelligente Teenager Donnie Darko (Jake Gyllenhaal in seiner ersten großen Hauptrolle, „Jarhead“, „Brokeback Mountain“ [2005], „Zodiac“ [2007]) erwacht am 2. Oktober auf einem Golfplatz, ohne genau zu wissen, wie er dort hingekommen ist. Ist er mal wieder schlafgewandelt? Was er sicher weiß, ist, dass ihm in der vorangegangenen Nacht in seinem Schlafzimmer ein Fremder in einem unheimlichen Hasenkostüm (James Duval) erschienen ist, der auf den Namen Frank hört und dem 16jährigen prophezeite, dass in genau 28 Tagen, 6 Stunden, 42 Minuten und 12 Sekunden der Untergang der Welt bevorsteht. Auf den Rat des Kostümierten hin verließ der Junge das Haus, nur um nach seiner Rückkehr vom Golfplatz feststellen zu müssen, dass eine Flugzeugturbine in der Nacht, in der er eigentlich in seinem Bett gelegen hätte, in sein Zimmer gestürzt ist und ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich getötet hätte. Warum hat Frank ihm das Leben gerettet? Und warum suchen Donnie ab diesem Zeitpunkt immer wieder Visionen mit dem seltsamen Hasen heim, in denen dieser wiederholt rätselhafte Andeutungen macht und den Teenager zu mitunter nicht legalen Taten treibt? So sorgt Donnie für einen Wasserrohrbruch in der Schule, der der Überflutung in dem zuvor im Unterricht von Lehrerin Karen Pomeroy (Drew Barrymore, „Mitten ins Herz“ [2007]) behandelten Buch von Graham Greene „The Destructors“ gleicht. Das Geschehen spitzt sich im Folgenden zu, als eine Mitschülerin namens Gretchen Ross (Jena Malone) in die Klasse kommt und Donnie Gefallen an dem hübschen Mädchen findet. Aufgrund des Wasserrohrbruchs nutzt der Junge die Gelegenheit und freundet sich mit Gretchen an – und aus Freundschaft wird letztlich Liebe und die beiden ein Paar. Doch Donnies Verhalten wird zusehends merkwürdiger, die Visionen immer kruder, das von Frank Verlangte immer schwieriger. Das Bloßstellen eines simplizistische Lebenstheorien verbreitenden „Predigers“ (Patrick Swayze, „Dirty Dancing“ [1987]) als Mitglied eines Kinderporno-Rings ist nur der Anfang einer Reihe von Handlungen, die jede für sich Auswirkungen auf das Leben seiner Mitmenschen hat. Am Ende steht eine Erkenntnis Donnies, die folgenschwere Auswirkungen haben soll. Das Buch „Philosophie des Zeitreisens“, auf das der Teenager durch einen Wink Franks gestoßen wird, spielt hierbei eine mehr als wichtige Rolle. Die Zeit läuft.


„Und was wäre, wenn Du in die Vergangenheit reisen und alle schmerzhaften und dunklen Stunden durch etwas Besseres ersetzen könntest?"



„DONNIE DARKO“ macht zwar auch noch Spaß, wenn man das Ende schon kennt, jedoch möchte ich aufgrund der Tatsache, dass der Film trotz treuer Fanbase hierzulande noch nicht sonderlich bekannt ist, in diesen Zeilen darauf verzichten, es zu verraten. Die, die den Film gesehen haben, werden es mir nachsehen, und die, die Richard Kellys Debüt bisher noch nicht gesichtet haben, können – hoffentlich – auch ohne Kenntnis aus dieser Kritik ein angemessenes Bild dieses nur schwer in Worte zu fassenden Meisterwerks ziehen. Inszenatorisch steht außer Frage, dass die Optik des Films keinen Rückschluss auf das Minimal-Budget zulässt. Die von Kameramann Steven B. Poster toll eingefangenen Bilder strahlen allesamt eine merkwürdige, wenngleich faszinierende und zur Geschichte passende Grundstimmung aus, die einiges dazu beiträgt, dass der Film beim Zuschauer im Gedächtnis bleibt. Auch die auf Hochglanz polierten Spezial- und Computereffekte wirken niemals deplaziert, sondern orientieren sich stark an den ganz Großen im Visual-Effects-Bereich wie zum Beispiel ILM, sehen überraschenderweise sogar teilweise besser, weil unaufdringlicher als in etwaigen Blockbustern aus. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass es sich hier um den Debütfilm eines damals erst 26jährigen handelt, kommt man nicht umhin, voller Hochachtung den imaginären Hut zu ziehen.


„Jedes Lebewesen auf der Erde stirbt für sich allein."



Noch bewundernswerter sind jedoch neben der Inszenierung und den schauspielerischen Leistungen von allen (!) Beteiligten die vielen Hinweise und Zitate im Film selber, die niemals alles verraten, sondern es vielmehr dem Auge des Betrachters überlassen, die Häppchen zu einem (für ihn) schlüssigen Gesamtbild zusammenzusetzen. Aus der obigen Inhaltsangabe ergibt sich förmlich schon der Verdacht, es hier mit einem schlichten Zeitreisefilm zu tun zu haben. Doch es sind ebenso weitere Sichtweisen möglich. Kelly selbst spricht im Audiokommentar der DVD von einer Art Paralleluniversum, in dem man sich unmittelbar nach dem Sturz der Turbine befindet. Dieses instabile Konstrukt droht, in sich zusammenzufallen und das unsrige Universum mitzuzerstören – vielleicht der Grund für den von Frank prognostizierten Weltuntergang? Oder handelt es sich am Ende gar um göttliches Eingreifen, ist Donnie doch an einer Stelle im Film in der Lage, den Weg seiner Mitmenschen vorauszusehen, da – nur für ihn sichtbar – seltsame schlangenähnliche und „richtungsweisende“ Objekte aus den Körpern der Menschen, die ihn umgeben, treten? Es liegt nicht fern, die hieraus entstehenden Möglichkeit, das Leben der anderen zu beeinflussen, als über allem stehende Macht anzusehen. Dass Donnie im Kino Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ ansieht, würde diese Interpretation sogar unterstreichen. Aber warum wird dann indirekt erwähnt, Donnie sei schizophren und Frank nur ein Teil seiner lebhaften Fantasie? Man sieht: wie man es auch dreht und wendet, es ist bei der Fülle an Details einfach nicht möglich, eine „einzig wahre“ Interpretation zu finden, geschweige denn in einer Rezension wie dieser alles, was man über den Film sagen könnte, zu berichten. Der Genremix aus Highschool-Satire, Horror, Mystery und Science-fiction-Drama erweist sich nämlich als regelrechtes Füllhorn, aus dem man beinahe unbegrenzt neue Anhaltspunkte für Interpretationen ziehen kann. Immer und immer wieder. So ist „DONNIE DARKO“ einer jener Filme, die man sich auch zwei- oder dreimal ansehen kann, ohne dass es einem langweilig wird.


Viel naheliegender erscheint im übrigen der Standpunkt, in Kellys Debüt das Psychogramm eines geplagten Jugendlichen zu sehen, der – von Jake Gyllenhaal genial verkörpert – in eine Welt geboren wurde, in der es nicht mehr viel gibt, was einen freudestrahlend zurücklässt. Die zutiefst verwirrte Gesellschaft verdummt allmählich, weil sie die falschen Sachen vertritt und glaubt, das Leben lediglich auf zwei Faktoren (Angst – Liebe) reduzieren zu können. Wer sich wie die Lehrerin Karen Pomeroy noch für die guten alten Werte stark macht, während andere Personen sogenannte „Wellness-Theorien“ propagieren und immer mehr Anhänger finden, wird einfach mir nichts, dir nichts „beseitigt“. Donnie ist einer der wenigen Menschen, die sich mit diesem Leben nicht anfreunden wollen, weshalb er auf seine Weise versucht, den Traum eines geglückten Lebens zu verwirklichen. Wodurch auch immer. Der melancholisch-geniale Song „Mad World“ am Ende des Films beschließt schließlich ein faszinierendes, spannendes Stück moderner Filmgeschichte, hinterlässt jedoch durch die traurige Wahrheit, die in ihm steckt, und das Zusammenspiel mit den letzten Filmminuten einen überaus bitteren Beigeschmack. Wir alle leben schließlich in dieser Welt, dieser manchmal überaus verrückten Welt.


Auch interessant:

Richard Kellys Nachfolgefilm „Southland Tales“ [2006]

Eine Rezension von Stefan Rackow
(03. Juli 2007)
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Daten zum Film
Donnie Darko USA 2001
(Donnie Darko)
Regie Richard Kelly Drehbuch Richard Kelly
Produktion Adam Fields, Nancy Juvonen, Sean McKittrick Kamera Steven B. Poster
Darsteller Jake Gyllenhaal, Noah Wyle, Daveigh Chase, Maggie Gyllenhaal, Beth Grant, Drew Barrymore, Katharine Ross, Patrick Swayze, James Duval, Holmes Osborne, Mary McDonnell, Jena Malone, Alex Greenwald, Patience Cleveland
Länge 109 Minuten (Kinofassung), 128 Minuten (Director's Cut) FSK ab 16 Jahren
Filmmusik Michael Andrews
Kommentare zu dieser Kritik
Stefan R. TEAM sagte am 04.07.2007 um 12:34 Uhr

Ich vergaß zu erwähnen, dass der Film ironischerweise innerhalb von 28 Tagen (!) abgedreht wurde. Faszinierend ;)
Damocles TEAM sagte am 06.07.2007 um 15:44 Uhr

Basiert diese Kritik auf der normalen DVD oder auf dem Director's Cut?
Stefan R. TEAM sagte am 06.07.2007 um 17:58 Uhr

Ich habe mich bei der Kritik hauptsächlich auf die normale DVD-Fassung bezogen, also die, die auch im Free-TV lief.
Brandywine sagte am 25.09.2009 um 15:59 Uhr

Lohnt sich denn ein Blick auf den Directors Cut, oder sind da nur "nette", kleine Ergänzungen drin?
Flo TEAM sagte am 19.11.2009 um 21:16 Uhr

Einer meiner Lieblingsstreifen und abseits deiner sehr individualistischen Lesart ein sehr stringend durchkomponiertes Sittenportrait der 80er. Sechs Pflichtsterne von meiner Seite!
Filmfan94 sagte am 01.06.2012 um 14:38 Uhr

Hier stimme ich der Kritik 1000 prozentig zu. Dieser Film ist ein Sog und gehört zu meinen Lieblingsfilmen. ich versteh immer noch nicht wie man so etwas geniales entwickeln kann. Ein komplexer Einfall jagt den nächsten. es stimmt auch das mehr Fragen gestellt werden als beantwortet werden, doch das ist ja gerade das tolle. Man kann selber in diesem Film sein. Das war ich auch wochenlang, als ich ihn das erste mal sah. Ich war so beeindruckt das ich zwei Tage nicht wusste um was es überhaupt ging. Es war einfach schon seine Art, die fasziniert. Ein wirklich unglaublich guter Streifen.

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