Charles Dickens' moralisches Weihnachtsmärchen
A Christmas Carol um den raffgierigen Ebenezer Scrooge und die Ausbeutung der Armen im victorianischen England ist weithin bekannt - da verwundert es natürlich nicht, dass es mittlerweile eine ganze Reihe von Verfilmungen dieser Geschichte gibt. Eine hierzulande kaum bekannte, nichtsdestotrotz sehr interessante Variante der Originalvorlage ist
Blackadder's Christmas Carol, der weihnachtliche Ableger der großartigen britischen Comedyserie
Blackadder mit Rowan Atkinson.
Dieser spielt hier einmal keinen Tollpatsch, dessen Gesichtsmuskeln durch einen Dauer-Workout beansprucht werden, sondern einen wortgewandten, sarkastischen Intellektuellen, der sich mit allen Mitteln durch verschiedene Epochen der britischen Geschichte lavieren muss und dabei von einer Schwierigkeit in die nächste gerät. Begleitet wird er stets von seinem Gefährten Baldrick, der eine treudoofe Einfältigkeit ausstrahlt und dabei doch stets lakonische Treffsicherheit beweist. Meist ist er ihm mehr Stolperstein als Hilfe, sodass Blackadder allein dem willkürlichen Wahnwitz der herrschenden Adelsschicht (und manchmal sogar aller Menschen um ihn herum) gegenübersteht; dieser wird in tiefschwarzem Humor dargestellt und lässt einen manchmal regelrecht schlucken, gerade wenn es zuletzt in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs geht.
Zur besinnlichen Jahreszeit haben die Autoren aber einen Gang zurückgeschaltet; der Humor behält jedoch noch genug Biss, und gerade ein besonderer Kniff macht aus dieser Weihnachtsgeschichte eine besondere: Ebenezer Blackadder ist ein liebenswürdiger Kaufmann des 19. Jahrhunderts, der gegen die allgemeine Armut vorgeht, indem er allen Menschen, die zu ihm kommen, ihre Bitten gewährt. Er ist einfach zu liebenswürdig, um jemandem einen Wunsch abschlagen zu können - was von seiner Umgebung ohne Skrupel ausgenutzt wird.
Nicht nur Dickens' Märchen begann irgendwie anders, auch diejenigen, die Blackadder kennen, wissen, dass der obige Geselle ziemlich aus seiner Art geschlagen ist. Von seinen verschlagenen, hinterhältigen Vorfahren weiß er noch nichts; doch das wird sich bald ändern.
Geist der Weihnacht:
We show them how rotten their ancestors were. Of course, with your ancestors, it would have to be the full one-hour-ten vision, with a break and ice creams.
Etwas kürzer wird's doch, aber Ebenezer bekommt vom Geist der Weihnacht eine Sondervorführung - zu Abschreckungszwecken, versteht sich. Er traut seinen Augen nicht, wenn er sehen muss, wie seine Urväter (aus dem 17. und 18. Jhd.) mit ihrer rücksichtslosen Art ihre Mitmenschen ausnutzten und dabei auch noch gewannen! Ebenezer fragt den Geist der Weihnacht (einer muss reichen) daraufhin begeistert, wie denn seine Zukunft aussehen würde, wenn er sich ganz in die bösartige Tradition seiner Ahnen stellte. Der Angesprochene sieht, was er angerichtet hat und erinnert sich spontan daran, dass er ja eigentlich gerade noch ein paar Leute zu Tode erschrecken müsste, doch es ist schon zu spät. Blackadder sieht seine Zukunft - einmal als good und einmal als bad guy -, und was er dort erblicken muss, verschlägt ihm den Atem.
Geist der Weihnacht:
It does at least point to a very clear lesson.
Blackadder:
Namely?
Geist:
Namely... the rewards for virtue are largely spiritual, but all the better for it.
Blackadder:
Doesn't it point to the very clear lesson that bad guys have all the fun?
Am nächsten Morgen sehen wir einen anderen Blackadder - einen, der Kinder aus dem ersten Stock stößt und Leuten alles abnimmt, um sie dann in der Winterkälte allein stehen zu lassen; natürlich nicht, ohne sie vorher auf so einfallsreiche wie bösartige Weise beschimpft zu haben. Elegant wurde hier die Moral aus Dickens' Original verkehrt: Tue anderen Gutes, um selbst glücklicher zu werden? Von wegen, sie nutzen Dich nur aus und am Ende stehst Du selbst ohne alles da!
Baldrick:
Mr. B, where is the milk of human kindness?
Blackadder:
It's gone off, Baldrick. It stinks.
Blackadder, der Misanthrop, wie wir ihn kennen und tatsächlich auch lieben. Tja, und dann ist da doch noch dieser Twist am Ende (pun intended), der zeigt, dass eine allzu pessimistische Sicht auf den Altruismus den Blick versperrt auf dessen gute Seiten, mögen sie zunächst im Glanz des Materialismus auch untergehen. Den einzigen Schnitzer leistet sich der Film, wenn er diese Wendung hin zurück zu Dickens selbst materialistisch begründet; die Bestrafung des Fieslings mag nicht ins Gesamtkonzept passen. Davon aber abgesehen, bietet sich dem Zuschauer hier eine vor Wortwitz und komischen Einfällen strotzende Version des
Christmas Carol. Originalität und doppelbödiger Humor gehen hier Hand in Hand mit Weihnachtsstimmung und machen
Blackadders Christmas Carol zu einer willkommenen Abwechslung vom Einheitsbrei vieler Weihnachtsfilme.