Tief durchatmen.
Luft rein, Luft raus.
Entspannung.
Nicht aufregen...
...
...
Wie kann man einen Film trotz Bill Murray in der Hauptrolle so eindrucksvoll in den Sand setzen?
Was bitte ist in Richard Donner und die beiden Drehbuchschreiber gefahren, Dickens'
Christmas Carol derart zu vergewaltigen?
Ist das Ende tatsächlich ernst gemeint?
Warum hat der Film einen so vielversprechenden Anfang?
Und warum hatte ich
Scrooged in so guter Erinnerung?
Es muss an Murray liegen. In gewohnt überragender Manier verkörpert er Frank Cross, den jüngsten Fernsehboss in der Geschichte der Vereinigten Staaten - ein rücksichtsloser Karrieretyp, wie er im Buche steht. Müßig zu erwähnen, dass er mit seinen Untergebenen umgeht wie - ja, wie es der alte Ebenezer Scrooge getan hätte. Herzlos, raffgierig und ohne jedes Freigiebigkeit boxt Cross seine Ziele durch. Ein herrlich grotesker Weihnachtsfilm mit guns and glory am Nordpol zeigt uns gleich am Anfang, wozu Cross fähig ist. Mit der geplanten Live-Verfilmung von Dickens'
Christmas Carol (ein dezenter Verweis, nicht wahr?), gesendet direkt am Weihnachtsabend, will er sich ein Denkmal setzen. Der stündlich über den Bildschirm flimmernde Trailer wird mit Mord und Totschlag aufgepeppt, ein Bedenkenträger ("Was genau hat die Werbung mit
Scrooge zu tun?" - "Nichts, wieso?") gnadenlos gefeuert. Wer es bisher nicht geahnt haben sollte: Ein Privatleben hat Frank Cross natürlich keines.
So weit, so überzogen. Dank Murrays urkomischem, aber dabei doch immer im richtigen Moment zurückhaltendem Minenspiel driftet der Einstieg in
den Film zum Glück aber nicht in den ärgsten Klamauk ab. So richtig beginnt er sowieso erst jetzt: Frank Cross macht wieder einmal Überstunden, verdrängt mit Alkohol seine persönlichen Sorgen, als plötzlich unter Hollywood-typischem Effekteeinsatz der etwas vermoderte Geist seines früheren Arbeitgebers erscheint. Dieser kündigt ihm recht eindrucksvoll die Ankunft drei weiterer Geister an - die Weihnachtsgeschichte kann beginnen. Es führen also im Folgenden die eben erwähnten (und ziemlich originell gestalteten) Geister den selbstsüchtigen Cross durch seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und öffnen ihm die Augen für die wichtigen Dinge des Lebens. Und obwohl sich Frank nach Kräften wehrt und einen Schutzschild aus Sarkasmus um sich herum errichtet (Murray at his best!), kann er sich seiner Wandlung nicht entziehen. Herrlich, was dem Zuschauer hier teilweise geboten wird! Frank entdeckt schließlich seine alte Liebe wieder und und kann sie in einer berührenden, urkomischen, aber doch stillen Schlusszene zurückgewinnen, in der er dem in diesem Film stets kritisierten Fernsehmoloch den Rücken kehrt...
Halt! Leider nicht. Also Rewind: Er entdeckt seine alte Liebe wieder und - kehrt mit Karacho ins Studio zurück, um mitten in die Live-Sendung zu platzen! Die Kameras sind auf ihn gerichtet, die Gegner und sein verhasster Konkurrent werden in Schach gehalten, und in Fernsehpredigermanier teilt uns Frank Cross in billigsten Plattitüden die Weihnachtsbotschaft mit. Live im TV steigert er die Quoten, als er seine Geliebte vor laufender Kamera küsst. Alle jubeln, alle singen, alle sind froh.
Hallelujah!
Das Ende schmerzt mich, als wäre ich gerade von einem 12-Tonner geplättet worden. Hat der Film nicht vorher noch in teils durchaus intelligenter Weise klar gemacht, wie hohl und falsch das Fernsehen, das bedingungslose Karrierstreben, die reine Konsumgesellschaft sind? Hat nicht der geläuterte Cross selbst gesagt, man solle den Fernseher am Weihnachtsabend abschalten, um sich lieber seinen Lieben zu widmen? Stattdessen präsentiert sich uns ein derart oberflächlich gekünsteltes Ende, glattgebügelt an allen Ecken und Enden (wo es nicht anders geht, gern auch mit der Shotgun - yeehaw!) und mit triefendem Kitsch nur so vollgequetscht, dass einem Hören und Sehen vergeht. Man fühlt sich unweigerlich an die Trailer erinnert, die Cross zu Beginn vorführte. Ohne die Gewalt zwar, aber mit genau derselben hohlen Scheinheiligkeit. Leider nichts gelernt - da helfen auch Elfmans gelungener Score und Gaststars nichts.
"Was hat das mit Weihnachten zu tun?" - "Nichts, wieso?"